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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

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Nr. 9
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Behrendt, Walter Curt: Ludwig Hoffmanns Bebauungspläne für die Stadt Athen
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https://doi.org/10.11588/diglit.24589#0568

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Ludwig Hoffmanns Bebauungspläne für die Stadt Athen

von WALTER CURT BEHRENDT, Berlin

Es ist das Verdienst der Gemeindeverwaltung
Athens und insbesondere seines Bürgermeisters,
Herrn Dr. Mercouris, für die Bedürfnisse der ihrer
Obhut und Sorge anvertrauten Kommune einen
offenen und sichern Blick bewahrt zu haben. Die
Notwendigkeit, der Willkür und Regellosigkeit der
städtischen Entwicklung ein Ende zu machen und
durch Aufstellung eines Generalbebauungsplanes
der künftigen Ausbreitung bestimmte Richtlinien zu
geben, wurde in einem Augenblick erkannt, wo
diese Erkenntnis noch praktische Konsequenzen zu
ziehen gestattete. Die griechische Hauptstadt steht
erst im Begriff, eine Grossstadt zu werden. Ihre
Einwohnerzahl hat 200000 noch nicht erreicht (i. J.
1907: 167000 Einwohner), nimmt jedoch stetig, wenn
auch nur langsam, zu. Noch ist die Stadt nur auf
dem Wasserweg zu erreichen, den Eisenbahnen
fehlt vorläufig noch die Verbindung nach Norden
mit den türkischen Linien. Hier also ist der Schaf-
fung eines grossen einheitlichen Verkehrssystems
als Grundlage der grosstädtischen Siedlung noch
jede Möglichkeit gegeben. Andererseits sind auch
die übrigen Fragen des Grosstadtproblems, Woh-
nungsfrage, Parkpolitik usw. hier noch nicht in ein
Stadium getreten, in dem ihrer Lösung fast unüber-
windliche, weil enorme pekuniäre Opfer fordernde
Schwierigkeiten entgegenstehen. Es war unter
solchen Umständen gerade jetzt die denkbar gün-
stigste Gelegenheit gegeben, die natürliche städtische
Entwicklung in neue gesunde Bahnen zu lenken.
Die Gemeinde hatte sich, um in dieser Angelegen-
heit den Rat eines anerkannten Fachmanns zu
hören, vor etwa zwei Jahren an den Berliner Stadt-
baurat Ludwig Hoffmann gewendet, mit der Bitte,
ihr praktisch ausführbare Vorschläge für die Ver-
besserung und Erweiterung der Stadtpläne zu
machen. Dass ihre Wahl gerade auf diesen Archi-
tekten fiel, macht ihrem künstlerischen Instinkt alle
Ehre. Denn wer Hoffmanns Begabung kennt, wird
fühlen, wie sehr ihn eine solche Aufgabe reizen
musste, wie sehr sie seinem Talent und seinem
akademisch bestimmten Temperament liegen musste.
Ja, man möchte sagen, die Wahl der Athener wäre
nicht glücklicher gewesen, wenn sie auf irgend
einen der deutschen Architekten gefallen wäre, dem
schon der Ruf eines Stadtbaukünstlers vorausgeht.

Denn nichts war bei dieser Aufgabe vielleicht mehr
am Platze, als die Eigenschaften, die sonst immer
als Einschränkungen bei der Analyse Hoffmannscher
Kunst genannt werden: seine zögernde, bedächtige
Art, die lieber einen altbekannten, aber sicher zum
Ziele führenden Weg wählt, als dass sie experi-
mentierend den Erfolg in einer neuen Richtung
suchte, sein kühl abwägender Intellekt, der der
Bedeutung dieser Situation gerecht werden konnte,
und sein nie versagendes Taktgefühl, das gerade bei
dieser Aufgabe mehr denn je zu fordern war. Alle
die Eigenschaften, die Hoffmann selbst in dem
seinem Projekt beigefügten Erläuterungsbericht als
unerlässlich für den Stadtbaukünstler bezeichnet:
Erfahrung, Empfindung, Ueberlegung und Takt, er
besitzt sie selbst in hohem Masse. Um den Grund-
satz durchzuführen, den er für diese Arbeit for-
muliert hat, „den grossen und ruhigen Sinn, den
die Vergangenheit dieser Stadt zeigt, auch in ihrer
künftigen Entwicklung zum Ausdruck zu bringen,“
war der Berliner Stadtbaurat die geeignetste Per-
sönlichkeit. V

V Hoffmann ist bei derBearbeitung seines Projektes
von der nächstliegenden praktischen Aufgabe aus-
gegangen, die die Anlage eines grossen Zentralbahn-
hofes der Stadt Athen stellen muss. Auf der Basis
seines Vorschlags, der vortreffliche Unterlagen für
die Aufstellung eines speziellen Wettbewerbpro-
gramms bieten wird, kann sich dereinst eine klare
Lösung dieser Aufgabe erreichen lassen. Hoffmann
hat vor dem einfach gehaltenen Empfangsgebäude
einen im Halbrund sich weitenden Bahnhofplatz
projektiert, von dem strahlenförmig eine Reihe von
Strassen abzweigen. Die mittlere, in der Achse
des Empfangsgebäudes angeordnete Strasse ist als
Promenaden- und Einzugsstrasse repräsentativen
Charakters gedacht. Das reiche Profil dieser rund
60 m breiten Strasse sieht in der Mitte einen baum-
bestandenen Promenadenweg vor, dem sich beider-
seits Radfahrer- und Reiterwege anschliessen; es
folgen auf beiden Seiten breitere Fahrstrassen für
Wagen und Automobile, denen sich gleichfalls von
Bäumen beschattete Trottoirs anreihen. Des wei-
teren hat Hoffmann seine Sorge auf die Ausbildung
des Omoniaplatzes konzentriert, der den Mittelpunkt
des innerstädtischen Verkehrs bildet. Auch hier

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