Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Schulze-Kolbitz, Otto: Das Herrenhaus Streckewalde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24589#0417

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DAS HERRENHAUS STRECKEWALDE

ARCHITEKT DR. OTTO SCHULZE-KOLBITZ IN BERLIN-HALENSEE

In der Nähe der alten Handels- und Bergwerksstadt
Annaberg erhebt sich über dem Tale der Pöhla
auf tannenbewaldeter Anhöhe das Schloss Strecke-
walde, das sich der Besitzer des gleichnamigen
Klostergutes und Gestütes als Sommersitz errichten
Hess. Auf weit ausladender Terrasse, die dem Felsen
mühsam abgerungen werden musste, erstreckt sich
der Bau in behäbiger Breite; das horizontale Prinzip,
das hier gegeben war, weil sich gegen den hohen
Bergrücken eine Konkurrenz im vertikalen Sinne
von selbst verbot, wird durch ein kräftiges Gurt-
gesims noch besonders betont; nur der kleine Dach-
reiter, der mit weiss gestrichenen Holzsäulen und
vergoldeter Kuppel weithin leuchtet, durchbricht
dies Prinzip. Leben und Bewegung wird in den
geschlossenen Baukörper durch die verschiedene
Form und Gliederung der roten Ziegeldächer ge-
bracht, deren manigfaltige Ausbildung ja auch den
Hauptreiz alter Schlossanlagen bildet. V

V Der Stil des Gebäudes lehnt sich, ohne sklavische
Nachahmung, an die in dortiger Gegend noch in
grosser Zahl vorhandenen guten Architekturen aus
der Zeit um 1780—1800 an. Dasselbe gilt für den
Innenausbau, der ausserdem auf vorhandene alte
Möbel Rücksicht zu nehmen hatte. V

V Bei der hohen Lage des Hauses und dem rauhen
Gebirgsklima war die Verwendung wetterfester
Materialien Bedingung. Die Fassaden sind in weiss-
gelbem hydraulischem Kalk geputzt, die Dächer mit
grösster Sorgfalt eingedeckt; auch das weit aus-
ladende Gurtgesims musste zum besonderen Schutze
mit Ziegeln abgedeckt werden. V

V Der Grundriss ist denkbar einfach, praktisch
und den speziellen Wünschen und Anforderungen
so weit als möglich angepasst. V

V Der Wirtschaftsflügel wurde dem Hauptbau im
rechten Winkel angefügt, wodurch sich auf der Rück-
seite des Gebäudes eine geschlossene Hofanlage
ausbilden liess. Hierhin sind die Anfahrt, das Haupt-
treppenhaus, sowie die langen Korridore gelegt,
die so überall volles Tageslicht erhalten. V

V Durch eine Torhalle und einen Windfang tritt
man in eine grosse zweigeschossige Halle, die sich
geradeaus mit drei grossen Sprossenfenstern nach
dem Wintergarten öffnet, dessen drei Oeffnungen an

der Vorderfront so auch einen Blick ins Freie von
der Halle aus ermöglichen. Durch diese Gruppierung
der beiden Räume wird die Mittelachse bedeutend
erweitert; frisches Grün und die Farben der Blumen
heben die Stimmung des Eintretenden. Der Winter-
garten selbst schiebt sich mit seinen zwei Schmal-
seiten zwischen die festen angrenzenden Mauern,
damit die rauhe Winterzeit den oben mit Glas ab-
gedeckten Raum nicht zu stark abkühlen kann. Seine
nach der Terrasse zu liegende Aussenseite ist nicht
in Eisenkonstruktion, sondern in Mauerwerk und
Putz ausgeführt, um die geschlossene Einheitlichkeit
der Fassade nicht zu unterbrechen. Aus der Halle
gelangt man auf beiden Seiten in breite gewölbte
Korridore, an denen vorne Garderoben, ausserdem
links die Haupträume, wie Herren-, Damen- und
Wohnzimmer, rechts der Ess-Saal und das Billard-
zimmer liegen. Hieran schliessen sich in beson-
derem Trakt an der Nordseite die Wirtschaftsräume
an, die durch die Turmtreppe mit den Souterrain-
räumen, der Heizung, den Roll- und Plättstuben, den
Vorrats- und Weinkellern in Verbindung stehen.
Von der Halle führt ferner eine breite Treppe zum
ersten Stock empor, in dem die intimeren Wohn-
räume, ferner Schlaf- und Fremdenzimmer unter-
gebracht sind. Die Kinderspiel-und Schlafzimmer
befinden sich im Wirtschaftsflügel, wo sie des Abends
am besten vom Getriebe des Haupthauses getrennt
sind. Im weiträumigen Mansardendach sind ebenfalls
Gastzimmer und die Stuben für das Gesinde unter-
gebracht; darüber liegt ein weiter Trockenboden.
Für den die Elektrizität erzeugenden Motor und die
Akkumulatorenanlage ist ein besonderes Gebäude
errichtet worden, um jedes Geräusch vom Hause
fernzuhalten (vergl. die Grundrisse S. 316). V

V Die Hauptterrasse, auf der sich die Hausanlage

erhebt, wird nach der weiten, am Berg sich hinauf-
ziehenden Parkwiese zu durch zwei kleinere tiefer-
liegende Terrassen mit geometrischen Gartenanlagen
erweitert. (Abbildung S. 324). Das Steinmaterial für
diese Aufschüttungen lieferte der Felsen, der zur
Schaffung der grossen Terrasse gesprengt werden
musste. V

V Bei der Ausstattung des Innern war, wie schon
erwähnt, besondere Rücksicht auf vorhandene alte

313
 
Annotationen