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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

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Behrendt, Walter Curt: Neubauten des Architekten (B.D.A.) Hans Bernoulli, Berlin
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NEUBAUTEN DES ARCHITEKTEN (B.D.A.) HANS BERNOULLI

BERLIN

VON WALTER CURT BEHRENDT, BERLIN

Unter den jüngeren Architekten Berlins hat sich Hans
Bernoulli rasch einen Namen gemacht. Er kam aus der
Schweiz und studierte, ehe er sich in Berlin niederliess, bei
Schäfer in Karlsruhe. Aber vor den Einseitigkeiten dieser
Schule bewahrte ihn eine starke selbständige Begabung. Er
ehrte ohne Vorbehalt den tiefen Sinn der von mittelalter-
licher Handwerkertradition getragenen Lehre seines Meisters,
erkannte aber mit hellem Blick ihre Grenzen und nahm, den
Forderungen einer neuen Zeit folgend, willig die Anregungen
auf, die dem architektonischen Schaffen des jungen Nach-
wuchses von den Bauten Messels und von den Arbeiten eines
Peter Behrens und Bruno Paul vermittelt wurden. Er trat
zunächst mit einer Reihe von Konkurrenzen hervor, die ihm
mehrfach erste Preise eingetragen haben, und wurde dann
einem grösseren Kreise durch seine ausgezeichneten Arbeiten
auf dem Gebiete des Städtebaues bekannt, von denen der
Erweiterungsplan für Griesheim a. M., das Projekt für die
Anlagen des Zentralfriedhofs in Stahnsdorf bei Berlin und der
Bebauungsplan Dresden-Plauen genannt seien, von dem hier
ein Teilausschnitt wiedergegeben ist. Ausgeführt sind nach
Bernoullis Zeichnungen eine Reihe von Miethausfassaden in
Berlin, von denen der Entwurf für eine grosse Baugruppe am
Kurfürstendamm, „Haus Brandenburg“, am bekanntesten ist,
ferner eine umfängliche Anlage von Wohlfahrtsbauten in
Griesheim a. M., die im Auftrag einer chemischen Fabrik
ausgeführt wurden, und endlich eine stattliche Reihe von
Kleinbauten der Friedhofskunst, Erb- und Familiengräber,
Aschenurnen, Zier- und Nutzbrunnen usw., die zum grössten
Teil als Früchte der künstlerischen Mitarbeiterschaft bei den
„Werkstätten für Friedhofkunst“ in Berlin entstanden sind.
V Aus diesen Arbeiten kannten wir Hans Bernoulli als ein
leicht produzierendes Talent, reich an formaler Erfindungs-
gabe, die sich anfangs in einer Fülle von Beiwerk ausströmte
und zuweilen auch, allzu geschwätzig, die grossen Linien des
Hauptthemas verwischte. Dazu kommt eine aussergewöhn-
liche (und bewunderungswürdige) zeichnerische Begabung,
die, ans Virtuose grenzend, bisweilen einer grossen, konzen-
trierten Wirkung Gefahr zu bringen drohte. Es lässt sich an
einzelnen Arbeiten Bernoullis die oft schon angemerkte
Beobachtung machen, dass eine einseitige Pflege des Zeich-
nerischen den räumlichen Eindruck der Architektur beein-
trächtigt, ja nicht selten ihn ganz in Frage stellt. Die Bauten
der siebziger und achtziger Jahre, in denen diese Dessinateur-
kunst in den Ateliers blühte, mögen als Beispiele dienen.
Bei Bernoulli aber hat die disziplinierende Kraft der Schule
immer wieder als Regulativ gewirkt und ihn vor dem Schicksal
eines Olbrich bewahrt, der, verlockt durch sein zeichnerisches
Virtuosentum, nicht selten die Architektur mit dekorativer
Flächenkunst verwechselte. V

V Der letzte grosse Neubau Bernoullis, das Geschäftshaus
der Konfektionsfirma Fischbein & Mendel in Berlin, bot
daher denen, die seine früheren Arbeiten kannten, eine
Ueberraschung. Es scheint, als hätte auch hier, wie es einst
Messel beim Wertheimhaus ergangen war, der Architekt sich
der pädagogischen Wirkung des Auftrags nicht entziehen
können. Er ging ganz ehrlich und konsequent zu Werke,
beschränkte sich auf das Pfeilergerüst, das der Grundriss ihm
bot, und suchte nur dieses so charaktervoll als möglich

zum Ausdruck zu bringen. Er teilte die 40 m lange Front
in neun gleiche Achsen auf, führte die straff und kantig
profilierten Pfeiler energisch steil bis unter das Dach und
hängte dazwischen die leicht vertieften Brüstungsplatten
der Bureaus- und Mustersaalfenster ein. Auf diesem puri-
tanisch-strengen Pfeilergerüst lagert ein flach-geneigtes glattes
Dach, dessen Ansatz ein vielleicht um ein weniges zu schwäch-
lich geratenes Hauptgesims markiert, das mit einer breiten
Horizontallinie der dominierenden Vertikalen entgegengesetzt
ist. Die Einfachheit dieser Front grenzt fast an Nüchternheit,
aber es hat diese Nüchternheit zugleich so viel Charakter, und
ist so sehr sinnfälliger Ausdruck profaner Nützlichkeit, dass
in dieser (ohne Messels Anregung und Vorarbeit nicht denk-
baren) Geschäftshausfassade der neue Typus klarer, reiner
und in prägnanteren Formen hervortritt, als es im Wertheim-
haus noch geschehen konnte. Und es verdient diese bewusste
Zurückhaltung, die sich mit eiserner Selbstbeherrschung der
Idee untergeordnet hat, umso aufrichtigere Bewunderung,
weil sie von dem Architekten, dem die reiche Form Bedürfnis
ist, einen hohen Grad von Entsagung fordert, zu der nicht
jeder die Kraft besessen hätte. Der sparsame Schmuck ist
hier auf die Hauptpunkte der in Muschelkalk ausgeführten
Front, auf die beiden Eingänge, konzentriert. Die Rundbogen
haben schlussteinartige Verzierungen nach Modellen des
Bildhauers Krückeberg erhalten, die Eingänge sind mit
schweren schmiedeeisernen Gittern verschliessbar; die Türen
sind aus Bronze hergestellt, für ihre dekorativen Reliefs
wurden im Atelier von Prof. Schmarje Modelle ausgearbeitet.

V Nicht minder glücklich ist die in weissem Glasurstein aus-
geführte Hoffront geraten, von der sich klar die Grundriss-
organisation ablesen lässt. Zu beiden Seiten des vorspringen-
den Treppenhauses sind die wuchtigen Schornsteine des
Heizwerkes hochgeführt und neben ihnen die breiten Schächte
für die Last- und Personenaufzüge angelegt. Mit dieser
Ordnung und Gruppierung des vom Bedürfnis Geforderten
erhält die Rückfront wie von selbst einen charaktervollen
Rhythmus. Im Innern des Hauses waltet, soweit die von dem
Kundenbesuch berührten Räume in Betracht kommen, der
Geist nobler kaufmännischer Repräsentation. Die Vestibüle
sind mit vornehmer Marmorarchitektur verkleidet. Der Kunden-
empfangsraum im ersten Obergeschoss hat eine Vertäfelung
aus ostindischem Geibholz mit schwarzgebeizten Birnbaum-
einlagen erhalten. Die vorherrschenden Farben des nach
einem Entwurf des Architekten ausgeführten Teppichs sind
grün und grau, die Vorhänge grün und weiss gewählt. Von
einem ebenfalls holzgetäfelten Warteraum, an den sich rück-
wärts, den Seitenflügel einnehmend, die Bureauräume an-
schliessen, betritt man eine in der ganzen Länge der Front
sich ausdehnende, weiss in weiss gehaltene Halle, die zur
Ausstellung und Vorführung neuer Modelle bestimmt ist.

V Die Reproduktionen von unausgeführten Arbeiten, Projek-
ten für Landhäuser usw. bestätigen, was eingangs über das
Zeichentalent Bernoullis gesagt worden ist. Der Entwurf
„Kolumbarium und Urnenhain Friedrichsfelde“ wurde im
Auftrag des Vereins für Feuerbestattung ausgearbeitet und
hält sich genau an ein Viertel eines bestehenden Friedhofes
unter Berücksichtigung der Terrainverhältnisse und des alten
Baumbestandes.

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