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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 10.1911

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Nr. 12
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Curjel, Robert; Moser, Karl: Die evangelische Kirche in Flawil
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Levetus, A. S.: Architekt Karl Witzmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.24589#0752

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ARCHITEKT KARL WITZMANN

Von A. S. LEVETUS, WIEN

Karl Witzmann steht heute in der allerersten
Reihe der jüngeren modernen Architekten
Oesterreichs. Er hat seinen Namen nicht nur in
seinem engeren Vaterlande, sondern sogar bis nach
Rumänien hinunter, wo er auch bereits tätig war,
zu Ansehen gebracht. Vor drei Jahren fand er mit
der ihm anvertrauten Ausgestaltung der Gartenbau-
gesellschaft-Ausstellung in Wien viel Anklang. Seit
dieser Zeit entfaltet er eine überaus rege Tätigkeit,
die sich hauptsächlich auf Villenbauten sowie
Inneneinrichtungen und Dekorationen erstreckt.
V Von Anbeginn an kamen ihm seine, auch alle
Einzelheiten umfassenden Kenntnisse der Baumate-
rialien, bezw. der verschiedenen Arten des Roh-
materiales vortrefflich zu statten. Er begann näm-
lich seine Laufbahn als Tischlerjunge und erst,
nachdem er sich seinen Lehrbrief erarbeitet hatte,
kam er auf die Wiener Kunstgewerbeschule, wo er
Schüler von Professor Hofmann war. Hier er-
wies er sich nicht nur als ein fleissiger Student,
sondern auch als ein feinsinniger, zu praktischen
Leistungen befähigter Künstler mit gesunden An-
schauungen. Seine ersten Arbeiten waren Ent-
würfe für einzelne Möbelstücke und Inneneinrich-
tungen, die dann unter seiner Aufsicht hergestellt
wurden. Allmählich gelangte er auch zur Aus-
stattung ganzer Räume, bis ihm endlich der Auftrag
zum Bau eines Wohnhauses und zur Ausführung
des gesamten dazu nötigen Mobiliars zuteil wurde.
Seit seinen ersten Anfängen hat er die Notwendigkeit
eines vernunftentsprechenden Wohnens nie ausser
acht gelassen. Sein Bestreben ging stets dahin,
im Hause und seiner Einrichtung die persönliche
Note des Bewohners zum Ausdruck zu bringen und
aus diesem Grunde ist vor dem Entwürfe seiner
Arbeiten die Beobachtung der Individualität des
Eigentümers für ihn von grösster Wichtigkeit. Daher
üben seine verschiedenen Interieurs stets eine
günstige und wohltuende Wirkung aus, was auch die
auf den folgenden Seiten wiedergegebenen, grössten-
teils einem Hause entnommenen Arbeiten beweisen.

V Die Aufnahmen der Seiten 577—587 stammen von
der Einrichtung eines Umbauhauses, bei der mit
den vorhandenen Verhältnissen zu rechnen war.

V Der Vorraum ist weiss lackiert, die Wand teil-

weise mit buntem Stoff bespannt. Eine breite Türe
führt in die Halle, die gleichfalls in Weisslack
mit wenig Schwarzausgeführt wurde. DieBezüge sind
farbig, ebenso die Bordüren an der Decke. Von
der Halle gelangt man in den Empfangsraum.
Die Wände sind hier reich mit Gold, Blau und
bunten Vögeln schabloniert, die Möbel weiss mit
Gold, die Sitzmöbel mit grau und hellblauem
Seidenstoff bespannt. Das Speisezimmer ist in
Tuja und Schwarz, die Wände schabloniert. Bei
dem gelben Salon waren der Stoff sowie die Luster
vorhanden, sodass der Raum hierzu entsprechend
abgestimmt werden musste. Das Damenschlaf-
zimmer besteht eigentlich aus zwei Räumen, von
denen der kleinere als Bettnische ausgenützt werden
konnte. An den Schlafraum schliesst sich das
Toilettenzimmer an. Das Schlafzimmer des
Herrn ist in Nussholzverkleidung mit drap Wänden
und buntem Stoff ausgeführt. Ein Mansarden-
zimmer in Blau und Braun und ein Fremdenzim-
mer in Grün und Blau, von dem hier keine Aufnahme
vorhanden ist, beschliessen die Folge der Wohn-
räume dieses Hauses. V

V Die Aufnahmen der Seiten 587 und 588 stammen

aus einer anderen, einfacheren Wohnung. Doch ist
auch hier überall eine ruhige, einheitliche Wirkung
fühlbar. V

V Alle Schöpfungen Witzmanns zeigen eine Vor-

liebe für strenge Linienführung und für Betonung
der Konstruktion. Die Ausführung ist stets eine
verständige und gediegene, die den Intentionen des
Künstlers entspricht. V

V Wie hoch man diesen jungen Architekten, der

heute erst im 27. Lebensjahre steht, einschätzt,
beweist der Umstand, dass er zum künstlerischen
Beirat der jetzigen Ausstellung im österreichischen
Museum berufen wurde. y

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