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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 13.1914

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April
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Schneider, Otto Albert: Die Gartenstadt Hüttenau und andere Wohnbauten: von Architekt Professor Georg Metzendorf, Essen
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https://doi.org/10.11588/diglit.48542#0240

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162


PROFESSOR GEORG METZENDORF, ESSEN-RUHR
Die Gartenstadt Hüttenau bei Blankenstein a. Ruhr. — Ansicht von Süden

Einsicht und gestaltende Phantasie zu einer über-
zeugenden, einheitlichen Leistung sich verbunden.
Auf diesem Lageplan ist eine Architektur er-
standen, die seinen Vorzügen glücklich entspricht
(S. 167). Eine Architektur, deren schlichte Harmonie
zur Zeit unserer Grogväter etwas Selbstverständ-
liches war. Damals wurden nicht diese Aufsätze
zur Aesthetik einfacher Zweckbauten geschrieben,
wie sie solche Arbeiterwohnhäuser darstellen. Auch
brauchte man zu ihrer Herstellung nicht namhafte
Architekten zu berufen: eine gesicherte Tradition
wirkte in jedem Maurer- und Zimmermeister, gab
ihnen die Fähigkeit, das Notwendige zugleich mit
schöner Empfindung zu tun. Diese Fähigkeit nach
einer beispiellosen Verwilderung der architekto-
nischen Instinkte wieder zu erwerben, ist der vor
zwei Jahrzehnten einsetzenden Reformbewegung
nur unter unbegreiflich schweren Kämpfen gelungen.
Unbegreiflich: denn sieht man den von Metzendorf
für diese Arbeiterkolonie geschaffenen Architektur-
typ an, so scheint nichts einfacher zu sein als diese
Häuser mit ihren hohen schrägen Ziegeldächern
(S. 172—175), dem glatten, nur sparsam ornamen-
tierten Putz, den nüchternen Formen ihrer fast
durchweg rechteckigen Türen und Fenster. Allein
es müßte nur eines der lieblosen Machwerke aus
jener Epoche des Verfalls oder ein gutes Haus von
Anno dazumal hier abgebildet sein, und auch das
naive Auge würde mit bewußter Freude den Reiz
dieser schmucklosen, lediglich von dem intimen
Leben harmonisch abgewogener Verhältnisse er-
füllten Bauten erfassen. Es ist bezeichnend für die

reine, ganz auf das Gefühl für rhythmisch-wohlige
Entsprechung von kubischen und Flächenwerten
gestellte künstlerische Fähigkeit unseres Archi-
tekten, daß ihm Bildungen von der Art des Doppel-
hauses (S. 171), die, abgesehen von einigen zarten
Profilierungen, eben nur vom gesunden Maß ihrer
Verhältnisse leben, heute am besten gelingen. Neben
diesem durch die seitlichen Dachausbauten schön
zusammengeschlossenen Bautyp möchte nach der
bezeichneten Richtung hin das auf Seite 175 unten
abgebildete Haus besonders bemerkenswert sein.
Andere, weniger puritanische Lösungen haben
im charakteristisch durchgeführten Rundbogen-
Ornament der Fenster (S. 178) oder in der feinen
Rahmenfassung und Gruppierung der Türen und
Fenster (S. 180 und 181) ein nicht minder reizvolles
Gesicht. Diese besser ausgestatteten Häuser dienen
entsprechend höher gestellten Arbeitern, Werk-
meistern u. a. Mit den in ihrer verschiedenartigen
Gestaltung doch nicht unruhig wirkenden Dach-
lösungen der Häuser gehen die der angebauten
Viehställe zu einem ebenso lebendigen wie ge-
schlossenen Bilde zusammen (S. 163). Es ist ja das
Städtchen füreineBevölkerunggebaut,derneben dem
Tagewerk in der Fabrik Gelegenheit gegeben sein
soll, ein Stückchen Land zu bebauen und sich eine
Ziege, die „Bergmannskuh“, zu halten. Gerade
dieser doppelte Charakter als Industriestädtchen
und Dorf kommt in der Architektur auf das glück-
lichste zur Geltung. Sie ist bescheiden, ohne
nüchtern zu sein, es spricht eine schlichte, von
jeder spielenden Romantik geschiedene, lediglich
 
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