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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 13.1914

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Juni
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Klapheck, Richard: Die Stadt Cöln a. Rh. in ihrer neuen baulichen Entwickelung
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https://doi.org/10.11588/diglit.48542#0355

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STADTBAURAT HANS VERBEEK. CÖLN a. Rh.
Das städtische Lagerhaus am Rhein

DIE STADT CÖLN a. Rh. IN IHRER NEUEN BAULICHEN
ENTWICKELUNG
Von Dr. RICHARD KLAPHECK

Im Jahre 1880 legte man in Cöln die mittelalter-
lichen Festungswerke nieder. Auf den Wällen
entstanden die breiten Ringstraßen. Eine Neustadt
dehnte sich in rapidem Wachstum bis zu den weiter
hinaus geschobenen, neuen Festungswerken aus.
Aber es war der ungeeigneteste Augenblick für
eine baukünstlerische Entwickelung, da die poly-
technisch und einseitig kunstgeschichtlich vor-
gebildete damalige Architektenschaft gar nicht in
der Lage war, die grandiose Aufgabe, die Cöln ihr
stellte, einheitlich zu lösen. Es fehlte jeder große
Zusammenhang; die überladenen Fassaden einer
Gründerrenaissance Waren jahrzehnte lang Muster-
beispiele städtebaulicher Unkultur, so daß selbst
der Volkswitz ihrer sich bemächtigte und in einem
Rosenmontagszuge einmal die überflüssigen Erker
und Balkone umhertrug. Es war eine Musterkarte
der Stil- und Ornamentgeschichte.
Ich kenne eine amüsante Geschichte, die für die
formal äußerliche Behandlung der damaligen Cölner
Bauentwicklung charakteristisch ist. Vor Jahren
besuchte ein Cölner Dombaumeister studienhalber
das Straßburger Münster, betrachtete eine Zeitlang
den Bau, schüttelte dann abweisend den Kopf und
sagte zu seinen Mitarbeitern, die ihn begleiteten:
„Dat is überhaupt jar keine Jotik!“ Unter Gotik
verstand man in Cöln nur noch die unpersönliche

und mechanische Verwendung der Dreipaßzeich-
nungen vom Ausbau des Domes aus dem 19. Jahr-
hundert und der im Gürzenich und in den alten
Stapelhäusern für den Profanbau überlieferten und
immer wieder von neuem nachgeahmten Formen.
Diese äußerliche, unpersönliche, kunsthistori-
sierende Entwicklung drang aus der Neustadt auch
in die Altstadt ein, und ein Zerstörungswerk be-
gann. In den traulichen Gassen wuchsen Neu-
bauten auf, die formal architektonisch gar keinen
Zusammenhang mehr mit der Umgebung suchten
und schrille Dissonanzen in die Stadt- und Straßen-
bilder trugen. Die zackige Umrißlinie der über die
Nachbarschaft hinausragenden kahlen Brandgiebel
zerstörte den Rhythmus der Altstadtstraßen.
Um 1890 fiel dann die alte Stadtmauer nach dem
Rheine zu. Der alte Hafen zu Füßen von Groß Sankt
Martin mußte der breiten Uferstraße weichen. Die
Hafenstraße trat hervor und der Chor von Groß
St. Martin wurde freigelegt, die lustige Giebelfolge
der Hafengasse kam zum Vorschein und zeigte ihre
Fronten dem neuen Rheinufer.
Aber diese alten Bauten werden ein neues Jahr-
hundert kaum noch überleben. Der Grundbesitz
ist zu wertvoll, und die Gegenwart verlangt in zweck-
entsprechenderen Neubauten ihr Recht. Was aber
nun, wenn sich die Häuser von den Ringen hier

MOD. BAUFORMEN 1914. Juni. 1.

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