^^LITERATUR ^^
Bernhard Patzak, Die Villa Imperiale
in Pesaro. Studien zur Kunstgeschichte der
italienischen Renaissancevilla und ihrer Innen-
dekoration. Leipzig, Klinkhardt und Biermann.
1908, III, 435 und 57 S., geh. M. 32—, geb. M.35.—.
Aus dem umfassenden Werk über die Re-
naissance- und Barockvilla in Italien legt Dr.
Patzak zunächst den dritten, einem Haupt- und
Prachtstück fürstlichen Bausinnes gewidmeten
Band vor, einem Monument, das zudem den
Vorzug hat, aus zwei stilistisch völlig von ein-
ander getrennten Teilen zu bestehen und in
diesen mustergültig den Geschmack der zwei
entscheidenden Jahrhunderte zu repräsentieren:
eine Gründung des Alessandro Sforza der ältere
Teil, während die jüngere Anlage ihre Entste-
hung dem Kunstsinn des fürstlichen Paares
Francesco Maria della Rovere und Eleonore
Gonzaga verdankt (von etwa 1530 an).
In dem einleitenden Kapitel gibt uns der
Verfasser die historischen Daten, die für die
Kenntnis der Bauherren und ihrer Schöpfungen
wichtig sind. Anschaulich gibt er kurze Charak-
teristiken der Hauptpersonen; er läßt mit Hülfe
zeitgenössischer Aufzeichnungen das Leben auf
dem Lande im sechzehnten Jahrhundert vor
unsern Augen wiedererstehen: wohl nichts inter-
essanteres ist uns darüber erhalten, als die
„Giornate Soriane" des Lodovico degli Agostini,
in denen er das Leben auf den Landhäusern
des Monte San Bartolo (so heißt die Höhe, auf
der sich Villa Imperiale erhebt) schildert. Der
Verfasser bereichert seine Darstellung mit reich-
lichen Auszügen aus dieser Schrift (S. 38 ff.).
Das zweite Kapitel behandelt in zwei Ab-
schnitten die bauliche Anlage der beiden Villen,
die erst später unter dem letzten Herzoge von
Urbino, Francesco Maria II., durch einen auf
einem Schwibbogen ruhenden Korridor mit ein-
ander verbunden wurden. Jedem der beiden
Bauten ist eine ins einzelnste Detail getreue Be-
schreibung gewidmet. Es ist einleuchtend, daß
Genga auch den älteren Sforzabau einem Neu-
bau unterzogen hat (S. 68ff.), als der stattlidiere
Fürstenhof der Rovere bedeutendere Räume er-
forderte. Das bietet dem Verfasser die Ge-
legenheit, den alten Bau zu rekonstruieren; dem
Untersuchenden ergeben sich auffallende Be-
ziehungen zu den von Luciano da Laurana ge-
leiteten Bauten. Der Roverebau ist in seiner
Anlage durch das ansteigende Terrain bedingt.
Charakteristisch für ihn ist der „einheitliche, bis
in alle Einzelheiten wohldurchdachte Original-
entwurf." Der Verfasser legt in einem beson-
deren Absatz die Feinheit des Architekten dar,
der entsprechend dem Zweck der ländlichen
Anlage die starre Gesetzmäßigkeit milderte, das
malerische Moment von Licht und Schatten wohl
zu nützen verstand (S. 102 ff.)
Im dritten Kapitel (S. 117 ff.) ist der Kunst-
kreis der beiden Villenbautypen behandelt. Ver-
fasser betont hier die Bedeutung des Sforzabaus
mit seinem Binnenhof für die Geschichte der
florentiner Villa: denn dort (um Florenz) ist
vieles bei der Belagerung von 1530 zugrunde
gegangen, das erhaltene meist durch Umbauten
alteriert. Eine Reihe verwandter Villentypen
werden besprochen. Dahingegen hat der Rovere-
bau „unter den erhaltenen Hochrenaissancevillen
Italiens nicht seinesgleichen". Abgesehen aber
von Beziehungen zu Anlagen, wie der (unter-
gegangenen) Villa Poggio Reale bei Neapel und
Poggio ä Cajano bei Florenz ist es unzweifel-
haft, daß Genga in Rom die stärksten Anre-
gungen durch Bramantes Entwurf für den Cortile
del Belvedere des Vatikans und durch römische
Villenanlagen (Villa Madama) erfuhr.
Das vierte, der Innendekoration der Sforza-
villa gewidmete Kapitel charakterisiert erst die
an dem malerischen Schmuck der Räume tätigen
Meister: Girolamo Genga, Francesco Menzocchi,
Raffaellino dal Colle, Bronzino, die beiden Dossi
und Camillo Mantovano, um dann in eine Be-
schreibung der acht, mit Fresken geschmückten
Räume überzugehen. Die Schwierigkeit besteht
hier einmal in unserer ungenügenden Kenntnis
des Stils mehrerer der genannten Meister, dann
in dem schlechten Zustand der Erhaltung der
Fresken, die in neuerer Zeit (1880—1882) durch
den Maler Gius. Gennari aus Pesaro ohne Ver-
ständnis restauriert worden sind. Schon Thode
hatte in seiner glänzenden Schilderung der Villa
Imperiale (Jahrbuch d. preuß. Kunstsammlgn. IX,
1888, S. 161 ff.) einen Versuch geboten, die Lei-
stungen der einzelnen Meister gegen einander
abzugrenzen; Patzak kommt hier oft zu anderen
Resultaten, weil er jedem Meister nachgeht und
von überall her die oft entlegenen Beispiele
ihres Schaffens beibringt. Er bietet uns hier
fast monographisch ausgestaltete Darlegungen,
die für die Erkenntnis dieser Meister von der
größten Bedeutung sind. So gibt es über Genga
als Maler nichts annähernd so Ausführliches, als
Bernhard Patzak, Die Villa Imperiale
in Pesaro. Studien zur Kunstgeschichte der
italienischen Renaissancevilla und ihrer Innen-
dekoration. Leipzig, Klinkhardt und Biermann.
1908, III, 435 und 57 S., geh. M. 32—, geb. M.35.—.
Aus dem umfassenden Werk über die Re-
naissance- und Barockvilla in Italien legt Dr.
Patzak zunächst den dritten, einem Haupt- und
Prachtstück fürstlichen Bausinnes gewidmeten
Band vor, einem Monument, das zudem den
Vorzug hat, aus zwei stilistisch völlig von ein-
ander getrennten Teilen zu bestehen und in
diesen mustergültig den Geschmack der zwei
entscheidenden Jahrhunderte zu repräsentieren:
eine Gründung des Alessandro Sforza der ältere
Teil, während die jüngere Anlage ihre Entste-
hung dem Kunstsinn des fürstlichen Paares
Francesco Maria della Rovere und Eleonore
Gonzaga verdankt (von etwa 1530 an).
In dem einleitenden Kapitel gibt uns der
Verfasser die historischen Daten, die für die
Kenntnis der Bauherren und ihrer Schöpfungen
wichtig sind. Anschaulich gibt er kurze Charak-
teristiken der Hauptpersonen; er läßt mit Hülfe
zeitgenössischer Aufzeichnungen das Leben auf
dem Lande im sechzehnten Jahrhundert vor
unsern Augen wiedererstehen: wohl nichts inter-
essanteres ist uns darüber erhalten, als die
„Giornate Soriane" des Lodovico degli Agostini,
in denen er das Leben auf den Landhäusern
des Monte San Bartolo (so heißt die Höhe, auf
der sich Villa Imperiale erhebt) schildert. Der
Verfasser bereichert seine Darstellung mit reich-
lichen Auszügen aus dieser Schrift (S. 38 ff.).
Das zweite Kapitel behandelt in zwei Ab-
schnitten die bauliche Anlage der beiden Villen,
die erst später unter dem letzten Herzoge von
Urbino, Francesco Maria II., durch einen auf
einem Schwibbogen ruhenden Korridor mit ein-
ander verbunden wurden. Jedem der beiden
Bauten ist eine ins einzelnste Detail getreue Be-
schreibung gewidmet. Es ist einleuchtend, daß
Genga auch den älteren Sforzabau einem Neu-
bau unterzogen hat (S. 68ff.), als der stattlidiere
Fürstenhof der Rovere bedeutendere Räume er-
forderte. Das bietet dem Verfasser die Ge-
legenheit, den alten Bau zu rekonstruieren; dem
Untersuchenden ergeben sich auffallende Be-
ziehungen zu den von Luciano da Laurana ge-
leiteten Bauten. Der Roverebau ist in seiner
Anlage durch das ansteigende Terrain bedingt.
Charakteristisch für ihn ist der „einheitliche, bis
in alle Einzelheiten wohldurchdachte Original-
entwurf." Der Verfasser legt in einem beson-
deren Absatz die Feinheit des Architekten dar,
der entsprechend dem Zweck der ländlichen
Anlage die starre Gesetzmäßigkeit milderte, das
malerische Moment von Licht und Schatten wohl
zu nützen verstand (S. 102 ff.)
Im dritten Kapitel (S. 117 ff.) ist der Kunst-
kreis der beiden Villenbautypen behandelt. Ver-
fasser betont hier die Bedeutung des Sforzabaus
mit seinem Binnenhof für die Geschichte der
florentiner Villa: denn dort (um Florenz) ist
vieles bei der Belagerung von 1530 zugrunde
gegangen, das erhaltene meist durch Umbauten
alteriert. Eine Reihe verwandter Villentypen
werden besprochen. Dahingegen hat der Rovere-
bau „unter den erhaltenen Hochrenaissancevillen
Italiens nicht seinesgleichen". Abgesehen aber
von Beziehungen zu Anlagen, wie der (unter-
gegangenen) Villa Poggio Reale bei Neapel und
Poggio ä Cajano bei Florenz ist es unzweifel-
haft, daß Genga in Rom die stärksten Anre-
gungen durch Bramantes Entwurf für den Cortile
del Belvedere des Vatikans und durch römische
Villenanlagen (Villa Madama) erfuhr.
Das vierte, der Innendekoration der Sforza-
villa gewidmete Kapitel charakterisiert erst die
an dem malerischen Schmuck der Räume tätigen
Meister: Girolamo Genga, Francesco Menzocchi,
Raffaellino dal Colle, Bronzino, die beiden Dossi
und Camillo Mantovano, um dann in eine Be-
schreibung der acht, mit Fresken geschmückten
Räume überzugehen. Die Schwierigkeit besteht
hier einmal in unserer ungenügenden Kenntnis
des Stils mehrerer der genannten Meister, dann
in dem schlechten Zustand der Erhaltung der
Fresken, die in neuerer Zeit (1880—1882) durch
den Maler Gius. Gennari aus Pesaro ohne Ver-
ständnis restauriert worden sind. Schon Thode
hatte in seiner glänzenden Schilderung der Villa
Imperiale (Jahrbuch d. preuß. Kunstsammlgn. IX,
1888, S. 161 ff.) einen Versuch geboten, die Lei-
stungen der einzelnen Meister gegen einander
abzugrenzen; Patzak kommt hier oft zu anderen
Resultaten, weil er jedem Meister nachgeht und
von überall her die oft entlegenen Beispiele
ihres Schaffens beibringt. Er bietet uns hier
fast monographisch ausgestaltete Darlegungen,
die für die Erkenntnis dieser Meister von der
größten Bedeutung sind. So gibt es über Genga
als Maler nichts annähernd so Ausführliches, als