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Münchner kunsttachnische Blätter.

-99

Nr. ly.

3. Versuch:
Wir vergrössern abermals die Entfernung, d. h.
wir treten noch einen Schritt zurück, bis die ur-
sprüngliche Distanz zwischen unserem Auge und
der Tafel etwa verdoppelt ist: Die „Strahlungen"
verbreitern sich zusehends und zwar Blau und Violett
stärker als Rot und Gelb; das mittlere far-
bige Feld hat sich bis zum unteren Rande
des schwarzen Feldes ausgedehnt, es bildet
nur zwei Farben: ein helles Purpur und ein he 11 es
Grün, die durch ein unbestimmtes Hellgrau
ineinander fliessen. Diese Farbenerscheinun-
gen sind die Folge des Uebereinandergreifens
der Strahlungen, d. h. der optischen Mi-
schung der spektralen Farben.
Um uns vollends klar zu machen, wie diese
Mischung der Farben vor sich geht, ändern wir
das System, statt der festen, starren Form des Vor-
bildes nehmen wir die verschiebbare Form
und trachten jetzt festzustellen, wie eigentlich die
Farbenmischung durch die Ueberstrahlung der
einzelnen Spektra entsteht. Dies zeigt der
4. Versuch.

Figur 2.


Wir nehmen die Goethesche Figur der vorigen
Versuche, und schieben von unten und seitwärts
ein weisses Stück Papier; damit verschmälern
wir den unteren Teil des schwarzen Randes. Durch
das Prisma betrachtet, überstrahlen sich die Spektra
der beiden weissen Felder, lassen jedoch die beiden
seitlichen Strahlungen deutlich unterscheidbar an-
einander Vorbeigehen. Verschieben wir den weissen
Streifen nach und nach in der Richtung des Pfeiles
und betrachten wir diesen Vorgang durch das Spek-
trum, dann sehen wir genau die nämlichen Farben-
bänder wie vorher, und wie sie auch Goethe be-
schreibt, aber durch die Verschiebung seit-
lich des Mittelfeldes die ungemischten
Strahlungen, neben den zu neuen Farben ge-
mischten deutlich unterscheidbar, nämlich: Die
Strahlung des unteren weissen Blattes gegen das
obere Schwarz, Rot wird mit dem nach unten ge-
strahlten Violett des mittleren weissen Streifens
sich vereinigen, der schwarze Zwischenraum wird
verschwinden und das Rot und Violett wird
sich zu heller Purpurfarbe (Pßrsichblüth des

Goethe) vereinigen, diese beiden dunkeln Far-
ben vereinigen sich also zu einer helleren
Mischfarbe! Das ist das Wichtigste daran, was
nicht übersehen werden darf. Und jemehr wir
durch Ueberstrahlung die Spektra übereinander
bringen und die Farben miteinander sich vermi-
schen lassen, desto deutlicher wird es, dass hellere
und schliesslich weisslichgraue Töne entstehen.
Dass die entstehende Mischfarbe nicht rei nes Weiss
ist und auch nicht sein kann, ergibt sich aus
dem Umstand, dass die Strahlungen des weissen
Papieres nicht stark genug sind, um die unten durch-
scheinende Dunkelheit des schwarzen Streifens völlig
aufzuheben. Deshalb wird bei dieser Art der
Versuche stets die Dunkelheit des schwarzen Strei-
fens mitsprechen, was bei allen diesen Versuchen
wohl zu beachten ist.
Immer entsteht diese unbestimmte, neutral-
weissliche Mischung, wenn wir die Teilspektren
einander näher und schliesslich übereinander brin-
gen. Dies zeigt noch deutlicher der folgende
5. Versuch:
Auf der 3. Goetheschen Tafel ordnen wir jetzt
zwei weisse Streifen so an, dass sie schräg über
und unter den mittleren weissen Streifen zu stehen
kommen. Die sich bildenden Spektren sind so
leichter zu verfolgen, wenn die Streifen einander
näher gerückt werden, also der obere nach unten,
der untere nach oben, wie es die Zeichnung (Fig. 3)
zeigt.

Figur 3.


I

Was entsteht hier? Die Spektren strahlen in-
einander und übereinander, die Farben
mischen sich nach den Gesetzen der optischen
Farbenmischung. In der mittleren Zone, Wo
die drei Spektren Übereinandergreifen, bildet sich
das erwähnte, fast neutrale Weiss. So muss jede
weisse Fläche demnach, durch das Spektrum be-
trachtet, rein weiss erscheinen, weil keinerlei
schwarze Zwischenflächen die völlige Vereinigung
aller farbigen Strahlen zu Weiss verhindern. Je
kleiner die schwarzen Zwischenstreifen bei diesem
Versuche werden, desto heller wird das neutrale
Grauweiss, bis es endlich als reines Weiss erscheint.
Diesen Versuch vermissen wir, ebenso wie den
obigen ähnlichen, unter den vielen Varianten bei
 
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