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MMen, 8 Juli 1918.

BeffAge zar „Werkstatt der Kaaat" (E. A. Sesa&ao, Leipzig).
Erache!at!4täg!g cater Leltaag vea Maier Prof. Eraet Berger.

MT. Jahrg.Nr. 2t.

Inhalt: Irrungen und Wirrungen in der „neuesten Kunst". Von M. St. — Kurze Bemerkungen zu Goethes
Farbenlehre. Von E. B. (Schluss.) — Bteiweiss oder Lithopone im Matergewerbe. — Berliner
Monumentatmaterei. — Literatur für Kunstästhetik.

Irrungen und Wirrungen in der „neuesten Kunst".
Von M. St.

Bei Ausbruch des schon vier Jahre dauern-
den Weltkrieges glaubten manche, dass alle Be-
rührungen mit unseren westlichen Nachbarn und
insbesondere der längst als schädlich angesehene
Einfluss der neuesten Kunstmoden auf unsere
jüngeren Künstler ein Ende nehmen würde.
Nichts von alledem ist eingetreten; es scheint
überhaupt, dass ein so in das innerste Wesen ein-
greifendes Ereignis wie die Existenzkämpfe der
grossenKulturvölker auf dieEntwicklung der Künste
gar keinen sichtbaren Einfluss hätte. Auch der
grosse Krieg von 1870/71 hat in dieser Hinsicht
weder auf französischer noch auf deutscher Seite
revolutionierend gewirkt. Die Landschafter haben
ruhig weiter geschaffen, ebenso die damals im Ent-
stehen begriffenen Pleinairisten und Realisten. Ab-
gesehen von den Künstlern, denen die Aufgabe
zuhel, militärische Ereignisse im Bilde festzuhalten,
oder als Illustratoren den Bedürfnissen der Ver-
leger entsprachen, die also vor allem das „Kriegs-
bild" pflegten, ist von direktem Einfluss des Krieges
nichts zu bemerken gewesen. Selbst auf ein so
grosses Genie wie Menzel, dem prädestinierten
Schlachtenmaler der Zeit Friedrichs des Grossen,
hatten die kriegerischen Ereignisse nicht anregend
gewirkt, denn es existiert nur ein einziges auf
diese weisendes Gemälde von ihm, nämlich die
„Abreise Kaiser Wilhelms von Berlin, unter den
Linden".
So scheint auch der Einfluss des gegenwärtigen
Kampfes auf die Kunst bis jetzt gar nicht spür-
bar zu sein, denn unaufhaltsam breiteten sich die
vor dem Krieg importierten „Ismen", Kubismus,
Futurismus und Expressinismus, inklusive Stilismus
und Symbolismus, Primitivismus, man kann sogar
sagen, erschreckend schnell immer weiter aus. Es

bilden sich neue Gruppen von Künstlern, die „modern"
um jeden Preis sein wollen, sie finden Ausstellungs-
gelegenheiten und Käufer, sie machen Reklame für
ihre „neue Kunst" und können auch mit einer Reihe
von kunstwissenschaftlichen Autoritäten, die ihren
Bestrebungen huldigen, aufwarten. Die Kunstkritik
hat sich grossenteils nicht minder zum „Expres-
sionismus bekehrt, und einer von ihnen, Dr. Coellen
meint sogar, dass „nur solche Werke das Gemüt
zu fesseln und heftiger zu bewegen vermögen, die
in irgend einem Sinne und beschränktem Masse
sich der Formweise des Expressionismus be-
dienen; da spüre man die lebendige Kraft des
schöpferischen Triebes"; und „man werde der Ent-
schiedenheit froh, mit der in der Ausstellung der
Neuen Sezession der Expressionismus die künst-
lerische Atmosphäre bestimmt".
Dass Ausstellungen „neuer Kunst" eingehender
besprochen werden, ist gewiss ein bedeutendes
Sympton der Zeit; sie machen damit für die „neuen"
Künstler ausserordentliche Reklame. Für den Kri-
tiker scheint es eine Lust zu sein, für eine „wirk-
licheUmwälzungeinzutreten"und erhältden„Kampf
für das Prinzipielle einer bestimmten künstlerischen
Zeitentwicklung für notwendig, so lange das Prinzi-
pielle selbst, ein Neues als Ganzes, um seinen Ein-
tritt in das Bewusstsein der Gesellschaft zu ringen
hat". „Es wäre eine Sentimentalität zu leugnen, dass
die Kunst, die man (so kurz wie und ungefähr),
als Expressienismus bezeichnet,* heute grundsätz-
liche Anerkennung längst besitzt. Der Expres-
sionismus ist durchgesetzt. Wer dies — stehe
er wo er wolle, links oder rechts — nicht weiss,
lebt im Gestern und im Vorgestern, aber nicht
heute" (Wilh. Hausenstein). An anderer Stelle hören
wir: „Die grundsätzliche künstlerische Gültigkeit der
 
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