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dieser Ornamentik zu v.erstehen. Das Verhältnis zur Antike ist
nicht so klar faßbar, da der Weg, auf dem man zu ihr vorgedrun-
gen ist, nicht sicher festgelegt werden kann. Griff man unmittelbar
zu den antiken Quellen oder sah man sie durch die Vermittlung
cles Karolingischen? Das sincl die beiden Möglichkeiten, die man
für die Erklärung clieser Ornamentik heranziehen muß. Dabei
k'ann sicherlich ein Rückgriff auf clie karolingisch-ottonische Kunst
immer nur ein Durchgang gewesen sein —- das Ziel war stets die
Antike, wie die Auswahl, clie man aus clen karolingisch-ottonischen
Formen traf, erweist. Dariiber hinaus noch die Vermittlung einer
gleichzeitigen oder unmittelbar vorangehenden auswärtigen Kunst,
wie der südfranzösischen, anzunehmen, ist bei der ungefähr gleich-
zeitigen Entstehung cler antikisehen Formen in der rheinischen
Goldschmieclekunst und cler Bauornamentik von Arles oder
S. Denis184) wohl überflüssig, vor allem da ja clie Goldsehmiede-
kunst in der selbständigen Verarbeitung der aufgenommenen An-
regungen weit iiber jene hinausgeht und in der Qualität der Aus-
fiihrung ihren besten Erscheinungen zum mindesten ebenbiirtig
ist. Ihre Ornamentik bildet vielmehr ein eigenwertiges Glied in
einem europäischen Vorgang.

Der entscheidencle Teil clieser Formen entsteht am Drei-
königenschrein zwischen 1180 uncl 1200 unter der Wirkung des
Nikolaus von Verdun, der in seiner Person gleicksam den Höhe-
punkt uncl die gegenseitige Durchclringung cler Kunst von Rhein
uncl Maas darstellt — die klassisch-schönheitlichen Bestrebungen
der Maas verbindet er mit der architektonischen Gesinnung cler
rheinischen Kunst. Er kann daher auch fiir keine bestimmte Werk-
statt oder Richtung dieses Gebietes in Anspruch genommen wer-
den, und auck clie Beziehungen auf clie Antike und die früh-
mittelalterliche. Kunst erscliöpfen niclit das AVesen seiner wahr-
liaft großartigen Kunst, die auf cler Gruncllage geschichtlicher uncl
landschaftlicher Voraussetzungen als Ganzheit doch nur aus cler
Spannweite seiner schöpferischen Persönlichkeit möglich ist.

Der Aniioschrein.

Der Annoschrein in Siegburg stellt in seinem architektonischen
Auf'bau uncl seiner Ornamentik einen Höhepunkt cler Gold-
schmiedekunst cles 12. Jahrhunderts dar, — um so schwerer wiegt
hier der Verlust der Plastik, die bis auf die Zwickelfiguren ver-
schwunden ist.

184) Die Datierung von Arles, S. Trophimes nacli P. Deschamps, Die ro-
manische Plastik Frankreichs, Berlin 1950, S. 93 f.: 1180—90.

Die Datierung v. S. Denis, Nordportal d. Abteikirche, nach M. Aubert,
Die gotische Plastik Frankreichs, Miinchen o. j., S. 81: um 1170—S0.

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