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Der Gregorms-Tragaltar.

Ein sehr ausgeprägtes Leitmotiv bindet eine Gruppe von Email-
werken in Siegburg, Cbantilly und Darmstadt zusammen: das
scharf gezaekte Blatt, dessen eckig eingeschnittene Ränder in deut-
lichem Gegensatz zu clen rundgelappten Umrissen der üblichen
romanischen Blattformen stehen. Träger dieser Ornamentgestal-
tung sind clie Hauptwerke jener Gruppe, die von Falke als frühe
Form des Fridericus-Meisters vom Maurinusschrein in Köln zu-
sammengefaßt worden war 84). Gegen diese Yerbindung wurden
allerdings von Anfang an Bedenken erhoben, die zur Anerken-
nung einer eigenen Werkstatt für die scbarf gezackten Blatt-
formen führten 86). Das Hauptwerk dieses Stiles ist der Gregorius-
Tragaltar in Siegburg86). Yon der Eilbertusgruppe aus gesehen ist
man hier in einer ganz anderen Welt, deren AYesen seine deut-
lidiste Ausprägung in clen herrlichen Ranken cler Deckplatte
findet, die eine Fülle lebendigster Einzelformen ausbreiten, sodaß
die kleinen, goldenen Figuren zwischen ihnen in dem Reichtum
dieser Blätter uncl Stengel fast verschwinden. Dazu kommen die
leuchtenden Emailfarben, ,,die Stengel blau, die Blätter hellgrün,
weiß, grau, blau, türkisblau, rot, lila, die größeren Blätter mit
zwei ineinandergehenden Glasflüssen“ 8'7).

Hier empfindet man eine ganz persönliche, eigenwillige kiinst-
lerische Kraft, clie mit allen Möglichkeiten einer schöpferischen
Phantasie ausgestattet, die besten Leistungen der romanischen
Ornamentik aufruft. Die Blattbüsckel in den Windungen der
Ranke sind alle untereinander verschieden wie die Kapitelle einer
gleichzeitigen Kirdie, und dabei ist doch die völlige Geschlossen-
heit und Einheitlidikeit des Ganzen hier am Gregorius-Tragaltar
wie auch in cler Bauornamentik gewahrt. Damit ist gleich ein
AYesenszug clieser Kunst genannt: Yielheit der Formen im Ein-
zelnen — aber Einheitlichkeit im Ganzen. — Es handelt sich bei
dem Ornament des- Gregorius-Tragaltars um glatte, spiralenartig
aufgerollte Stengel, die palmettenähnlich angeordnete Blattgrup-
pen umschließen. Diese setzen sich aus clen verschiedenartigsten
Motiven zusammen, von rein abstrakten Formen aus vier zusam-
mengesetzten Herzen bis zu ganz reichen Gruppen aus langen und
kurzen, breiten nncl sdrmalen Blättern, die bald aufrechtstehen,

84) Falke u. Frauberger, a. a. O., S. 28 ff.

85) Schon 1904 in der Besprechung des Falkeschen Werkes wendet sidi
E. Renard geg'en die Yerbindung der beiden Gruppen, die „deutlich
zwei verschiedene Eiappen in der Entwicklung des ro.manischen Or-
namentes“ zeigen. Westdeutsche Zeitechr. fiir Geschichte und Kunst,
XXII, 1904, S. 152 ff. — L. Straus, a. a. O., S. 8 ff.

86) Abb. bei F. Witte, a. a. O., Taf. 59
8T) Falke u. Frauberger, a.a. O., S. 28.

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