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welt ist von den alten Bewegungsströmen auf den Riieken ihrer
Wogenkämme genommen worden“.

Ähnlicli ist die Darstellung des Yorderkainmes am Albinus-
schrein. Langsam kriechen die Drachen unter den Rankenver-
schlingungen clie Schrägen hinan und verkörpern so in der Mühe
ihrer Bewegung die Scliwierigkeit des Aufstiegs.

Mit clieser Gestaltung ist nun wirklich clie architektonische
Funktion der Ornamentik bis ins Letzte erfaßt uncl, wie an den
Kapitellen cles Annoschreins, in den Formen cles Lebencligen dar-
gestellt. Die architektonische Ausrichtung cler Gesamtformen der
Goldschmieclekunst erstreckt sich auch gleichmäßig auf die Orna-
mentik, die sowmhl in cler Darstellung der einzelnen Bauglieder,
der Pilaster, Säulen, Basen und Kapitelle, als auch in cler Be-
ziehung aller Formen auf ihren Sinn im Gesamtaufbau bis tief in
clas Wesen des Architektonischen eingeclrungen ist.

Zusanimenfassung des zweiten Teiles.

Aus den verschieclenen Entwicklungsreihen cler Ornamentik
cler Golclschmiedekunst von cler Mitte cles 12. Jahrhnnderts bis ins
15. hinein ergibt sich als Ziel die in sich geschlossene, spannungs-
voll gegliederte uncl organisch belebte Form.

Das Streben nach Vereinheitlichung zeigt sich in dem Yerhält-
nis der Formen zueinander in der Durchbreclnmg aller trennen-
clen Rahmenf’ormen, clie clie Gesamtheif einer Platte in eine
Sumrne selbständiger Einzelteile zerlegen. Die freigewordenen
Glieder wachsen dann zu einer Ganzheit zusammen, sei es zu cler
geometrischen einer einheitlichen Anlage, sei es zu cler pllanz-
lichen einer einzigen Blattstaude. Zugleich rnacht sich ein Be-
streben nach Glieclerung geltend, clas bei clen Einzelformen als
immer wmitergeführte Aufteilung der Ränder in Ausbuchtungen
und Einschnitten uncl als klar hervortretende Innenzeichnung, die
alle Einzelheiten erfaßt, sich durchsetzt. In clen Gesamtformen er-
gibt sich clie Glieclerung aus den verschieclenartigen Beziehungen
uncl Abstufungen cler Teile untereinancler, clurch clie spannungs-
volle Gegenbewegungen verschieclener Kräfte entstehen, cles Tei-
les zum Ganzen, cles Musters zum Rahmen, der Bewegung zur
Gegenbewegung. Damit erhalten clie Formen eine innere Leben-
cligkeit, clie zu einer völlig organischen Auffassung von Mensch,
Tier uncl Pflanze führt, und die auch clie Formen cler Architektur
mit cler Darstellung cles Lebendigen erfüllt. Eine solclie Kunst
muß in der plastischen Gestaitung ihre höchste Ausclrucksmög-
liehkeit sehen, clie claher auch clas Ziel aller Bestrebungen ist.

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