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uncl Mauritiusschrein war die menschliche Figur rein flächigen,
ornamentalen Bewegungslinien unterworfen, am Dreikönigen-
schrein werden organisch bewegte Gestalten plastisch dargestellt,
die fast ganz frei sind von allen nur-ornamentalen Bindungen.

Eine besondere Rolle spielt clas Yerhältnis der Gestalten zu
den Ranken, in die sie hineingesteRt sind. Am Ideribertschrein
steRen diese das beherrschende Element clar, da die Tiere ihrer
Bewegung eingeorclnet werden. Die Yerbinclung beider läuft hier
in den ornamentalen VerschRngungen vor allem auf eine sti-
Rstische Einheit hinaus, die sich in clem Gleichklang cler Bewe-
gungen ausdrückt. Bei clen folgenden Werken wird cliese äußere
Beziehung dann in eine ursächRch begrtindete umgewandeR. Auf
clen Streifen des Dreikönigenschreins stehen die GestaHen auf clen
Stengeln oder vorgeschobenen Blättern, am Giebel des Anno-
schreins sitzen sie wirkRch in den Ranken uncl beziehen sich in
selbständigen Bewegungen auf deren Verlauf. Arn Giebel des Al-
binusschreins sincl cRe Ranken so eng um clie TiergestaHen herum-
gewachsen, daß statt cler weiten, leicht gespannten Rahrnen des
Heribertschreins ein Dickicht von Formen entstanden ist. Das ent-
scheidende Element ist nicht mehr die Spiralbewegung der Ranken-
stengel, die gleichsam Felcler flir clie einzebien Figuren schuf,
sondern es wird cRirch cRe ausgreifenden Zweige des Blattwerks
ein wirklicher Raum gebildet, der clie Gestalten von allen Seiten
umgibt. Am scliönsten ist das Verhältnis zwischen Tier und Ranke
auf cler Zwickelplatte vom Dreikönigenschrein im KöRier Schnüt-
gen-Museum, wo nun IRer und Ranke nicht nur äußerlich mit-
einander verwachsen sind, sondern auch beide von dersebDen krei-
senden Bewegung erfaßt werden, die in cler Biegung und Durch-
formung des Tierkörpers alle plastischen und räumlichen Er-
oberungen cler ancleren Rankenformen voraussetzt.

So stellt clas figürliche Ornament clie stilistische Entwicklung
von rein zeichnerischen, flächenhaften Formen zu plastisch durch-
moclellierten Körpern clar, clie zugleich immer mehr als organische
Wesen aufgefaßt werden. Diese plastisch-organische Kunst. erreicht
ihren Flöhepunkt in cler Blau-Gold-Ornamentik cles Dreikönigen-
schreins uncl clen Kämrnen cles Anno- uncl Albinusschreins, also in
cler Zeit um uncl kurz nach 1180. In der Weiterentwicklung werden
die lebenclig-organischen Bewegungen cler Gestalten immer mehr
gesteigert, bis sie clen Ausclruck jäher AugenbHcksKaltungen an-
nehmen.

Die Bauornamentik.

Die Entwicklung der Bauornamentik ist notwenclig mit cler
gesamten architektonischen Entwicklung der Schreine von ein-
fachen, kastenmäßigen zu architektonisch ausgebildeten Formen

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