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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

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Heuss, Theodor: Alfred Braun
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https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0039
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

Nach ähnlichen Gesichtspunkten sollen wir auch Brauns beste Blätter be-
urteilen. Die Silhouette macht es! Der Pinsel legt den Boden hin und stellt
die Menschen mit knappen Flächen vor den blassen Grund. Keine Körper-
formen, ein Toneindruck. Nun sollen sie reden und in ihrem Rahmen leben.
Das was auf der einen Leiste der brave Bürger dem gefälligen Mädchen zuruft
oder welch schöne Worte der Jüngling zu der Dame findet über die Erhabenheit
des Hochgebirges das ist Anekdote. Wir dürfen es wissen, aber wieder
vergessen. Nicht vergessen jedoch sollen wir: so standen sie da, Und so lief
die Straße. In möglichste Knappheit ist ein Bild konzentriert. Hier darf man
keine Geheimnisse suchen, sondern man begnügt sich mit dem, was der Künstler
sichtbar hinschreibt und wie er ein Problem löst, ein simples Straßenproblem,
wie der Regenschauer, der über Rom herabplatzt und die frommen Kirchen-
gängerinnen heimtreibt. Wie sicher kommt hier aus der Silhouette der Gruppen
die rasche zusammengedrängte Bewegung heraus; die hellen Flecke der Gesichter
erhalten bestimmte Physiognomien. Einfach und trefflich gelang die unangenehme
Feuchtigkeit von Luft und Pflaster.

Das Blatt „Winter" ist ein farbiger Holzschnitt, dessen tonige Feinheit in
unserer Wiedergabe nur ungenügend deutlich wird. Das Original hat zarte,
fast innige Töne, gelb, grau und grün. Die Stadt verschwimmt in kaltem
Dunst. Das Schneefeld ist einsam und öd. Die Aeste der Föhre stehen klar
und stark vor dem Grund. Wie sie den Raum füllen, wie sie groß und fremd
und ausdrucksvoll über die Fläche hängen, das läßt sich nur im Sehen begreifen
und nicht durch Worte buchstabieren.
 
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