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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1908-1909

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Gradmann, Eugen: Das Schwäbische Bauernhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7712#0141
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Das schwäbische Bauernhaus.

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Aus dem schwäbischen Holzhaus mit seinem einfachen Walmdach kann das
Wälderhaus des mittleren Schwarzwaldes erwachsen sein. Man findet im
Wälderhause hie und da auch noch Firstsäulen, meist freilich einen regelrechten,
liegenden Dachstuhl. Sein Ständerbau mit Spuntwandfüllungen ist wie der
schweizerische im Berner Mittelland nur eine Verfeinerung des oberschwäbi-
schen Gefüges. Versehen mit dem Legschindeldach, mit Laufgängen und
meist auch mit einem Obergeschoß, und in Blockverband gebaut, wird das
altschwäbische Haus Oberschwabens zum Allgäuer und Vorarlberger Haus.
Halbstädtisch ausgebaut, zweistockig, in zünftigem Fachwerk mit feuerfester
Füllung und mit hohem Giebeldach, wird es zum niederschwäbischen Acker-
bürger- und Weingärtnerhaus. Den oberschwäbischen Beispielen am nächsten
kommen die strohgedeckten, einstockigen Häuser der rauhen Alb.

Das württembergische Allgäu hat Anteil an einem Haustypus, der als
schwäbisches Gebirgshaus bezeichnet werden kann und über das Allgäu hin-
weg über Vorarlberg und einen Teil von Tirol (das Lechgebiet) und von
Oberbayern (das Loisachgebiet) verbreitet, im Bregenzerwald und im Werden-
felserland am reichsten ausgebildet ist: Oberdeutsches Grundrißschema der
Wohnung, also mit langseitlichen Eingängen und Einfahrten, vorherrschend
zweistockige Anlage, doch mit Bevorzugung des Erdgeschoßes, Holzbau in
Blockverband oder Ständerbau mit Block- oder Bohlenfüllung — jetzt vielfach
verdrängt durch Steinbau oder ausgemauertes Fachwerk — flaches, allseitig
überstehendes Satteldach von steinbeschwerten Legschindeln oder Brettern,
gern begleitet von Laufgängen. Die Giebel oft nur mit Brettern verschalt,
hinter gitterartigem, leichtem Fachwerk, das oft mit dem Schnitzmesser ver-
ziert ist.

In der Bodenseegegend findet man stattliche Bauernhäuser aus dem
18. Jahrhundert, die unverkennbar solchen in Vorarlberg (Dornbirn) ver-
wandt sind. Zweistockige Einheitshäuser mit steilem Satteldach, das ursprüng-
lich auf Nagelschindelung berechnet scheint. Die Unterflächen des Dachvor-
stoßes über dem Giebel sind verschalt mit Brettern, so wie die ganzen Wand-
flächen. Die Stockwerksbalkenköpfe unter dem Giebel sind abgedeckt mit
Flugdächlein, deren Unterfläche wieder in Form einer Hohlkehle verschalt ist.
Dazu kommt farbiger Anstrich der ganzen Fassaden, vorherrschend Rot mit
Grün und Weiß; die Fensterläden und die Hohlkehlen besonders hervorgehoben
durch bunte Ornamente, Blumenstöcke, heraldische Figuren und Inschriften.
Dazwischen hie und da ein Medaillon mit einem Heiligenbild.

Es gilt bei den Hausforschern vorerst noch als unwissenschaftlich, die Haus-
typen nach Volksstämmen zu benennen. Aber das ist unbestreitbar, daß die
verschiedenen Haustypen mit früheren politischen Verbänden zusammenhängen;
und dasselbe gilt von den Volksstämmen und Mundarten. Im Schwarzwald
deckt sich die Grenze der alemannischen Mundart gegen die fränkisch-
schwäbische noch ungefähr mit der des Wälderhauses gegen das rheinfränkische
und niederschwäbische Haus.

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