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So

Recht und Staat

Papsttum und die Eingriffe in die Ver-
waltung der deutschen Kirche; sie versucht
die allgemeinen Ideen herauszustellen,
welche die Handlungen möglich machten
und vor der Welt begründeten: Die Rück-
wendung zu dem Reichskirchenrecht der
frühstaufischen und salischen Zeit findet
ihren Ausdruck in der Verwendung von
Formeln des spätantiken und byzantini-
schen Herrschermythos nach dem Vorbild
der Kanzleisprache Barbarossas und Fried-
richs II. Daneben steht die rein natur-
rechtlich begründete Theorie des Kreises
um Marsilius von Padua und Wilhelm von
Ockham; sie bekommt ihren Charakter
durch einen nach Aristoteles geformten
Rationalismus. H. L.
340 MARSILIUS VON PADUA, Defensor
pacis. Hrsg. v. Richard Scholz. Han-
nover: Hahn '32. (1). LXX, 300 S.
(Fontes iuris Germanici antiqui in
usum scholarum ex Monumentis Ger-
maniae historicis separatim editi.)
Die Vorbereitung der vorliegenden
Ausgabe wurde schon 1912 begonnen, dann
aber durch den Krieg unterbrochen; wäh-
rend der Abschluß der Arbeit sich ver-
zögerte, erschien 1928 die kritische Aus-
gabe von C. W. Previte-Orton. In der
Klassifizierung und Beurteilung der Hss.
sind sich beide Herausgeber einig; Scholz
hat durch Heranziehung weiterer Hss. und
genaue Prüfung an der Einzelverbesserung
des Textes gearbeitet. Die Einleitung gibt
Rechenschaft über 27 FIss. des 14. und
15. Jahrh., die sich über Deutschland,
England , Frankreich und Italien verteilen;
ihre Entstehung und Verbreitung wird ver-
folgt, wobei der Zusammenhang zwischen
der Tradition des Defensor und den kirchen-
politischen Interessen der Epoche des
großen Schisma und der Reformkonzilien
deutlich wird. In der Verfasserfrage lehnt
Scholz aus stilistischen Erwägungen die
Autorschaft des Pariser Averroisten Jean
von Jandun an einzelnen Teilen ab; aver-
roistische Einflüsse in der Methode der
Staatslehre werden auf den Zusammenhang
mit der heimatlichen Schule in Padua und
auf den dortigen Professor Pietro d’Abano
zurückgeführt; damit stimmt die Ab-
leitung der politischen Doktrin des Mar-
silius aus seinen italienischen Stadtstaat-
erfahrungen, wie sie Battaglia vornahm,

gut überein. Die Quellenanalyse beweist
das Vorherrschen der Bibel und des Aristo-
teles, der eximius philosophus, philosophus
schlechthin oder sapientis gentilis oraculum
genannt wird. Zitate aus andern antiken
Autoren sind spärlich, aber auch die Pa-
tristik und die mittelalterliche Theologie
ist nur derart verwertet, daß die Vermitt-
lung durch Handbücher wahrscheinlich
ist. — Die Fußnoten sind von Scholz ab-
sichtlich knapp gehalten worden und bieten
im Wesentlichen Quellennachweise und
Parallelstellen; am Ende stehen ausführ-
liche Namen-, Begriffs- und Zitatenregister.
H. L.
LAGARDE, G. DE, Une adaption de la 341
politique d’Aristote au 14c siede. In:
Rev. hist, droit fran<j. 4. ser., 11, '32,
S. 226—69.
Die Arbeit gibt ein sehr schönes Bei-
spiel dafür, wie ein mittelalterlicher Denker
ein antikes für ihn selbst vorbildliches Ge-
dankengut weitgehend umformt: Marsilius
von Padua ist in der Geschichte der mittel-
alterlichen Staatstheorie dadurch aus-
gezeichnet, daß er seine Lehre rein
aus aristotelischen Elementen aufzubauen
wünscht. Insofern war sein Verhältnis zur
aristotelischen Politik dasselbe wie das der
Pariser Artisten des 13. Jahrh. zu den
theoretischen Schriften; die Politik ist
als Spätling der Rezeption erst nach 1250
in das lateinische Abendland gekommen.
Die Analyse des Staates im ersten Teil des
Defensor pacis ist vollkommen aus aristo-
telischen Begriffen auf gebaut; aber dadurch,
daß nicht alle Elemente der aristotelischen
Politik verwendet sind, mußte sich die
relative Bedeutung der übrigen dem Ori-
ginal gegenüber verändern. Bei Marsilius
sind die ethischen Kräfte nicht berück-
sichtigt, die bei Aristoteles den Menschen
von Natur aus zum Sozialwesen machen;
die Macht des Bedürfnisses allein ist
schöpferisch, alle rechte Regierungsgewalt
ist an ihrer Ableitbarkeit aus der Volks-
souveränität erkennbar; dieser Begriff hat
bei Aristoteles keine zentrale Stellung; bei
Marsilius ersetzt er die ethische Forderung
an die Herrschenden. Diese positivistische
Wendung, sittliche Wertungen bei der
Charakteristik der Gesellschaftsgrundlagen
zu vermeiden, hängt mit der Tendenz des
Marsilius zusammen, die Freiheit des
 
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