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Bildtradition
398 PANOFSKY, ERWIN, Der gefesselte Eros
(Zur Genealogie von Rembrandts Danae).
In: Oud Holland 50, '33, S. 193—217.
Durch Klarlegung der Bildtradition wird
überzeugend nachgewiesen, daß die ur-
prüngliche Bezeichnung ,,Danae“, für
Rembrandts „Frau in Erwartung“ in
Leningrad, zutrifft. Die Umprägung ihres
Darstellungstypus — der nicht in direkter
antiker Tradition wurzelt — ist für Rem-
brandts Kunst charakteristisch: Er ver-
einigt Motive Tizians und Carraccis, aber
schafft den substanziellen Goldregen zur
Lichterscheinung um.
Einleitend wird der Bildtypus des ge-
fesselten Amor durch die Geschichte ver-
folgt, dessen Darstellung am Bett des Rem-
brandtschen Bildes der richtigen Deutung
bisher im Wege stand. Er erweist sich als
Keuschheitsallegorie im Sinne der Emble-
matik (Alciati), die die antike Figur des
Anteros (Gegenliebe) neuplatonisch zur
„himmlischen Liebe“ umdeutete und so in
eine Reihe mit dem älteren Typus des ge-
fesselten Cupido stellte. (Als Quelle seiner
Darstellung kommt übrigens für das 15.
Jahrh. neben der „psychomachischen Tra-
dition“ und Petrarca auch Ausonius in Be-
tracht). Seine Gegenwart am Danaebild
erweist sich als durchaus sinnvoll: Danae,
die Jungfrau im „ehernen Turm“, war
schon dem Mittelalter als Keuschheits-
symbol geläufig. E. G.
399 TISSOT, LUDWIG WILLIAM, Simson
ztnd Herkules in den Gestaltungen des
Barock. Stadtroda: Richter '32. 146 S.
Greifswald, phil. Diss.
Der Hauptteil der Arbeit behandelt den
biblischen Helden. Die Übersicht über das
Auftreten des Herkules in Literatur, Musik
und Bildkunst vermittelt keine neue Ein-
sicht, weil nirgends versucht wird, die spe-
zifisch barocke Auffassung der Mythologie
von der allgemein christlichen abzuheben.
Allegorese und metaphorische Verwendung
läßt sich vom Mittelalter bis in den Klassi-
zismus belegen. Auf die Verwendung und
Umdeutung antiker Herkulestypen wird
nicht eingegangen. Die beigefügte Liste
„Herkules in der bildenden Kunst des Ba-
rock“ beschränkt sich im Wesentlichen auf
eine Aufzählung nach Panofsky und den
geläufigsten Handbüchern, wobei E. W.
Bredt’s Herkules (Ravensburg 1913) über-
sehen wurde. E. G.
CRICK-KUNTZIGER, M., Un fragment de 400
tapisserie de l’histoire de Thebes. In: Rev.
beige archeol. hist, art 2, '32, S. 231— 37.
Während Darstellungen der Alexander-
legende und Trojasage auf Teppichen öfter
begegnen, fanden sich in den Inventaren
bisher nur drei Hinweise auf Darstellungen
des Kampfes um Theben. Das einzige auf
uns gekommene Stück ist der berühmte
flämische aus dem letzten Drittel des
15. Jahrh. stammende Teppich der Kathe-
drale von Zamora. Das ikonographisch
wichtige Bruchstück, das C.-K. veröffent-
licht, — es befand sich früher in der Samm-
lung des Comte de Reiset — stellt eine
Szene im Palast zu Theben dar mit Oedipus,
Jocaste, den beiden feindlichen Brüdern
undlsmene. Es handelt sich möglicherweise
um eine Arbeit des Willaume Desreumaux
aus Tournai. H. M.
MORPURGO, SALOMONE, Bruto, ,,il 401
buon giudice“, nell' Udienza dell’Arte
della Lana in Firenze. In: Miscellanea
di Storia dell’Arte in onore di Igino
Benvenuto Supino. Firenze: Olschki '33,
S. 141 — 63.
Lucius Junius Brutus, der legendäre
erste Konsul Roms, wird im Verlauf des
Trecento auf florentiner Boden zum Typus
des gerechten Richters, der in seiner Person
die vier Kardinaltugenden vereinigt. Es ist
das Verdienst M.s, im Anschluß an ein bisher
kaum beachtetes Fresko im großen Saal der
Arte della Lana (spätes 14. Jahrh.) das
literarische und bildliche Material mit denk-
barer Vollständigkeit zusammengetragen zu
haben. Das Fresko der Arte della Lana ver-
mag uns vor allem eine Vorstellung von dem
zugrunde gegangenen Giotto-Fresko im Pa-
lazzo del Podesta (Bargello) zu geben, das
Vasari, Ghiberti folgend, als „Comune ru-
bato da molti“ deutet, das aber der Be-
schreibung nach nichts anderes darstellen
kann als Brutus, der von den vier Kardinal-
tugenden gegen die anstürmenden Laster
geschützt wird. R. W.
PREMERSTEIN, ANTON v., Neues zu den 402
apokryphen Heilsprophezeiungen heid-
nischer Philosophen in Literatur und
Kirchenkunst. In: Byzant. - neugriech.
Jahrbb. 9, '33, S. 338—74-
Trotz der bis in die Frühzeit des Christen-
tums zurückreichenden literarischen Tra-
dition haben Darstellungen antiker Philo-
Bildtradition
398 PANOFSKY, ERWIN, Der gefesselte Eros
(Zur Genealogie von Rembrandts Danae).
In: Oud Holland 50, '33, S. 193—217.
Durch Klarlegung der Bildtradition wird
überzeugend nachgewiesen, daß die ur-
prüngliche Bezeichnung ,,Danae“, für
Rembrandts „Frau in Erwartung“ in
Leningrad, zutrifft. Die Umprägung ihres
Darstellungstypus — der nicht in direkter
antiker Tradition wurzelt — ist für Rem-
brandts Kunst charakteristisch: Er ver-
einigt Motive Tizians und Carraccis, aber
schafft den substanziellen Goldregen zur
Lichterscheinung um.
Einleitend wird der Bildtypus des ge-
fesselten Amor durch die Geschichte ver-
folgt, dessen Darstellung am Bett des Rem-
brandtschen Bildes der richtigen Deutung
bisher im Wege stand. Er erweist sich als
Keuschheitsallegorie im Sinne der Emble-
matik (Alciati), die die antike Figur des
Anteros (Gegenliebe) neuplatonisch zur
„himmlischen Liebe“ umdeutete und so in
eine Reihe mit dem älteren Typus des ge-
fesselten Cupido stellte. (Als Quelle seiner
Darstellung kommt übrigens für das 15.
Jahrh. neben der „psychomachischen Tra-
dition“ und Petrarca auch Ausonius in Be-
tracht). Seine Gegenwart am Danaebild
erweist sich als durchaus sinnvoll: Danae,
die Jungfrau im „ehernen Turm“, war
schon dem Mittelalter als Keuschheits-
symbol geläufig. E. G.
399 TISSOT, LUDWIG WILLIAM, Simson
ztnd Herkules in den Gestaltungen des
Barock. Stadtroda: Richter '32. 146 S.
Greifswald, phil. Diss.
Der Hauptteil der Arbeit behandelt den
biblischen Helden. Die Übersicht über das
Auftreten des Herkules in Literatur, Musik
und Bildkunst vermittelt keine neue Ein-
sicht, weil nirgends versucht wird, die spe-
zifisch barocke Auffassung der Mythologie
von der allgemein christlichen abzuheben.
Allegorese und metaphorische Verwendung
läßt sich vom Mittelalter bis in den Klassi-
zismus belegen. Auf die Verwendung und
Umdeutung antiker Herkulestypen wird
nicht eingegangen. Die beigefügte Liste
„Herkules in der bildenden Kunst des Ba-
rock“ beschränkt sich im Wesentlichen auf
eine Aufzählung nach Panofsky und den
geläufigsten Handbüchern, wobei E. W.
Bredt’s Herkules (Ravensburg 1913) über-
sehen wurde. E. G.
CRICK-KUNTZIGER, M., Un fragment de 400
tapisserie de l’histoire de Thebes. In: Rev.
beige archeol. hist, art 2, '32, S. 231— 37.
Während Darstellungen der Alexander-
legende und Trojasage auf Teppichen öfter
begegnen, fanden sich in den Inventaren
bisher nur drei Hinweise auf Darstellungen
des Kampfes um Theben. Das einzige auf
uns gekommene Stück ist der berühmte
flämische aus dem letzten Drittel des
15. Jahrh. stammende Teppich der Kathe-
drale von Zamora. Das ikonographisch
wichtige Bruchstück, das C.-K. veröffent-
licht, — es befand sich früher in der Samm-
lung des Comte de Reiset — stellt eine
Szene im Palast zu Theben dar mit Oedipus,
Jocaste, den beiden feindlichen Brüdern
undlsmene. Es handelt sich möglicherweise
um eine Arbeit des Willaume Desreumaux
aus Tournai. H. M.
MORPURGO, SALOMONE, Bruto, ,,il 401
buon giudice“, nell' Udienza dell’Arte
della Lana in Firenze. In: Miscellanea
di Storia dell’Arte in onore di Igino
Benvenuto Supino. Firenze: Olschki '33,
S. 141 — 63.
Lucius Junius Brutus, der legendäre
erste Konsul Roms, wird im Verlauf des
Trecento auf florentiner Boden zum Typus
des gerechten Richters, der in seiner Person
die vier Kardinaltugenden vereinigt. Es ist
das Verdienst M.s, im Anschluß an ein bisher
kaum beachtetes Fresko im großen Saal der
Arte della Lana (spätes 14. Jahrh.) das
literarische und bildliche Material mit denk-
barer Vollständigkeit zusammengetragen zu
haben. Das Fresko der Arte della Lana ver-
mag uns vor allem eine Vorstellung von dem
zugrunde gegangenen Giotto-Fresko im Pa-
lazzo del Podesta (Bargello) zu geben, das
Vasari, Ghiberti folgend, als „Comune ru-
bato da molti“ deutet, das aber der Be-
schreibung nach nichts anderes darstellen
kann als Brutus, der von den vier Kardinal-
tugenden gegen die anstürmenden Laster
geschützt wird. R. W.
PREMERSTEIN, ANTON v., Neues zu den 402
apokryphen Heilsprophezeiungen heid-
nischer Philosophen in Literatur und
Kirchenkunst. In: Byzant. - neugriech.
Jahrbb. 9, '33, S. 338—74-
Trotz der bis in die Frühzeit des Christen-
tums zurückreichenden literarischen Tra-
dition haben Darstellungen antiker Philo-