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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 45.1918-1921(1921)

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Zedler, Gottfried: Kritische Untersuchungen zur Geschichte des Rheingaues
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I. Der Pfarrbezirk Oestrich
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4. Johannisberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.60615#0104

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I. Der Pfarrbezirk Oestrich

in dieser Gegend war aber so bedeutend,, dass sich Bardo, wenn auch nicht
als Herr des Rheingaus, so doch als Herr dieser Gegend bezeichnen konnte
(vgl. Stimming S. 28).
Wäre der Rheingau als solcher schon im 11. Jahrhundert mainzisch
gewesen, so wäre es meines Erachtens unmöglich, dass der Graf des Gaues
nicht erzbischöflicher Ministeriale geworden wäre. Aber abgesehen davon,
dass dieser Graf unter den Ministerialen der Johannisurkunde von 1130 fehlt,
treten vor Richolf überhaupt keine echten Rheingaugrafen in den Urkunden
auf. Wären sie damals aber schon Mainzer Ministeriale gewesen, so würden
wir ihnen in erzbischöflichen Urkunden unter den Zeugen ebenso begegnen
müssen, wie dies später der Fall ist.
Ob mit dem Aussterben der alten Rheingaugrafen mit Ludwig, dem
Sohne Richolfs, und dem alsbaldigen Eintreten der neuen Rheingrafen in die
Mainzer Ministerialität in der Zeit zwischen 1132 und 1140 eine förmliche
Übertragung der landesherrlichen Hoheitsrechte an den Mainzer Erzbischof
erfolgt ist, muss man bei dem Versagen der Quellen dahingestellt sein lassen.
Es ist doch nicht ausgeschlossen, dass eine solche Übertragung überhaupt
nicht ausdrücklich stattgefunden hat, sondern vielmehr dadurch, dass das
Erzstift immer umfassenderen Grundbesitz in diesem von der Natur so ge-
segneten Gau erwarb, die Zahl seiner rheingauischen Ministerialen beständig
vermehrte und schliesslich unter dem allmächtigen.Erzbischof Adelbert I. auch
den bisherigen Träger landesherrlicher Gewalt darin aufnabm, ganz von selbst
den unmittelbar vor seiner Hauptstadt gelegenen Gau zu dem seinen machte.
Einem Manne wie Adelbert I., dem der Nachfolger Heinrichs V., Lothar von
Sachsen, seine 1125 zu Mainz erfolgte Wahl zum deutschen König in erster
Linie verdankte, kann es nicht allzu schwer geworden sein, zumal wenn mit
Ludwig das alte Geschlecht der Rheingaugrafen ausstarb, aus seiner über-
ragenden Machtstellung in Bezug auf den Rheingau die für das Erzstift er-
forderlichen Konsequenzen zu ziehen. Denn dass die Übernahme der landes-
herrlichen Gewalt in diesem räumlich so beschränkten Gebiet für die Mainzer
Erzbischöfe eine Notwendigkeit war, beweist ja die spätere Entwicklung der
Dinge genugsam. Auf jeden Fall steht fest, dass der in der Nikolausurkunde
als Zeuge aufgeführte Mainzer Ministeriale und Rheingaugraf Emercho damals noch
nicht existiert haben kann. Damit aber ist die Unechtheit dieser Urkunde
genugsam erwiesen.
Um über den Zweck und die Entstehungszeit der gefälschten Nikolaus-
urkunde ins Klare zu kommen, müssen wir kurz auf die Geschichte des Klosters
Johannisberg und sein Verhältnis zum gleichnamigen Dorf eingehen. Wir
folgen dabei, soweit es sich nicht um bekannte geschichtliche Tatsachen handelt,
nicht Bodmann oder dem hier in der Hauptsache von diesem abhängigen
Zaun, sondern den- Nachrichten, wie sie in Akten des Wiesbadener Staats-
archivs und in der schon öfter erwähnten Epitome des Archivs des St. Viktor-
stiftes erhalten sind. Diese letztere hat zwar auch Bodmann benutzt, ihre
Nachrichten aber mit anderen fragwürdigen Quellenangaben vermengt.
 
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