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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 45.1918-1921(1921)

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Zedler, Gottfried: Kritische Untersuchungen zur Geschichte des Rheingaues
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VII. Der Rheingau als Ganzes
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1. Einzelne Urkunden
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https://doi.org/10.11588/diglit.60615#0312

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292 VII. Der Rlicingau als Ganzes
geglaubt habe, doch notwendig, auch einen allgemeinen landesgeschichtlichen Ab-
schnitt vorzusehen, bei der aus naheliegenden Gründen die in den früheren
Abschnitten in der Hauptsache eingehaltene zeitliche Reihenfolge sich nicht
immer in gleichem Maasse durchführen lässt. Wie es aber schon rücksichtlich
der ortsgeschichtlichen Quellen nicht überall möglich ist, zu einer endgültigen
Entscheidung zu kommen, zumal solange die Vollendung der Böhmer’sehen
Regesten der Erzbischöfe von Mainz in ihrem ursprünglich geplanten Umfange
noch auf sich warten lässt, und damit für weite Strecken die Möglichkeit einer
vollständigen Übersicht über die tatsächlich vorhandenen Geschichtsquellen auch
für den Rheingau fehlt, so ist es der Geschichte eines ganzen, wenn auch noch
so begrenzten Landes gegenüber um so mehr geboten, sich zu bescheiden und
lieber Fragwürdiges bestehen zu lassen, als Gefahr zu laufen, es anzugreifen, ohne
die Berechtigung dazu in überzeugender Weise dartun zu können. In diesem
Sinne beschränke ich mich im Folgenden auf einzelne kritische Erörterungen.

1. Einzelne Urkunden.
Das ,uralte Verzeichnus der Mainzer Erzbischöfe1, das sich vormals auf
der Dombibliothek zu Mainz befunden haben soll, und das Bodmann (S. 7) als
besonders zuverlässig charakterisiert, ist nichts als sein eigenes Phantasiegebilde.
Das beweist der Auszug, den er daraus mitteilt, dem zufolge Otto I. 995 seinem
Sohne Wilhelm als damaligem Erzbischof von Mainz Bingen nebst dem Rhein-
gau geschenkt haben soll. Wir haben schon oben (S. 83) gesehen, dass eine
solche Schenkung mit dem Inhalt der späteren Kaiserprivilegien von 975 und
1007 in Widerspruch steht.’ Trotzdem hat man bis auf unsere Tage diese
Quellennotiz, die auch in Böhmers Fontes 4, 391 aufgenommen worden ist,
für echt gehalten.
Sauer hat sein Versehen (Sr 113), die Urkunde König Konrads II., in
der dieser 1025 comitatum Nederne in pago Reinicgouue dem Kloster Fulda
schenkt, zu einer rheingauischen gemacht und die darin erwähnte Schenkung
mit Bodmann (8.605), Vogel (S. 164) und älteren Forschern auf die über-
höhischen Dörfer bezogen zu haben, zwar nachträglich in den Berichtigungen und
Zusätzen (zu I, 1 u. 2) verbessert; nichtsdestoweniger treibt in Spielmanns
Geschichte von Nassau, deren erster Band 1909 erschien, S. 97 die Grafschaft
Nederne im Rheingau immer noch ihr Unwesen. So unverzeihlich es ist, dass
der alte Irrtum immer von neuem festgehalten und weiter verbreitet wird, die
Verantwortung dafür trägt auch hier zunächst Bodmann. Er hat zuerst die
Ansicht aufgestellt, dass Nederne identisch sei mit Hof Nehren, wie er auf einer
alten Homann’schen Karte verkommt. Das Richtige hat schon Landau (Perio-
dische Blätter der Geschichtsvereine zu Kassel, Darmstadt, Mainz, Wiesbaden
und Frankfurt 1858, Nr. 7, S. 175) festgestellt, dass nämlich Nederne das Hessisch-
Thüringische Netra ist. Der Reinicgouue ist ein Teil des thüringischen Westgaus
und nicht mit dem Rheingau zu identifizieren, der Rinagowe, Rinegowe heisst.
Nach Schenks Ansicht (Korrespondenzblatt des Gesamtvereins 1876, S. 82)
sind die überhöhischen Dörfer überhaupt erst später dem Rheingau als ein
fremder Bestandteil hinzugefügt worden.
 
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