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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 45.1918-1921(1921)

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Zedler, Gottfried: Die Bleidenstädter Traditionen
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2. Die einzelnen, dem angeblichen Bleidenstädter Traditionsbuch entnommenen Urkunden
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https://doi.org/10.11588/diglit.60615#0366

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Die Bleidenstädter Traditionen

zu dieser frühen Zeit gegen die Echtheit der Urkunde geltend gemacht
werden, wenn damit das ausgegangene rheingauische Dorf gemeint sein soll. In
der Zeugenreihe stimmen die geistlichen Zeugen, soweit sie nach ihrem Amt
näher bezeichnet sind, mit den in der Ruthard’schen Urkunde von 1090
(Gudenus I, 31) aufgeführten Personen überein. Unter den Laienzeugen steht,
wie dort, so auch hier der Mainzer Burggraf Gerhard voran. Er wird, und
zwar nur hier, zugleich als aduocattis bezeichnet, während sonst erst Burggraf
Arnold 1123 und 1124 beide Titel comes urbis et ecclesie advocatus führt, wenn
freilich auch schon vorher die Schirmvogtei der Kirche von Mainz mit dem
Burggrafenamt verbunden gewesen sein wird (Hegel II, 2, 28).
In der Bleidenstädter Urkunde von 1096 schenkt Giselbrecht nicht, wie
Will (S. 32, Nr. 9), dem allerdings nur der gekürzte Bodmann’sche Text
vorlag (s. oben S. 331), aber auch Sauer (145), der doch den vollen Wort-
laut vor sich hatte, in ihrem Regest sagen, dem Kloster einen Weinberg bei
Winkel für den Fall, dass er gesund von Jerusalem zurückkehrt. Er über-
weist letzteren nur insofern, als er verspricht, nach seiner Rückkehr von Jeru-
salem jährlich eine Urne Weins von dessen Ertrage zu stiften; für den Fall,
dass er nicht zurückkehre, und einer seiner Erben diese jährliche Abgabe unter-
lasse, soll das Kloster, wenn es sein Jahrgedächtnis begeht, die Berechtigung
haben, den Weinberg an sich zu nehmen. Dieser nicht zu bezweifelnde Sinn
ist allerdings inkorrekt ausgedrückt: statt quicunque heredum meorum idem
persolvere neglexerit müsste es heissen: et si quis heredum etc. Dieser gram-
matische Schnitzer ist auch wohl der Grund, weshalb Bodmann (S. 93) die
Urkunde nur im Auszug mit Übergehung der fehlerhaften Stelle mitgeteilt hat.
Zu der gekürzten Ausdrucksweise vineam . . . in marcha ville Winkelet sitam,
in uno latere sanctus Mauritius et in alio latere Richolfus comes vergleiche
man Dronke Cod. 143: de uno latere habet Elisabeth ab alio et tertio Suuepheri
quarto latere uia und ebenda Nr. 281: in ipsa marca quae continet ex uno
latere sancti Medardi ex alio latere sancti Bonifatii ex tertio regis Illi uia
publica. Schon Wibel (S. 686 ff.) weist auf die verdächtige, mehrmalige
Wiederholung längerer, sonst selten vorkommender Redewendungen in den ver-
schiedenen Schott’schen Urkunden und die Häufigkeit der Anwendung von
Worten hin, die im Verhältnis seltener sind und dem regelmässigen Brauch
nicht entsprechen oder einer anderen Zeit angehören. Er belegt solche Fälle
mit entsprechenden Beispielen. Wenn man die vorliegende Urkunde mit der
von 1090 vergleicht, fällt es auf, dass ein und derselbe Gedanke, fast mit den-
selben Worten ausgedrückt, in beiden Urkunden wiederkehrt. In jener Urkunde
heisst es: ut annis singulis in eius anniversario fratribus . . . urna vini tarn
per me, quam per heredes meos persolvatur et si quis hoc neglexerit, eadem
vinea fratrum subiaceat dominio, in dieser: ut annis singulis si sanus Jheru-
salemis rediero, urnam vini fratribus propinam et, si non revertar, quicunque
heredum meorum idem persolvere neglexerit, eo die, quo memoria mea pera-
gatur, ibidem fratres eandem vineam in suos usus transferant. Vielleicht
ist Schott in der letzteren Urkunde, um nicht verdächtigerweise dieselben
Worte zu wiederholen, zu seiner falschen Ausdrucksweise verleitet worden.
 
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