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Kleine Beiträgt
fassung der Zeit1). Es kann sich also nicht um die ursprüngliche Anordnung von
Architektur und Plastik handeln.
Hinter dem Maßwerk der Arkadenrahmung haben sich die freilich abgeschlagenen
Ansätze zweier Kreuzrippengewölbe erhalten. Die bisherigen Bearbeiter der Kirche
und ihrer Ausstattung, Rossel2), Stoff3) und Schäfer4), rekonstruierten daher aus der
uns nur fragmentarisch überkommenen Baldachin-Architektur ein Freimonument
mit zwei kleinen Rippengewölben auf sechs Bündelsäulchen (drei weiteren gleich den
drei erhaltenen) über einer Tumba mit der liegenden Gestalt Erzbischof Gerlachs und
stellten diesen Grabbau in die Vierung (Rossel und Stoff) bzw. ins nördliche Quer-
schiff der Kirche (Schäfer). Bei dieser Auffassung bleibt auch noch die zusammenfas-
sende Darstellung der älteren Meinungen im letzten Band des großen Künstlerlexikons
von Thieme-Becker1).
Diese Ergänzung als frei stehendes, baldachinbekröntes Tumbengrab ist aber in
einer Zisterzienserkirche selbst im 14. Jh. wegen der strengen diesbezüglichen Ordens-
vorschriften sehr unwahrscheinlich, seine Aufstellung im Chor der Patres (Querschiff-
und Presbyterium), besonders aber in der Vierung, liturgisch nahezu undenkbar5).
Jedoch, auch in Zisterzienserkirchen wurden schon seit dem 13. Jh. besondere Gönner
des jeweiligen Klosters (Bischöfe und in Frankreich sogar Könige) im Presbyterium
beigesetzt und erhielten dann, meistens an dessen Nordseite, monumentale Wand-
oder Nischengräber, oft mit Baldachinen6).
Ein solcher Fall scheint auch in Eberbach vorzuliegen. In Eberbachs Hauptquelle,
der Chronik von Pater Bär7), heißt es von Gerlach v. Nassau: „Zweihundert vier und
dreißig Jahre nach Adelberts Tod (des Stifters von Eberbach, J 1137) wurde die
Leiche des Erzbischofs Gerlach auf dessen ausdrückliches Verlangen in der Kirche zu
Eberbach eingesenkt und mit einem der Zeit nach prächtigen Mausoleum beehrt.“
L. Fischei1) wies schon vor Jahren auf das Nassauische Epitaphienbuch des Henrich
Dors von Altweilnau a. d. J. 1632 hin, in dem das Eberbacher Gerlachgrab als
Wandnischengrab abgebildet ist (Taf. I)8). Eine nicht erhaltene Inschrift am
oberen Rand der Tumba nennt hier Erzbischof Gerlach. Über der Zeichnung steht
in verblichener Handschrift: „Dieses Begräbnus stehet in der Kirchen in dem Closter
Erbach in dem Hohen Cohi uff der rechten Seyten des Altars...“ (Wegen einiger
an der Rückwand des Grabbaues auf der bisher unveröffentlichten Zeichnung sicht-
baren, heute verlorenen Skulpturen vermutete Fischei, daß das Hochgrab als figür-
liches „Heiliges Grab“ in Verbindung mit der Grabstätte des Erzbischofs zu ergänzen
sei, ohne diese Rekonstruktion jedoch durchzuführen)9). Auch das Epitaphienver-
zeichnis des Mainzer Domvikars Helwig von 1611—23 erwähnt das Gerlachgrab im
Presbyterium als „monumentum a sinistris in muro elevatum“ 10).
x) Über die stilgeschichtliche Einordnung der Grabplastik und des architektonischen Rahmens
sowie die Ikonographie der Wimperg-Skulpturen, die hier nicht wiederholt werden soll, vgl.
die einschläg. Literatur, insbes.: L. Fischei, Mittelrheinische Plastik des 14. Jh., 1923 S. 81ff.;
R.fH am.ann/K.Wilhelm-Kästner, Die Elisabethkirche zu Marburg u. ihre künstlerische
Nachfolge, 2. Bd. (Hamann: Die Plastik) 1929 S. 304ff., dort auch weitere Lit.; zuletzt:
Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Bd. 37 (Notnamen u. Monogrammisten) S. 239 unter
„Meister des Nass. Hochgrabs“ und S. 308 unter „Meister des Severi-Sarkophags“.
2) K. Rossel, Die Abtei Eberbach i. Rhg., in: Denkmäler aus Nassau, 3. H. (Die Kirche)
1862 S. 7 ff.
3) L. Stoff, Diplomat. Gesch. d. Abtei Eberbach i. Rhg., als Fortsetzung von Bärs Dipl. Gesch.
(vgl. Anm. 7) 1886 S. 135.
4) K. Schäfer, Die Abtei Eberbach im Ma., 1901, Textband S. 87. Schäfers Meinung und seine
Rekonstruktionsskizze übernimmt unmittelbar der neueste Inventarband: F. Luthmer, Die
Bau- u. Kunstdenkmäler des Rheingaues 1907 S. 144 ff.
6) Vgl. L. Dolberg, Die Kirchen u. Klöster der Zisterzienser nach den Angaben des „liber
usuum“, in: Studien u. Mitteilungen a. d. Benediktiner- u. Zisterzienserorden XII 1891 S. 32ff.
6) Vgl. M. Aubert, L’architecture cistercienne en France, 2. A. Paris 1947, 1. Bd. S. 329ff.,
bes. 344f.
7) P. Herrn. Bär (1742—1814), Diplomatische Geschichte der Abtei Eberbach i. Rhg., 2 Bde.
1855 u. 1858, hrsg. u. komm. v. K. Rossel (vgl. Anm. 2 u. 3).
8) Fischei 89. Es befindet sich im Staatsarchiv Wiesbaden: Abt. 130 II, A 22, Bl. 22.
9) Vgl. A. Schwarzweber, Das Hl. Grab in der dt. Bildnerei d. Ma.’s, 1940. (Eberbach wird
hier nicht aufgeführt.)
10) F. W. E. Roth, Geschichtsquellen aus Nassau, 3. Bd. 1880 S. 252. (Das „rechts“ bei Dors
blickt von dem erwähnten Altar in die Kirche, das „links“ [sinistris] bei Helwig vom Kirchen-
schiff in den Altarraum.)
Kleine Beiträgt
fassung der Zeit1). Es kann sich also nicht um die ursprüngliche Anordnung von
Architektur und Plastik handeln.
Hinter dem Maßwerk der Arkadenrahmung haben sich die freilich abgeschlagenen
Ansätze zweier Kreuzrippengewölbe erhalten. Die bisherigen Bearbeiter der Kirche
und ihrer Ausstattung, Rossel2), Stoff3) und Schäfer4), rekonstruierten daher aus der
uns nur fragmentarisch überkommenen Baldachin-Architektur ein Freimonument
mit zwei kleinen Rippengewölben auf sechs Bündelsäulchen (drei weiteren gleich den
drei erhaltenen) über einer Tumba mit der liegenden Gestalt Erzbischof Gerlachs und
stellten diesen Grabbau in die Vierung (Rossel und Stoff) bzw. ins nördliche Quer-
schiff der Kirche (Schäfer). Bei dieser Auffassung bleibt auch noch die zusammenfas-
sende Darstellung der älteren Meinungen im letzten Band des großen Künstlerlexikons
von Thieme-Becker1).
Diese Ergänzung als frei stehendes, baldachinbekröntes Tumbengrab ist aber in
einer Zisterzienserkirche selbst im 14. Jh. wegen der strengen diesbezüglichen Ordens-
vorschriften sehr unwahrscheinlich, seine Aufstellung im Chor der Patres (Querschiff-
und Presbyterium), besonders aber in der Vierung, liturgisch nahezu undenkbar5).
Jedoch, auch in Zisterzienserkirchen wurden schon seit dem 13. Jh. besondere Gönner
des jeweiligen Klosters (Bischöfe und in Frankreich sogar Könige) im Presbyterium
beigesetzt und erhielten dann, meistens an dessen Nordseite, monumentale Wand-
oder Nischengräber, oft mit Baldachinen6).
Ein solcher Fall scheint auch in Eberbach vorzuliegen. In Eberbachs Hauptquelle,
der Chronik von Pater Bär7), heißt es von Gerlach v. Nassau: „Zweihundert vier und
dreißig Jahre nach Adelberts Tod (des Stifters von Eberbach, J 1137) wurde die
Leiche des Erzbischofs Gerlach auf dessen ausdrückliches Verlangen in der Kirche zu
Eberbach eingesenkt und mit einem der Zeit nach prächtigen Mausoleum beehrt.“
L. Fischei1) wies schon vor Jahren auf das Nassauische Epitaphienbuch des Henrich
Dors von Altweilnau a. d. J. 1632 hin, in dem das Eberbacher Gerlachgrab als
Wandnischengrab abgebildet ist (Taf. I)8). Eine nicht erhaltene Inschrift am
oberen Rand der Tumba nennt hier Erzbischof Gerlach. Über der Zeichnung steht
in verblichener Handschrift: „Dieses Begräbnus stehet in der Kirchen in dem Closter
Erbach in dem Hohen Cohi uff der rechten Seyten des Altars...“ (Wegen einiger
an der Rückwand des Grabbaues auf der bisher unveröffentlichten Zeichnung sicht-
baren, heute verlorenen Skulpturen vermutete Fischei, daß das Hochgrab als figür-
liches „Heiliges Grab“ in Verbindung mit der Grabstätte des Erzbischofs zu ergänzen
sei, ohne diese Rekonstruktion jedoch durchzuführen)9). Auch das Epitaphienver-
zeichnis des Mainzer Domvikars Helwig von 1611—23 erwähnt das Gerlachgrab im
Presbyterium als „monumentum a sinistris in muro elevatum“ 10).
x) Über die stilgeschichtliche Einordnung der Grabplastik und des architektonischen Rahmens
sowie die Ikonographie der Wimperg-Skulpturen, die hier nicht wiederholt werden soll, vgl.
die einschläg. Literatur, insbes.: L. Fischei, Mittelrheinische Plastik des 14. Jh., 1923 S. 81ff.;
R.fH am.ann/K.Wilhelm-Kästner, Die Elisabethkirche zu Marburg u. ihre künstlerische
Nachfolge, 2. Bd. (Hamann: Die Plastik) 1929 S. 304ff., dort auch weitere Lit.; zuletzt:
Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Bd. 37 (Notnamen u. Monogrammisten) S. 239 unter
„Meister des Nass. Hochgrabs“ und S. 308 unter „Meister des Severi-Sarkophags“.
2) K. Rossel, Die Abtei Eberbach i. Rhg., in: Denkmäler aus Nassau, 3. H. (Die Kirche)
1862 S. 7 ff.
3) L. Stoff, Diplomat. Gesch. d. Abtei Eberbach i. Rhg., als Fortsetzung von Bärs Dipl. Gesch.
(vgl. Anm. 7) 1886 S. 135.
4) K. Schäfer, Die Abtei Eberbach im Ma., 1901, Textband S. 87. Schäfers Meinung und seine
Rekonstruktionsskizze übernimmt unmittelbar der neueste Inventarband: F. Luthmer, Die
Bau- u. Kunstdenkmäler des Rheingaues 1907 S. 144 ff.
6) Vgl. L. Dolberg, Die Kirchen u. Klöster der Zisterzienser nach den Angaben des „liber
usuum“, in: Studien u. Mitteilungen a. d. Benediktiner- u. Zisterzienserorden XII 1891 S. 32ff.
6) Vgl. M. Aubert, L’architecture cistercienne en France, 2. A. Paris 1947, 1. Bd. S. 329ff.,
bes. 344f.
7) P. Herrn. Bär (1742—1814), Diplomatische Geschichte der Abtei Eberbach i. Rhg., 2 Bde.
1855 u. 1858, hrsg. u. komm. v. K. Rossel (vgl. Anm. 2 u. 3).
8) Fischei 89. Es befindet sich im Staatsarchiv Wiesbaden: Abt. 130 II, A 22, Bl. 22.
9) Vgl. A. Schwarzweber, Das Hl. Grab in der dt. Bildnerei d. Ma.’s, 1940. (Eberbach wird
hier nicht aufgeführt.)
10) F. W. E. Roth, Geschichtsquellen aus Nassau, 3. Bd. 1880 S. 252. (Das „rechts“ bei Dors
blickt von dem erwähnten Altar in die Kirche, das „links“ [sinistris] bei Helwig vom Kirchen-
schiff in den Altarraum.)