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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 65.1954

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Gensicke, Hellmuth: Holzschüsseln aus dem Bann Montabaur
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https://doi.org/10.11588/diglit.62670#0275

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Gensicke, Holzschüsseln aus dem Bann Montabaur

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Holzschüsseln aus dem Bann Montabaur
Von Hellmuth Gensicke
Nachrichten über Gewerbe, Hausrat und Lebensweise der Landbevölkerung
unserer Heimat sind nur spärlich und gelegentlich aus dem hohen Mittelalter über-
liefert. So waren die zahlreichen Einzelangaben des „Liber annalium iurium“, einer
Aufzeichnung über die Rechte und Einkünfte des Erzbischofs von Trier, aus den
Jahren 1211/141) der Forschung besonders willkommen. Im Abschnitt über die
Rechte des Erzbischofs im Rann Humbach-Montabaur heißt es, daß dieser aus Eigen-
dorf (elchindorf) von einem Mansus, einem Rauernhof, 600 Schüsseln sowie von je
einem halben Mansus zu Horressen (orusin) und Rannberscheid (berinscheit) jeweils
300 Schüsseln zu beziehen hatte 2).
Vogel, der als erster diese Quelle auswertete, übersetzte „scutellas“ mit „irdene
Schüsseln“3). Als erster schriftlicher Beleg für die Tonindustrie des Kannenbäcker-
landes ist seitdem diese Nachricht oft und gerne angeführt worden4) — zumal hier
räumlich recht nahe seit dem Ende des 16. Jh. von einem Kunsthandwerk von hoher
Blüte das „Westerwälder Steinzeug“ gefertigt wurde5). Seit dem 15. Jh. lassen sich
im Raum um Vallendar6) und Höhr7), um Westerburg8) und zu Thalheim bei Hadamar9)
Töpfer, hier fast durchweg Euler genannt10), nachweisen. Im Bann Montabaur sind
156611) bis 159912) Euler zu Wirges bezeugt. Zwei Euler übernehmen 1625 die beiden
Ziegelhütten zu Montabaur vor der „Haanpforten“13).
In jenen drei Orten, Eigendorf, Horressen und Bannberscheid, findet sich jedoch
keine Spur von älterem Töpfergewerbe. Dazu sucht man hier vergebens unter der
Ware der Töpfer jener Zeit nach Schüsseln. Die Euler in Montabaur wollten 1625
„Ziegeln, Stein, Töpffen“ und anderes backen13). Der Euler zu Wirges liefert 1566
„Bornkrueg und Düppen“ und 1567 „Hofpötte“11). Vielleicht auch von diesem kauft
der Keller zu Montabaur 1566 „Schenckkruege“, „Pötte oder Krausen“ und ,Risch-
teller“11); der „Krügemecher“ zu Vallendar liefert 1462 nur Krüge nach Oberlahn-
stein6). Zu Thalheim werden 1462 Krüge14), 1479 „Drinckkruge“15) und 165616)
„Duppen und Krugh“ hergestellt. Von dort kamen wohl auch jene „Mylcheulen“17),
die der Keller zu Ellar 1429 kaufte18). Diese allerdings recht zufälligen Nachrichten
zeigen im wesentlichen in jener Zeit Töpfe verschiedener Art, Aufbewahrungsgefäße
für Flüssigkeiten und Trinkgefäße als Erzeugnisse dc Euler19).
x) H. Beyer, L. Ehester, A. Goerz, Mittelrheinisches Urkundenbuch II 1865 S. 391 — 428 (zur
Datierung A. Lennarz: Trierisches Archiv 28/29, 1919 S. 41). — 2) ebd. S. 424.
3) C. D. Vogel, Beschreibung d. Herzogthums Nassau (1843) S. 673 u. 675.
’) L. Beck, Nass. Ann. 35. Bd. 1905 S. 3; 1000 Jahre Montabaur 930—1930 (J930) S. 56;
E. Haas: Nass. Ann. 51 Bd. 1930 S. 25.
5) O. W. Müller, Das nass. Krug- u. Kannenbäckerland und s. Industrie, in: H. Stegmann,
Ztschr. f. d. gesamte Tonwarenindustrie (1877) S. 37f.; E. Zais, P. Richter, Die Thonindustrie
d. Kannenbäckerlandes auf dem Westerwald, in: Schriften d. Vereins f. Sozialpolitik 62. Bd.
1895; O.v. Falke, Das rheinische Steinzeug (1908); K. Koetschau, Rheinisches Steinzeug
(1924); A. Günther, Westerwälder Steinzeug (1924). Eine Geschichte des Töpfergewerbes auf
rhein. Boden im Mittelalter — ähnlich der Arbeit von E. Schirmer, Die deutsche Irdenware des
11. —15. Jh. im eng. Mitteldeutschland (1939) —- fehlt.
6) 1462 (Staatsarchiv Darmstadt Abt. I Ausw. Staaten Kurmainz Konv. 1 Rechnung d. Zoll-
Qphrpi notci '711 I Inprla nnctoin^
7) 1402 (Nass. Ann. 35. Bd. S. 3), 1434, 1497 (Staatsarch. Koblenz 701 A VII 1, 133).
8) Gemünden 1655 (Staatsarchiv Wiesbaden — künftig zitiert StAW — Abt. 339, 384); Willmen-
rod um 1690 (Pfarrarchiv Willmenrod), Gershasen „Eulners Gut“ 1597 (StAW 339 X 2). Räum-
lich etwas entfernter der mittelalterl. Töpferofen von Kirburg (Mitt. d. Vereins f. nass. Altertums-
kunde, 8. Jg. 1904/5 Sp. 58f.).
9) 1429 Euler (Staatsarchiv Marburg — zitiert StAM — Samtarchiv Nachtr. 5), Krugbäckerei
1451 (JZv. Arnoldi, Gesch. der Oranien-nass. Länder u. ihrer Regenten III 2, 1819 S. 74).
10) LehnwortJnicht Reliktwort,vom latein. aulla, olla = Topf (Th. Frings, Germania Romana
1932 S. 121).;— R.StAWjllö Kellereirechnungen. — 12) StAW 116 VIII c 1 a.
13) StadtarchJMontabaur Abt. 2 Nr. 2 f.94’. — 14) StAM Mittelalterl. Rechnungen Ellar.
15) ebdJHadamar. — 16) Stadtarch. Montabaur Abt. 4 Nr. 99.
17) lMhd. ule — Topf, ebenfalls von latein. aulla, olla entlehnt (Vgl. Anm. 10).
18) StAM]Samtarchiv Nachtr. 4.
19) Ähnlich in den hier nicht wiederholten Angaben des Schrifttums (Anm. 5) über das ältere
schmucklose Irdengeschirr des Kannenbäckerlandes.

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