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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 65.1954

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Lammert, Friedrich: Die Antike in der Heeresreform der Oranier: Gedanken zu neueren Veröffentlichungen von W. Hahlweg und G. Oestreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.62670#0278

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246

Kleine Beiträge

Herrn Prof. Dr. Emil Waschinski
zum 80. Geburtstag
Die Antike in der Heeresreform der Dränier
Gedanken zu neueren Veröffentlichungen von W. Hahlweg und G. Oestreich
Von Friedrich Lammert
Drei nah verwandte Angehörige des Hauses Nassau-Dillenburg erhoben gegen Ende
des 16. Jh. in ihren heimischen Besitzungen und in den Niederlanden ihr Heerwesen
zu einer Höhe der Leistung, daß es vorbildlich für ihre Zeit wie für die Zukunft wurde.
Die drei kannten sich von Jugend auf und wurden zu Dillenburg und in Heidelberg
zusammen erzogen1). Führend unter ihnen war zunächst Graf Wilhelm Ludwig
v. Nassau (1560 — 1620), der seinem Vater, dem Grafen Johann VI., als Statthalter
Frieslands und später in Dillenburg folgte. Sein Bruder, Graf Johann d. Mittl. v. Nassau-
Siegen (1561—1623), widmete seine Tätigkeit mehr der engeren Heimat. Er ist der
Gründer der ersten deutschen Kriegsschule in seiner Residenzstadt Siegen. Ihr jüngerer
Vetter Moritz v. Oranien (1567 — 1625), Sohn des Prinzen Wilhelm und Enkel des
Kurfürsten Moritz v. Sachsen, schon seit 1587 Statthalter und Feldherr der Nieder-
lande, überwog durch seine Stellung so, daß die Umgestaltung des Heerwesens gewöhn-
lich an seinen Namen geknüpft wird. Unter ihnen ist nur Moritz ein Dränier, jedoch
gehört auch sein jüngerer Bruder und Nachfolger Friedrich Heinrich, 1584 geboren,
noch hierher. Die Reform begann 1589. Ihre Probe bestand sie i. J. 1600 mit dem Siege
bei Neuport über die Spanier, wo die Exerzierkunst die Krise der Schlacht überwand.
Als 1618 der 30jährige Krieg ausbrach, war das neue Heerwesen bereits fast allgemein
von den anderen Staaten übernommen2).
Über den Anteil der drei Männer am Zustandekommen der Reform urteilt Hahl-
weg S. 137f.: „Die schöpferischen Kräfte — vielleicht sogar die Anregung zur Reform-
sind wohl in erster Linie bei Wilhelm Ludwig und Johann vertreten. Bei Moritz dagegen
steht die Tatkraft im Vordergrund, das einmal als richtig Erkannte auch zur prak-
tischen Durchführung zu bringen. Der Schwerpunkt von Wilhelm Ludwigs Schaffen
liegt in der Gestaltung der Elementarbewegungen aus griechischer Überlieferung.
Moritz wendet sich mehr den römischen Kriegseinrichtungen und dem Waffenaus-
bildungswesen zu. Johanns Mitwirkung ist durch seine Vorschriften zum Gebrauch
von Luntenrohr, Muskete und Spieß gekennzeichnet.“
Graf Wilhelm Ludwig und seine Verwandten legten ihren Neuerungen militärische
Schriften der Antike zugrunde, in erster Linie die Taktik des Ailianos, sodann die im
wesentlichen aus diesem und aus des Onasandros Buche vom Feldherren geschöpfte
Taktik Kaiser Leos VI. Mit Recht betont Hahlweg S. 191, daß die antiken Vorbilder
nicht theoretisch-literarisch, sondern praktisch wirken. Wie ich früher3) dargelegt
habe (vgl. Hahlweg S. 129), waren den damaligen humanistischen Feldherren die
antiken Taktiker lebendige Lehrbücher. Ging doch die Entwicklung des Kriegswesens
ihrer Zeit in vielem der antiken parallel, worüber wir in den Studien der Dränier und
ihrer Zeitgenossen oft Äußerungen lesen. Als Kenner der damaligen gelehrten Literatur
hat Graf Johann, wie Hahlweg S. 184f. zeigt, auch F. Patrizis Werk De parallel!
militari. . . (1594. 1595) herangezogen. Das letzte Werk, das die antiken Kriegs-
schriftsteller mit innerem Verständnis und mit Bezug auf das Kriegswesen der eigenen
Zeit verwertet, scheint das Buch des Professors an der Hohen Karlsschule und Lehrers
Schillers, J. J. H. Nast: Einleitung in die griech. Kriegsaltertümer (Stg. 1780) zu sein.
Später hat wohl die zunehmende Wirkung der Feuerwaffe das Verstehen der Linear-
taktik mehr und mehr in den Hintergrund treten lassen. Das Bestreben, den Inhalt

x) Vgl. Ed. Jacobs, Juliana v. Stolberg (1889); C. Dönges, Wilhelm d. Schweiger und Nassau-
Dillenburg (1909); N. Japikse, Die Dränier (1939) 104ff.
2) Vgl. W. Hahlweg, Die Heeresreform der Dränier und die Antike (1941) 136; vgl. auch Japikse
112—121. Hahlwegs Werk wurde in Nass. Ann. 61 (1950) 223f. von K. Wolf angezeigt und durch
wertvolle Einzelheiten ergänzt. Hahlweg selbst hat in Zeitschr. f. d. Gesch. des Oberrheins 98
(1951) 38—114 über entsprechende Studien des Markgrafen Georg Friedrich v. Baden gehandelt.
Der Markgraf verschaffte sich Abschriften der Abhandlungen Wilhelm Ludwigs, so daß dessen
Untersuchung über die Taktik bei Cannae uns nur in einer solchen Abschrift durch Hahlweg
bekannt ist. Auch diese wertvolle Arbeit Hahlwegs hat K. Wolf in Nass. Ann. 62 (1951) 174 be-
sprochen.
3) F. Lammert, Heinrich Rantzau u. s. Kriegsbuch, in: Nordelbingen 14 (1938) 313.
 
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