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Neutsch, Bernhard [Hrsg.]; Hafner, German [Mitarb.]
Die Welt der Griechen im Bilde der Originale der Heidelberger Universitätssammlung: Katalog der Jubiläumsausstellung zur 100-Jahr-Feier der Sammlungen des Archäologischen Instituts Heidelberg im Sommersemester 1948 — Heidelberg, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.28105#0015
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DIE GRIECHISCHE KUNSTENTWICKLUNG IM SPIEGEL
DER VASENMALEREI

Die bemalten Tongefäße, in der Fachsprache „Vasen“ genannt, spiegeln
am klarsten den Ablauf der griechischen Kunstgeschichte wider. Wir be-
nutzen sie deshalb, um dem Besucher einen kurzen chronologischen Über-
blick zu geben. Mancher mag vielleicht befremdet fragen, wieso Erzeugnissen
des Kunsthandwerks eine so wichtige Rolle zukommt. Die Griechen kannten
jedoch in der Ungebrochenheit ihres Daseins kaum den Zwiespalt zwischen
Kunst und Handwerk im modernen Sinne. Die Meister der Vasenmalerei
haben lebendigsten Anteil an dem Ringen um die künstlerische Gesamtent-
wicklung- Angesichts des Verlustes aller großen griechischen Malerei bedeu-
ten ihre Schöpfungen einen besonders köstlichen Besitz, selbst wenn uns in
vielen Fällen nur Bruchstücke erhalten blieben- Aus beigeschriebenen
Künstlersignaturen (Nr. 23) kennen wir oftmals die Namen der Vasenmaler.

Durch immer mehr verfeinerte Methoden ist es der Wissenschaft gelungen,
auf Grund der künstlerischen Handschrift auch bei nichtsignierten Gefäßen
bestimmte Künstlerpersönlichkeiten zu erschließen. Man nennt die Un-
bekannten dann gewöhnlich nach einem besonders gelungenen Bildthema,
nach dem Besitzer oder Museum.

Als Ergebnis einer geistigen Neuformung, die im Zusammenhang mit der
Einwanderung der griechischen Stämme auf der Balkanhalbinsel steht
(Dorische Wanderung um 1200 v. Chr.), gewinnt in der geometrischen Epoche
(1100—700 v. Chr.) die europäisch-griechische Kunst vor allem in Athen die
erste reife Prägung ihrer Ureigenschaften, die sich in dem klaren Aufbau
der Gefäßform, der reinen Gesetzmäßigkeit des „geometrischen“ ornamen- Abb. 2
talen und figürlichen Bildschmucks und dem harmonischen Zusammenklang
von Ornament und Gefäßkörper äußert. Gewisse „geometrische“ Elemente
treten bereits in der mykenischen Keramik (Schrank I) auf. Neu ist jedoch
die klare Ordnung und geistige Kraft, die den eigentlichen Anbeginn der
griechischen Kunstentwicklung auszeichnet. (Schrank II, oben freistehend
und Fach 1).

Die Begegnung der jungen griechischen Kultur mit der Welt der alten öst-
lichen Nachbarvölker löst die sogenannte orientalisierende Phase der grie-
chischen Kunst (7. -Jh. v. Chr.) aus, in der vegetabilisch wuchernde Orna-
mente und eine Fülle von Misch- und Fabelwesen erscheinen. Nach einem
Zustand, gärender Unruhe zeigt sich erneut ein Streben nach Klärung und
Festigung der Formen, in dem die gleichen Kräfte wirksam sind, die das
für die europäische Kunstentwicklung so bedeutsame Ereignis der großen
griechischen Plastik ausgelöst haben. Von ihrer monumentalen Gesinnung
ist besonders etwas in die plastischen Gefäßkörper der korinthischen Vasen
und in die kraftvollen Tierfriese ihres silhouettenartig „schwarzfigurigen“, Abb. is
wohlgegliederten Bildschmucks eingegangen. Das dorische Korinth führt

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