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Neutsch, Bernhard [Hrsg.]; Hafner, German [Mitarb.]
Die Welt der Griechen im Bilde der Originale der Heidelberger Universitätssammlung: Katalog der Jubiläumsausstellung zur 100-Jahr-Feier der Sammlungen des Archäologischen Instituts Heidelberg im Sommersemester 1948 — Heidelberg, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.28105#0050
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DIONYSISCHER BEREICH

Der Weingott und sein Gefolge sind auf den Trinkgefäßen naturgemäß beson-
ders häufig dargestellt, und so werden hier noch weitere Beispiele ausgebreitet,
um der Bedeutung dieser Sphäre gerecht zu werden.

Wild und triebhaft erscheint die Welt der Satyrn, ungestüme Naturkräfte
regen sich in ihnen, die dem Wein, den Nymphen und Mänaden nachjagen und
ganz aufgehen im naturhaft-hemmungslosen Dasein. Diese Bilder zeigen, daß der
Grieche seine Freude an der derben Lebensfülle hatte, daß er darin aber auch
ein göttlich-dämonisches Element zu sehen vermochte, so wie ja auch das
Satyrspiel, das jeweils auf dem Theater den Tragödien folgte, mit all seinen
Spässen und Derbheiten in den Rahmen des Dionysoskultes gehörte, dem gleicher-
weise der höchste Ernst der Tragödie gewidmet war.

Schaukasten 6

1. Hockender Satyr. Tonfigur aus Böotien. Massig wie ein Bär hockt der pferde-

hufige, rotbemaite Dämon am Boden, die Hände auf den Dickbauch gelegt.
Aus seinem Kopf mit runden Tierohren, tierischer Stumpfnase und weiß ge-
malten Schweinsäuglein spricht das Tierisch-Dämonische allein, menschliche
Züge sind darin noch kaum enthalten. Böotisch, 6. Jh. v. Chr.

2. Laufender Satyr mit Weinschlauch und Trinkhorn. Tonfigur aus Unteritalien.

Dieser pferdehufige muskelstarke Geselle, der uns im Lauf seinen masken-
haften Kopf mit Tierohren zuwendet, erscheint mit seinen gepflegten Locken
über der Stirn und dem ordentlichen Bart gegenüber dem böotischen Tier-
dämon schon viel menschlicher, gegenüber der Maske des Gottes Dionysos
selbst (Schrank V, Nr. 17) aber bleibt er der dämonisch-dumpferen Welt ver-
haftet. Unteritalisch, Ende 6. Jh. v. Chr.

3. Laufender Satyr. Innenbild einer schwarzfigurigen Schale. Ähnlich bewegt

wie die Tonfigur aus Unteritalien, eilt dieser Satyr, ein rechter Waldschrat,
wenn auch schon menschenfüßig geworden, etwa in Verfolgung einer Mänade
daher, von dem Maler wie ein Wirbel dem Bildrund der Weinschale einge-
fügt. Böotisch, 2. Hälfte des 6. Jh. v. Chr.

4. Dionysos und Satyr. Fragment einer schwarzfigurigen Schale. Die Anwesen-

heit des Gottes mäßigt das Wesen des Satyrs, der nun flöteblasend neben sei-
nem Gebieter erscheint, deutlich in seinem halbtierischen Kopf von den
edleren Formen des Gottes unterschieden und doch innerlich vereinigt mit
ihm durch das Element der Musik und die Gabe des Weinstocks, dessen Ran-
ken beide umschließen. Attisch, um 520 v. Chr.

5. Schleichender Satyr. Innenbild einer rotfigurigen Schale. Gegenüber seinen

wilderen archaischen Brüdern ist dieser Satyr späterer klassischer Zeit zu
einer geradezu anmutigen Gestalt geworden. Er schleicht behutsam einher, ent-
weder um eine schlafende Mänade zu überraschen oder um, wie es im Satyr-
spiel vorkam, dem schmausenden Helden Herakles einen schönen Kuchen
wegzustiebitzen. Attisch, 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr.

6. Satyrkopf auf Terra-Sigillata-Scherbe. Neben dem jugendlich lustigen Bild

des Satyrs in der Spätzeit (Schrank V, Nr. 28) steht immer noch ein tiefer
naturhaft-geheimnisvolles, wie hier in dem Kopf, der wie ein Stück der pflanz-
lichen Natur selber unter dem Efeukranz hervorschaut. Ihn trennt von sei-
nem archaischen Gefährten (2) etwa die gleiche Zeitspanne und der gleiche
Wesensunterschied wie den späten Dionysos von der archaischen Maske
(Schrank V, Nr. 18 u. 17). Römisch, 1. Jh. n. Chr.

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