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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 17.1914

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Weiss, Egon: Zu den Milesischen Inschriften aus dem Delphinion
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https://doi.org/10.11588/diglit.33679#0342
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Zu den Milesischen Inschriften aus dem Delphinion.

Die von Kawerau und Rehm jüngst heraus-
gegebenen Inschriften vom Delphinion zu Milet*),
die uns eine Fülle von Nachrichten über die Ver-
hältnisse dieser Stadt im dritten Jahrhundert v. Chr.
bringen, enthalten auch wichtige Urkunden zur
griechischen Wirtschafts- und Rechtsgeschichte.
Neben der bereits früher abgesondert veröffentlichten
Inschrift über die Schulstiftung des Eudemos*) ragt
in dieser Beziehung die von den Herausgebern als
„Anleihe bei Bürgern Milets" bezeichnete Urkunde
n. 47 (205/204 v. Chr.) hervor^) und so darf eine
Darlegung des Inhaltes und der Tragweite unserer
Inschrift ein gewisses Interesse beanspruchen. An-
hangsweise soll dann das Urkundenbruchstück 53 g,
das bereits teilweise die Aufmerksamkeit der Histo-
riker erregt hat*), besprochen werden.
Die zunächst genannte Urkunde n. 147 besteht
aus zwei A^olksbeschlüssen und einer Namensliste.
Die beiden ersteren nun beziehen sich auf eine An-
leihe, welche die Stadt Milet in einer der zahlreichen
Finanzkrisen der griechischen Staaten ^) bei ihren
Bürgern aufnahm. Das Charakteristische ist indes,
daß nicht etwa, wie anderwärts 6), Rückzahlung des
Kapitals versprochen, sondern Zahlung einer jähr-

lichen Rente in Aussicht gestellt wird: statt 3600
Drachmen Einzahlung erhält man auf Lebenszeit
30 Drachmen monatlich und außerdem ein Sterbe-
geld von 150 Drachmen, während im übrigen nach
dem Tode die Stadt von der verliehenen (Z. 4p:
δοθέντος . . . σιτηρεσίου) Rente selbst betreffs der
schon angewiesenen Beträge frei wird. Als Anlaß
dazu wird angegeben Z. 7 γεγενημένης έπί πλείονκ
ετη χκτά τήγ χώρκν άφορίκς, also andauernder Miß-
wachs, der die Stadt so weit gebracht habe, daß sonst
entweder eine εισφορά (direkteSteuer)'*) auszuschreiben
gewesen, oder eine Verkürzung der Gehaltsempfänger
(Z. 5 τώμ μισθοφόρων άφκφέσεως) unausweichlich ge-
worden wäre. Denn die milesischen Beamten erhalten
Bezahlung, so hören wir anderwärts vom Sold der
LehrerS) und vom νόμος πκίδονομίχός^), die ihre
Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt ver-
möge des Charakters des griechischen Gesetzes als
Instruktion nur für die Beamten***) der Regel nach
sicherstellt. Banktechnisch ist die Durchführung der-
art gedacht, daß sich die zukünftigen Rentner bis
8. des laufenden Monats Πυκνεψίών (etwa Mai)**) beim
Ratsschreiber (6πογρκμμκτεΰς της βουλής)**) anzu-
melden (genauer sich einzuschreiben) haben, in dem

*) Das Delphinion in Milet von Georg Kawerau
und Albert Rehm, unter Mitwirkung von Friedrich
Freiherrn Hiller von Gaertringen, Mark Lidzbarski,
Theodor Wiegand, Erich Ziebarth, Berlin, Reimer
1914.
*) Ziebarth, Aus dem griechischen Schulwesen,
I. Aufl. 1909, 2. Aufl. 1914; Laum, Stiftungen 1, 105.
3) Literatur: Wilamowitz, Göttinger Gelehrte An-
zeigen 1914 S.103.
*) Kern, Hermes 50 S. 155; Inhaltsangabe bei
Weiß, Z. S. der Savignv-St., Romanistische Ab-
teilung 35 (19:4) S.333.
3) Büchsenschütz, Besitz und Erwerb im griechi-
schen Altertum S. 494 ff.; Riezler, Finanzen 56;
Wachsmuth, Rheinisches Museum 40 (1885) S. 288 ff.;
Szanto, Wiener Studien 7 S. 232 ff.
6) Zusammengestellt im Dictionnaire des anti-
quit6s grecques et romaines IV, 1, 705 n. 30.
') Z. B. Riezler a. a. O. 66—68; Francotte,

64 ff. (Außerordentliche Abgabe).
3) Eudemosinschrift (oben Anm. 2) Z. 50 τετκχθκί
δέ μισθόν τώμ μεν πκίδοτρψών έχάστωί δρκχμάς
τρίάχοντκ, zum Inhalt Ziebarth a. a. 0. 17.
3) Eudemosinschrift Z. 53 τά δέ χκτά τάς επι-
δείξεις κυτών χκΐ τά κ[λ]λκ συντελεΐσθκη χκτά τόν
πκίδονομίχόν νόμον, χ. τ. λ. Ziebarth a. a. Ο.
*3) Hermann-Swoboda, Griech. Staatsaltertümer
71, Anm. 3.
**) Der Πυκνεψίών oder Κυκνεψίών (wegen der-
artiger euphemistischer Änderungen, ähnlich Phygela
für Pygela n. 142 der Sammlung, vgl. AVilamowitz, a.
a. O. 90) ist der zweite Monat des Jahres (Hasluck,
Cyzicus 252, vgl. auch die Kalendertafel 231 und die
Bemerkungen von Rehm dasselbst), während anderer-
seits der Jahresanfang in Milet noch vor dem Jahre
288 v. Chr. auf den 21. März verlegt wurde. Rehm
a. a. 0. 237 ff., Anm. 6—8, S. 8.
**) Zu seinem Tätigkeitskreise gehörtauch die Ver-
lesung von Anträgen in der Volksversammlung Z. 25.

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