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DIE AGYPTISCHE PFLANZENSAULE DER SPATZEIT
plastisclien Ornamentierung von den wirklichen Sàulen erst auf âhnliche Formen, wie
hier auf die Pilgerflaschem ùbertragen wordenist. Daraus geht wieder hervor, dass die
Ptolemâersâulen, d. h. die Sâulen mit aussculpiertem Kapitellschmuck und herunter
gerùckten Halsbândern, vor Entstehung der in Frage stehenden Flaschen, also minde-
stens bereits in der saïtischen Zeit ùblich waren.
Aus der Zeit zwischen der XXVI. Dynastie und der Lagidenherrschaft sind uns
mit Ausnahme der bereits erwâhnten Nektanebos-Halle auf Philse keine Bauten
erhalten, die uns ùber die Frage der Entstehung des Ptolemâerkapitells Aufschluss
geben kônnten, ausser dem Tempel in der grossen Oase zu El-Kargeh1, der unter der
Regierung des Darius Hystaspes errichtet wurde. Dies Bauwerk ist um so interessanter,
als es eine Art Provinzialkunst reprâsentiert, die noch nicht auf der Hôhe der zeitgenôssi-
schen Kunst stand, im Allgemeinen mit rohen unvollendeten Formen2 arbeitet, aber
doch bereits in einigen Sâulen die Neuerung der plastischen Durchbildung des Kapitells
anwendet. Welche Art von Kapitell gemeint sei, ist schwer zu entscheiden; doch wohl
Papyrusdoldenkapitelle, nach dem Umriss zu oirteilen. Der Tempel ist nie ganz
vollendet worden, uncl namentlich sind die Sâulen nur oberflâchlich bearbeitet und die
Kapitelle nur nach einer Seite sorgfâltiger ausgefùhrt3; immerhin ist aber nicht zu
verkennen, dass der Versuch gemacht wurde, die Kapitelle plastisch zu behandeln, und
somit dem Princip nach hier bereits « Ptolemâersâulen » vorliegen4.
Mit ziemlicher Sicherheit lassen sich also die Neuerungen, die das Ptolemâer-
kapitell im Gegensatze zu den âlteren Sâulenformen aufweist, bis in die Zeit der
XXVI. Dynastie zuriick verfolgen; dieser Période haben wir demnach auch die Er-
findung oder vielmehr Ausgestaltung der sogenannten Ptolemâersâule zuzuschreiben.
Dass eine fruhere Epoche fur dièse Errungenschaft der Architektur nicht in Frage
kommen kann; wird ohne weiteres klar, wenn wir auch nur flûchtig die Geschichte
der vorhergehenden Dynastien, von der Ramessidenzeit an, durchlaufen und uns deren
kûnstlerisches Leben und Bestreben vor Augen fùhren5. Von grôsseren Bauten, durch
die ùberhaupt erst die Môglichkeit gegeben wâre fur die Entstehung eines neuen Stils,
hôren wir aus dieser Zeit wenig oder garnichts ; erst der unmittelbare Vorgânger der
Psammetiche, Taharka, scheint wieder eine umfangreichere Bauthâtigkeit entfaltet zu
haben, clie jedoch mit derjenigen der XXVI. Dynastie in keiner Weise verglichen
werden kann.
Durch die eingehende Betrachtung und Analysierung der Ptolemâersâulen haben
wir, um die Ergebniss kurz zusammen zufassen, zunâchst die Uberzeugung gewonnen,
dass die Ptolemâerzeit, auch nach dieser Seite hin durchaus âgyptisch, in keiner
Weise von aussen beeinflusst, die Sâulenformen, die sich aus rein âgyptischen
Motiven entwickelt hatten, in derselben Art weiter bildete, und auch im weiteren
1. Cailliaud, Voyage à l'oasis de Thèbes, Taf. XVII ff. ; Hoskins, Visit to the great oasis, 14 ff.
2. Brugsch, Reise nach der grossen Oase el-Kargeh, p. 16.
3. Brugsch, a. a. O., p. 16.
4. Kugler, Geschichte der Baukunst, I, p. 58.
5. Wiedemann, ^gypt. Geschichte, p. 527 ff., p. 595 f. ; Kugler, a. a. O., p. 51 f.
DIE AGYPTISCHE PFLANZENSAULE DER SPATZEIT
plastisclien Ornamentierung von den wirklichen Sàulen erst auf âhnliche Formen, wie
hier auf die Pilgerflaschem ùbertragen wordenist. Daraus geht wieder hervor, dass die
Ptolemâersâulen, d. h. die Sâulen mit aussculpiertem Kapitellschmuck und herunter
gerùckten Halsbândern, vor Entstehung der in Frage stehenden Flaschen, also minde-
stens bereits in der saïtischen Zeit ùblich waren.
Aus der Zeit zwischen der XXVI. Dynastie und der Lagidenherrschaft sind uns
mit Ausnahme der bereits erwâhnten Nektanebos-Halle auf Philse keine Bauten
erhalten, die uns ùber die Frage der Entstehung des Ptolemâerkapitells Aufschluss
geben kônnten, ausser dem Tempel in der grossen Oase zu El-Kargeh1, der unter der
Regierung des Darius Hystaspes errichtet wurde. Dies Bauwerk ist um so interessanter,
als es eine Art Provinzialkunst reprâsentiert, die noch nicht auf der Hôhe der zeitgenôssi-
schen Kunst stand, im Allgemeinen mit rohen unvollendeten Formen2 arbeitet, aber
doch bereits in einigen Sâulen die Neuerung der plastischen Durchbildung des Kapitells
anwendet. Welche Art von Kapitell gemeint sei, ist schwer zu entscheiden; doch wohl
Papyrusdoldenkapitelle, nach dem Umriss zu oirteilen. Der Tempel ist nie ganz
vollendet worden, uncl namentlich sind die Sâulen nur oberflâchlich bearbeitet und die
Kapitelle nur nach einer Seite sorgfâltiger ausgefùhrt3; immerhin ist aber nicht zu
verkennen, dass der Versuch gemacht wurde, die Kapitelle plastisch zu behandeln, und
somit dem Princip nach hier bereits « Ptolemâersâulen » vorliegen4.
Mit ziemlicher Sicherheit lassen sich also die Neuerungen, die das Ptolemâer-
kapitell im Gegensatze zu den âlteren Sâulenformen aufweist, bis in die Zeit der
XXVI. Dynastie zuriick verfolgen; dieser Période haben wir demnach auch die Er-
findung oder vielmehr Ausgestaltung der sogenannten Ptolemâersâule zuzuschreiben.
Dass eine fruhere Epoche fur dièse Errungenschaft der Architektur nicht in Frage
kommen kann; wird ohne weiteres klar, wenn wir auch nur flûchtig die Geschichte
der vorhergehenden Dynastien, von der Ramessidenzeit an, durchlaufen und uns deren
kûnstlerisches Leben und Bestreben vor Augen fùhren5. Von grôsseren Bauten, durch
die ùberhaupt erst die Môglichkeit gegeben wâre fur die Entstehung eines neuen Stils,
hôren wir aus dieser Zeit wenig oder garnichts ; erst der unmittelbare Vorgânger der
Psammetiche, Taharka, scheint wieder eine umfangreichere Bauthâtigkeit entfaltet zu
haben, clie jedoch mit derjenigen der XXVI. Dynastie in keiner Weise verglichen
werden kann.
Durch die eingehende Betrachtung und Analysierung der Ptolemâersâulen haben
wir, um die Ergebniss kurz zusammen zufassen, zunâchst die Uberzeugung gewonnen,
dass die Ptolemâerzeit, auch nach dieser Seite hin durchaus âgyptisch, in keiner
Weise von aussen beeinflusst, die Sâulenformen, die sich aus rein âgyptischen
Motiven entwickelt hatten, in derselben Art weiter bildete, und auch im weiteren
1. Cailliaud, Voyage à l'oasis de Thèbes, Taf. XVII ff. ; Hoskins, Visit to the great oasis, 14 ff.
2. Brugsch, Reise nach der grossen Oase el-Kargeh, p. 16.
3. Brugsch, a. a. O., p. 16.
4. Kugler, Geschichte der Baukunst, I, p. 58.
5. Wiedemann, ^gypt. Geschichte, p. 527 ff., p. 595 f. ; Kugler, a. a. O., p. 51 f.