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Sauer, Joseph
Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters: mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis Sicardus und Durandus — Freiburg. i.Br., 1924

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8576#0072

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38

Begriff und Entwicklung der Symbolik.

Drittes Kapitel.

Litteratur über die mittelalterliche Symbolik des Kirchengebäudes.
Grundsätze für deren Behandlung.

Mit dem 14. Jahrhundert ist der Beginn einer neuen Epoche
in der Geschichte der Menschheit anzusetzen; die fest geschlossene
Einheitlichkeit der mittelalterlichen Weltanschauung wurde ernst-
lich bedroht durch das Streben nach Selbständigkeit im Denken
und Empfinden. Damit war aber auch die symbolisch-allegorische
Richtung, unter deren Gesetz die mittelalterliche Theologie und
religiöse Ausbildung stand, unhaltbar geworden; denn symbolisches
Denken ist nichts anderes als konventionelles Denken. Wo aber
das Individuum sich nicht mehr so streng an die Tradition ge-
bunden fühlt und anfängt, eigene Wege in der Auffassung und
Beurteilung der Natur und Übernatur einzuschlagen, da werden
die alten konventionellen Formen bald nicht mehr beachtet oder
verstanden. Aufserte sich die neue Richtung zunächst weniger in
gegnerischem, reaktionärem Sinne gegenüber der mittelalterlichen
Gedankenwelt, als vielmehr in einer bemerkenswerten Unfrucht-
barkeit für symbolisch-allegorische Schöpfungen, so dafs die näch-
sten zwei Jahrhunderte nur noch jene alten Werke zu reprodu-
zieren verstanden, so trug das immer weiter vordringende Studium
der alten Sprachen und gleichzeitig der positiven Wissenschaften
(Geschichte und Naturwissenschaft) ganz wesentlich dazu bei, das
Naive, Irrige und Entstellte, auf dem vielfach die schönsten Deu-
tungen aufgebaut waren, blofszustellen und aadurch auch die ganze
Symbolik zu diskreditieren und das Interesse überhaupt für ihre
Werke erkalten und das Verständnis dafür auf lange Zeit hinaus
der ganzen Menschheit verloren gehen zu lassen." Als im 17. und
18. Jahrhundert die Benediktiner sich wieder um die so nieder
bewerteten Kunstwerke des Mittelalters bekümmerten, da geschah
es freilich ganz im Geiste jener Zeit, vom kritisch-historischen
Standpunkte aus. Der Faden aber, der von diesen Kunstwerken
zu ihrer Wurzel hätte führen können, zu den liturgisch-symboli-
schen Werken des Mittelalters, war längst gerissen. Man sehe
nur, in welch verständnisloser Weise ein Mann von der Bedeutung
und dem Scharfblick eines Montfaucon die alttestamentlichen
Figuren an den Portalen zu St-Denis und Chartres für Merowinger-
könige ansah, für deren tiefere Bedeutung ihm lso gänzlich das
 
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