Bestandteile d. Gotteshauses in mittelalterl.-symbol. Auffassung. Fortsetz. 123
in dem viel genannten Kapitel des 14. Buches der Raban-
schen Schrift ,De universo', und sind aus dem ,Formelbuch' des
Eucherius und dem ,Schlüssel' Melitos oft unverändert über-
nommen. Manche, wie die vom fundamentum, von der Höhe,
Länge und Breite der Mauern, vom Pflaster u. a., sind in den
weiter oben erwähnten, von Mason Neale publizierten Versen;
verschiedene, wie die vom Fundament, von den vier Wänden u. a.,
auch von Innocenz III.1 verwertet. Ivo von Chartres 2 nennt
als Fundament der Kirche Gottes den Glauben, als ihre Wände
das zweifache, eng verbundene Gebot der Liebe, als ihre Höhe die
Hoffnung auf eine glückliche Ewigkeit. Eine eingehende tropo-
logische Schilderung des Gotteshauses, in manchem mit der bei
Durandus zusammentreffend, giebt auch Hugo von St. Victor3,
dem als Fundament Christus, als Wände die Betrachtung der
himmlischen Güter gelten, durch welche der mystische Gottesbau,
durch sein Fundament von allen irdischen Neigungen getrennt,
Gott nur um so fester anhaftet. Das Dach ist die vita activa;
die Länge des Baues der Glaube, die Höhe die Hoffnung, die
Breite die Liebe, die Fenster die geistigen Sinne. Im einzelnen
war aber gerade bei dieser mystisch-tropologischen Interpretations-
weise dem Subjektivismus viel weiterer Spielraum gelassen als
bei der rein symbolischen, deren Traditionen sich viel stereotyper
fortererbten.
Viertes Kapitel.
Wesentliche Bestandteile des Gotteshauses in mittelalterlich -
symbolischer Auffassung. Fortsetzung.
Dem frühchristlichen und mittelalterlichen Menschen stellte sich
das Kirchengebäude nicht m derselben nackten und kahlen „Frei-
heit" dar, die man in unserer Zeit überall für alte Bauten her-
gestellt hat und zum Teil noch anstrebt. Vielmehr beherrschte
jene Verkörperung der christlichen Wahrheit einen ganzen, grofsen
Komplex von andern Gebäulichkeiten, deren jede für sich einen
andern Gedanken dieser Wahrheit zum Ausdruck zu bringen be-
stimmt war. Das ganze soziale und charitative Wirken der Kirche
war in diesen Gebäudemassen für Arme, Waisen, Kinder, Alters-
1 Sermo de Comm. apost. (Migne CCXVII, 603).
2 Sermo 1 (Migne CLXII, 505 sqq.).
3 Sermo 3 (Opp. II, 318), und De claustro animae 3, 23 (Opp. II, 67).
in dem viel genannten Kapitel des 14. Buches der Raban-
schen Schrift ,De universo', und sind aus dem ,Formelbuch' des
Eucherius und dem ,Schlüssel' Melitos oft unverändert über-
nommen. Manche, wie die vom fundamentum, von der Höhe,
Länge und Breite der Mauern, vom Pflaster u. a., sind in den
weiter oben erwähnten, von Mason Neale publizierten Versen;
verschiedene, wie die vom Fundament, von den vier Wänden u. a.,
auch von Innocenz III.1 verwertet. Ivo von Chartres 2 nennt
als Fundament der Kirche Gottes den Glauben, als ihre Wände
das zweifache, eng verbundene Gebot der Liebe, als ihre Höhe die
Hoffnung auf eine glückliche Ewigkeit. Eine eingehende tropo-
logische Schilderung des Gotteshauses, in manchem mit der bei
Durandus zusammentreffend, giebt auch Hugo von St. Victor3,
dem als Fundament Christus, als Wände die Betrachtung der
himmlischen Güter gelten, durch welche der mystische Gottesbau,
durch sein Fundament von allen irdischen Neigungen getrennt,
Gott nur um so fester anhaftet. Das Dach ist die vita activa;
die Länge des Baues der Glaube, die Höhe die Hoffnung, die
Breite die Liebe, die Fenster die geistigen Sinne. Im einzelnen
war aber gerade bei dieser mystisch-tropologischen Interpretations-
weise dem Subjektivismus viel weiterer Spielraum gelassen als
bei der rein symbolischen, deren Traditionen sich viel stereotyper
fortererbten.
Viertes Kapitel.
Wesentliche Bestandteile des Gotteshauses in mittelalterlich -
symbolischer Auffassung. Fortsetzung.
Dem frühchristlichen und mittelalterlichen Menschen stellte sich
das Kirchengebäude nicht m derselben nackten und kahlen „Frei-
heit" dar, die man in unserer Zeit überall für alte Bauten her-
gestellt hat und zum Teil noch anstrebt. Vielmehr beherrschte
jene Verkörperung der christlichen Wahrheit einen ganzen, grofsen
Komplex von andern Gebäulichkeiten, deren jede für sich einen
andern Gedanken dieser Wahrheit zum Ausdruck zu bringen be-
stimmt war. Das ganze soziale und charitative Wirken der Kirche
war in diesen Gebäudemassen für Arme, Waisen, Kinder, Alters-
1 Sermo de Comm. apost. (Migne CCXVII, 603).
2 Sermo 1 (Migne CLXII, 505 sqq.).
3 Sermo 3 (Opp. II, 318), und De claustro animae 3, 23 (Opp. II, 67).