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KAISERCHRONIK EINES REGENSBURGER GEISTLICHEN.

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hardi annahm, mehr als ein Jahrzehnt später. Die Kaiserchronik würde ja den an-
sprucli, ein deutsches ge schichtsbuch bis auf die jüngste Vergangenheit herab zu sein,
schon bei ihrem ersten hervortreten längst verwirkt gehabt haben, wenn sie nichts zu
erzählen wusste von dem neuen kaiser Friedrich, von dessen Römerzug, von Heinrich
& dem löioen und von der Wiedereinsetzung der Welfen in Baiern, von dem böhmischen
königtum und andern dingen. Gab es aber zur zeit der herausgabe des Werkes noch
nicht viel mehr zu berichten als den kläglichen verlauf des zweiten kreuzzugs, so mochte
ein her aus g eher hier gern schioeigen, und den ersten lesern konnte im jahre 1150 oder
1151 der abgerissene Schluss wie ein vielsagender gedankenstrich erscheinen, der durch
io die frische erinnerung hinlänglich erläutert wurde.

Nur eine vorsichtige anmerkung soll die Vermutung zu v. 15747 sein, die ich liier
nachtrage. Die chronik berichtet, gewis in anlehnung an eine sage, dass dem streben
der fürsten, den kranken und regierungsunfähigen Konrad I. abzusetzen, der Bischof
von Wirzburg erfolgreich entgegengetreten sei, und sie nennt diesen bischof Gebehart.
15 Ein Gebhard aber kommt in der Wirzburger bischofsreihe1 nicht vor der mitte des
12. jhs. vor, wo graf Gebhard von Henneberg als nachfolger des bischofs Siegfried
Cf 16. Sept. 1150) gewählt wird. Sollte etwa der chronist, der mit namengeben schnell
fertig ist, den namenlosen bischof der sage nach seinem (bis 1159J im amt befindlichen,
vielleicht neu gewählten, nachfolger getauft haben?

20 5. Die heimat der Compilation.

Als Joseph Diemer vor mehr als AD jahren die kostbare Vorauer hs. in der Steier-
mark fand und einige zeit darauf das noch ältere Liemberger fragment aus Kärnten
kennen lernte, befestigte sich ihm die Überzeugung, dass ‘der erste Verfasser der Kaiser-
chronik’ ein Österreicher gewesen sei2. Er trat damit der herkömmlichen ansicht,
25 loelche, verführt durch rheinische sprachformen der Heidelberger hs. und die nahen
Beziehungen zum Annoliede, die heimat der chronik an den Rhein verlegte, mit fug
entgegen. An diesem Vorurteil, das durch eine gewisse spürsucht nach niederrheinischer
poesie — bei Oscar Schade drängte dieselbe die gewichtigsten gegengründe bei seite —
genährt wurde, hielt auch noch Massmann fest, der als entstehungsort des Werkes be-
30 stimmter Trier bezeichnete (III, s. 290—295f, gestützt auf ein par stellen, deren Bedeutung
für das ganze schon darum eine geringere sein müsste, weil sie sämmtlich der ersten
hälfte (K1, wie wir kurzweg den grossem ersten teil bis 10633 bezeichnen roollen) an-
gehören. Die besondere rolle, welche Trier in der geschichte Jxdius Caesars spielt
(v. 39b ff., v. 653ff.), tvar durch rheinische quellen, deren eine hier im Annolied zu
35 tage liegt, wenigstens vorbereitet. Ebenso wird nur eine verbreitete tradition wieder -
gegeben, ivenn als die heimat der Helena Trier genannt (v. 761 Oj und die reliquien-
stiftung erwähnt wird, tvelche sie dieser stadt zugeioandt haben soll ("10387 ff.). Es
bleibt somit nur die eigentümliche dar Stellung der Lucretia-fab el v. 4305—4834; Colla-
tinus, der günstting des Tarquinius, ist wegen eines totschlags aus ‘Trier’ vertrieben
4o nach Rom gelangt, von da aus verkehrt er viel in Viterbo (Biternef, und die ‘Trierer’
bestechen die einwohner dieser stadt, ihm nach dem leben zu stellen. Dass hier Trier
und die Trierer, die den edelen Jielden gern aus dem wege räumen möchten, ‘mit liebe
hervor geh oben’ seien, wird niemand Massmann nachsprechen. Schon Scherer3 hat an-
gedetdet, dass die grundlage dieser darstellung eine italienische novelle in lateinischer
45 spräche gewesen sei, und ich kann die naheliegende Vermutung nicht unterdrücken,
dass in dieser quelle nicht Trier (Treveris), sondern ein ähnlich klingender ort, sei es
Trevi (Treviae), Tibur oder ein anderer genannt war, der Rom und Viterbo etwas
näher liegt als das unsinnig weite Trier.

1) S. MG. SS. XIII, s. 339 und die dort verzeichnete litteratur. 2) Wiener sitzungs-
50 berichte, pliil.-hist. classe VI (1851j, s. 322.. 3) Ebenda LX1V ("1870;, s. 343.
 
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