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KAISERCHRONIK EINES REGENSBURGER GEISTLICHEN.

geschichtschreibung wenig sinn hatte. Das passt sehr gut für Regensburg, das zwar
im aus gang des 11. jhs. noch jene reiclisannalen entstehn sah, von denen neuer-
dings ein kostbares fragment zu tage gekommen ist1, im 12. jh. aber für werke wie
die Visio Tnugdali und die lügenhafte Translatio sancti Dionysii ein günstigerer
boden tuar als für die eigentliche geschichtschreibung2. In der deutschen geschichte
der Kehr, ist in unverhältnismässiger ausdehnung, mit sichtbarer Vorliebe und unter
einfiechtang reichen sagenhaften details die geschichte Karls des grossen behandelt
(v. 14310 — 15091). Regensburg aber ist eine der hauptpfiegestätten der Karlssage: aus
der Verehrung für den grossen kaiser ist hier die bearbeitung des französischen Rolands-
liedes entsprungen. Zu den beziehungen dieses Werkes zum orte seiner entstehung, die
ich früher3 beigebracht habe, trage ich hier nach, dass der pfaffe Konrad seiner bear-
beitung die erwähnung des hl. Laurentius (218, 27 ff.) und die andeutung über den
hl. Egidius fl08; 9 ff.) eingeschaltet hat, also zwei heilige, die auch in der Kehr, auf-
treten, deren Verehrung in und um Regensburg wir nachweisen konnten. Die fort-
dauer dieses Karlscultus beiveist aus dem 14. jh. das umfangreiche, durch und durch
fcibtdose gedieht von Karl d. gr. und den Regensburger Schottenmönchen 4. Ein inter-
essantes Zeugnis für die Verehrung des kaisers aus früherer zeit ist die neuerdings
bekannt gewordene Vorrede des abts Ramwold von S. Emmeram ("975 — 1000J zu einer
hs. des sogen, homiliars des Paidus Diaconus5. Aus derselben zeit aber besitzen wir
einen Regensburger bücherkatalog6, der nicht nur als nr. 491 die Gesta Karoli, son-
dern auch hintereinander als nr. 376. 377 libri II sancti Silvestri, nr. 378 über I
Clementis enthält: das könnten sehr ivohl dieselben hss. sein, tcelche den beiden aus-
führlichsten abschnitten unserer Kehr., dem von Silvester (v. 7806—10618J und dem von
Faustinian (v. 1219—4100^ als quelle gedient haben. Unter den von de La gar de'1 ver-
zeichneten fünf Münchener hss., welche die lateinischen Recognitiones Clementis enthalten,
stammt clm. 14253 saec. X. aus S. Emmeram, dm. 18201 sctec. XV. ist von einem Regens-
burger domherrn nach Tegernsee gestiftet. Es bleibt einer spätem Untersuchung Vor-
behalten, ob nicht noch einige andere alte S. Emmeramer Codices der Münchener bi-
bliotliek der Kaiserchronik quellenmaterial geboten haben", ich nenne als solche einstweilen8
dm. 14418 (Em. E. 41) saec. IX. ein Passionale, in ivelchem sich u. a. die Passiones
SS. Sixti, Felicissimi et Agapiti, S. Laurentii, S. Hippolyti hinter einander und kurz
davor Passio S. Mauritii et sociorum eins befinden; ferner clm. 14364 saec. IX. (Em.
D. 89) mit der Passio S. Viti, clm. 14540 (Em. G. 43J saec. VIII. IX. mit den Actus
S. Silvestri episc. urbis Romae (fassung des Mombritius) und den Gesta SS. VII dor-
mientium qui in Epheso dormiunt. Das interesse für Karl cl. gr. bezeugen aus später
zeit noch clm. 14279 (Em. D. 4) und clm. 14617 (Em. G. 1) beide saec. AI7.

0. Der dichter und die Zusammensetzung seines Werkes.

Wir haben in der Kaiserchronik nicht nur bairische localinteressen und den
einfiuss der bairischen localsage gefunden, sondern zuletzt auch noch angedeutet, wie
sich die litt er arischen Interessen der Regensburger geistlichkeit und ihrer gönner in
dem werke wiederzuspiegeln scheinen. Dieser Zusammenhang lässt sich noch iveiter
verfolgen. Schon 1847 hat K. Roth in seiner ausgabe des Annoliedes nachdrücklich

1) Annalium Ratisbonensiurn maiorum fragmentum SS. XIII, s. 48 — 49. 2) Die ziemlich

unbedeutenden denkmäler der Regensburger annalistik sind SS. X Vif s. 571 — 590 gedruckt; dazu
ein naclitrag SS. XIII, s. 47 /. und ebenda s. 359 eine Series episcoporum Ratisponensium.

3) Zeitschr. f. d. alt. XXVII, s. 70 — 80. 4) Besprochen von Bächtold, Deutsche handschriften

aus dem brit. museum (Schaffhausen 1873J s. 3 — 71. 5) Neues Archiv X, s. 389 /. 6) SS.

XVII, s. 567 — 568; Becker, Catalogi bibliothecarum antiqui (Bonnae 18841 nr- 42. 7) De

Lagarde, Clementina (Leipzig 1865J s. 23 ff.; jetzt Mitteilungen (Göttingen 1884J s. 49/. 8) Nach

dem Catal. codd. lat. bibl. reg. Monac. tom. II, pars II, p. 169. 162, 189.

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