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— Ausgrabungen in Sendschirli, 4: Berlin: Druck und Verlag von Georg Reimer, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.49438#0113
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Bildwerke von Hilani III.

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Schwanz, so daß jede Sphinx zwei Schwänze und zwei rechte Hinterbeine hat, eins in der
Ansicht von der Seite und eins von hinten. Das ist nicht ohne Analogie auch in Assyrien,
legt aber die Vermutung nahe, daß hier in Vorderasien die bildende Kunst ihren Ausgang nicht,

wie anderswo, von der Rundskulptur,
sondern vom Relief genommen hat.
Mit besonderer Sorgfalt sind die
Köpfe der Sphinxe behandelt. Die
Augen sind leer und vielleicht ursprüng-
lich durch eingelegte andere Steine
gebildet gewesen. Die Gesichter haben
etwas Weiches, fast Weichliches; Mund
und Nasen sind klein, aber über die
Augen wölben sich breite und lange
Brauen. Die Ohren sind etwas schema-
tisch behandelt, besonders ist das Fehlen
der crura auffallend. Das'- kurze und
breite Läppchen ist mit vier neben-
einander liegenden dünnen Ringen ge-
schmückt. Das außerordentlich reiche
Haar wirkt fast wie eine Lockenperücke,
etwa in dem Stile, den wir heute von


Abb. 250. Doppelspbinx-Basis von Hilani III. Dolerit, Ansicht von hinten. Vergl.
Taf. LVI. Etwa y15 d. w. Gr. Original in Konstantinopel, v. Luschan phot. 1894.

den englischen Richtern kennen; auf
dem Scheitel liegt es in dichten Wellen (vgl. auch Abb. 251); vor dem Ohre reicht eine
sehr breite, gewellte, unten in eine Spirale ausgehende Locke bis an die Schlüsselbeine; sonst
reichen ringsum zwei Reihen von Locken bis in die Schultergegend.

Die beiden nebeneinander stehenden Sphinxe bilden
mit ihren breit behandelten Flügeln eine nach hinten zu
etwas erhöhte Fläche, auf der nun ein niedriges trommel-
förmiges „Kissen“ aufruht, das als eigentliche Unterlage für
die Holzsäule natürlich nach oben eine wagerechte Fläche
haben muß und demgemäß vorn wesentlich höher ist als
hinten. Die ganze Mantelfläche, also alles, was von diesem
„Kissen“ ursprünglich frei sichtbar war, ist mit hundert
senkrecht nebeneinander gestellten Phallen bedeckt — auch
wohl als Symbol der Kraft, mit der die hohen und mächtigen
Säulen das gewaltige Gebälk des Daches der Vorhalle
trugen. Es ist kulturhistorisch nicht ohne Interesse, daß
die Phalli beschnitten dargestellt sind, also einen monumen-
talen Beweis für das Bestehen der Beschneidung im 8. vorchr.
Jahrh. liefern. Außerdem erleichterte diese Art der
Darstellung den Arbeitern und Aufsehern gegenüber die
Fiction, daß Finger, nicht Phalli gemeint seien; wirklich
sieht in jedem einzelnen Falle die gl ans einem Finger-
nagel sehr ähnlich.
Nicht, weil es einen besonderen wissenschaftlichen Wert hätte, aber als vielleicht
technisch nicht ganz ohne Interesse, gebe ich hier noch die Abb. 252, welche zeigt, in
welcher Weise wir diese großen Sphinxbasen für den Transport zur Küste vorgerichtet haben.
An die Verfrachtung der ganzen und ungeteilten Stücke war wegen ihres ungeheuren, an die
5 t betragenden Gewichtes in der wegelosen Landschaft nicht zu denken und auch in

Abb. 251. ^opf einer Doppelsphinx-Basis von
Hilani III, vergl. Taf. LVI, Ansiebt von oben.
Original in Konstantinopel, v. Luschan phot. 1894.
 
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