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Lutz, Jules [Hrsg.]; Perdrizet, Paul [Hrsg.]
Speculum humanae salvationis (1): Text — Leipzig: Hiersemann, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.49738#0011
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Einleitung zum lateinischen Text

as Speculum humanae salvationis war
seit den Inkunabeldrucken des xvi. Jahr-
hunderts nicht mehr in neuer Ausgabe er-
schienen. Das 1862 von Berjeau veröffentlichte Facsimile
des xylographischen Inkunabeldrucks verdient den Namen
einer neuen Ausgabe nicht. Einerseits finden wir darin
nicht das ganze Speculum, sondern nur 30 Kapitel wieder-
gegeben, und andrerseits ist die Textesabschrift, die
Berjeau seinem Facsimile vorausgehen lässt, äusserst
fehlerhaft: enthielte sie auch nur die Fehler, die auf
Rechnung des Herausgebers des xv. Jahrhunderts zu
setzen sind, so hätten wir es schon mit einem entstellten,
von dem ursprünglichen vielfach abweichenden Wortlaute
zu tun.
Handschriften des lateinischen Textes des Speculum sind
in grosser Anzahl vorhanden. In den Katalogen der
öffentlichen Bibliotheken und der Antiquariate haben wir
deren 205 ausfindig machen können, und es sind uns
wohl noch manche entgangen. Wir erachten es für ange-
zeigt, unser, wenn auch unvollständiges Verzeichnis zu
veröffentlichen; es wird schon dadurch aufs deutlichste
nachgewiesen, welche hervorragende Rolle dieses seltsame
Buch vorzeiten in der Geschichte des religiösen Denkens
gespielt hat.
Das Speculum ist von einem Mönche für Mönche ge-
schrieben ; darum haben wir, wo solches möglich war,
angegeben, aus welchem Kloster jede Handschrift her-
rührte.
Oft ist das Speculum in einer und derselben Handschrift
mit andern theologischen und mystischen Werken ver-
einigt. Wahrscheinlich bildete nicht selten ein solcher
Sammelband die ganze geistliche Nahrung, die ganze
Bibliothek eines Ordensgeistlichen, oder, wo dies nicht
der Fall war, doch wenigtens sein beliebtestes Hand- und
Nachschlagebuch. So oft das Speculum in einem Sammel-
band vorkommt, waren wir bestrebt, die übrigen Werke
anzugeben, die in der Sammlung enthalten sind. Auf diese
Art glaubten wir das Speculum gleichsam wieder in seine
mystische und mönchische Umgebung zu versetzen.
Zum Verständnis des nachstehenden Verzeichnisses sind
noch einige Erläuterungen über den Plan des Speculum
nötig. Wir benützen die erste Gelegenheit, die sich uns
darbietet, um sie zu geben, damit wir nicht mehr darauf
zurückkommen müssen.
Das Speculum humanae salvationis stellt, nach dar typo-
logischen Methode, die Erlösungsgeschichte vor Augen.
Demnach wäre die Weltgeschichte bis zum Kommen des
Heilands nichts anderes gewesen als eine Reihe von Vor-


bildern des Lebens Desjenigen, der die Welt erlösen sollte
(und auch des Lebens der Jungfrau Maria, seiner Gehilfin
im Erlösungswerke), und wäre jede einzelne Begebenheit
der evangelischen Geschichte in der vorchristlichen Ge-
schichte des jüdischen Volks oder der andern Völker
verkündigt und vorgebildet worden. Nehmen wir z. B.
die eine Begebenheit : Ein Engel verkündigt Joachim Marias
Geburt (das Mittelalter, auf Grund des Urevangeliums des
Jacobus, betrachtete dies als zur evangelischen Geschichte
gehörig). Das Speculum findet die Verkündigung der Ge-
burt Marias auf dreifache Art vorgebildet: 1. In der Stelle
des Hoheliedes, wo die Braut ein verschlossener Garten,
eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born genannt
wird; 2. in der Erscheinung des Engels vor Bileams
Eselin; 3. in dem von Petrus Comestor (nach Justin) er-
zählten Traum des Mederkönigs Astyages, der aus seiner
Tochter Mandane einen Weinstock hervorwachsen sah,
der ganz Asien bedeckte. So zählt jedes Kapitel des Spe-
culum vier Teile : die Begebenheit aus der Heilgeschichte
und drei Vorbilder dieser Begebenheit. Jedem Teil ent-
spricht in den Handschriften mit Bildern eine Miniatur.
Die Kapitel zählen jedes hundert Zeilen. In den Hand-
schriften mit Bildern nimmt ein Kapitel in der Regel
zwei Seiten ein, jede Seite zu zwei Spalten mit je 25
Zeilen; über jeder Spalte steht ein Bild. Das Kapitel
fängt auf der Rückseite eines Blattes an und schliesst auf
der Vorderseite des folgenden Blattes. So zeigt das auf-
geschlagene Buch ein vollständiges Kapitel : das Auge um-
fasst mit einem mal eine Begebenheit der Heilgeschichte
und in ihrem Gefolge ihre drei Vorbilder; darum kann
man mit Recht das Speculum ein Bilderbuch nach Art der
Biblia picta oder Biblia pauperum nennen.
Auf diese sinnreiche Art sind vierzig Kapitel (III-XLII)
zusammengestellt.
Die Kapitel I und II, welche die Weltgeschichte von
dem Sturz der abtrünnigen Engel bis zur Sintflut erzählen,
haben auch je hundert Zeilen, welche in den Bilderhand-
schriften in vier Spalten zu fünfundzwanzig Zeilen ver-
teilt sind, mit einem Bild über jeder Spalte. In den meisten
Handschriften findet man ausserdem nach dem Kapitel
XLII drei Kapitel von dem doppelten Umfang der vor-
hergehenden (genau 208 Zeilen); in den Handschriften
mit Bildern füllt jedes dieser Kapitel vier Seiten aus und
zählt acht Bilder. Diese Kapitel sind nicht nach der typo-
logischen Methode zusammengesetzt; eigentlich sind es
weniger Kapitel des Speculum als selbständige mystische
Werkelten, von denen das erste den Sieben.Stationen des
Leidens Christi, das zweite den Sieben Schmerzen, und
das dritte den Sieben Freuden Marias gewidmet ist.
 
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