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Lutz, Jules [Hrsg.]; Perdrizet, Paul [Hrsg.]
Speculum humanae salvationis (1): Text — Leipzig: Hiersemann, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.49738#0131
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Notiz über Jean Miélot

Philipp der Gute hatte gleich seinen Grossoheimen
Karl V. und Johann von Berry eine bis zur Leidenschaft
gehende Vorliebe für schöne Bücher. Darum hielt er an
seinem Hofe eine ganze Reihe von Männern, welche
für ihn gelehrte Werke abschreiben, mit Bildern versehen,
ins französische übersetzen oder auch selbst verfassen
sollten. Unter allen von Philipp dem Guten angestellten
Übersetzern ist Johann Miélot unstreitig der fleissigste
und fruchtbarste gewesen1. Man kennt weder das Datum
seiner Geburt noch auch dasjenige seines Todes. Wie er
am Schluss seines Traité de vieillesse et de jeunesse mitteilt,
wurde er zu Gaissart-lès-Ponthieu, im Bistum Amiens, ge-
boren 2. Es ist dies, nach Pinchart3, das in der Nähe des
berühmten Schlachtfeldes von Crécy, halbwegs zwischen
Abbeville und Hesdin gelegene Dorf Gueschard, das zur
kleinen Grafschaft Ponthieu gehörte, deren Hauptstadt
Abbeville war. Hesdin war im xv. Jahrh. eine wahre
Baumschule von Schönschreibern und Übersetzern, unter
denen Jean Mansel, der Verfasser der Fleur des Histoires,
Jean Paradis und der fruchtbare David Aubert hervor-
zuheben sind. In einer eigenhändigen Handschrift, die
weiter unten (p. no Nr. 26) erwähnt werden soll, teilt
uns Miélot seine Abstammung mit : er war nämlich das
fünfte und letzte Kind von Henry Miélot und Maroie
Cape; leider fehlt jede weitere Angabe.
Nach v. Reiffenberg4 und Marchal5 soll die Bibliothek
zu Brüssel eine Übersetzung von Miélot aus dem Jahr
1438 besitzen; Dehaisnes, der diese unrichtige Angabe
mitteilt, behauptet, dass eine andere Übersetzung von

1 Über Miélot siehe : Van Praet, Notice sur Colart Mansion, Paris,
1829, p. 53 u. 116; von demselben Verfasser, Recherches sur Louis de
Bruges, Paris, 1831, p. 105 ; v. Reiffenberg, im Annuaire de la Bi-
bliothèque royale de Bruxelles, 1846, p. 121, und 1849, p. 31; von
demselben Verfasser, Einleitung zu seiner Ausgabe des Chevalier au
Cygne, p. clxxi, in den Monuments pour servir à l’histoire des provinces
de Namur, de Hainaut et de Luxembourg, Bd. IV ; Le Glay, Catalogue
des mss de la Bibliothèque de Lille, 1848, p. xxn ; Dehaisnes, in den
Mémoires d’archéologie lus à la Sorbonne en 1864, Paris, 1865, p. 171 ;
Pinchart, Archives des arts, sciences et lettres, Gent, 1881, I. Serie,
Bd. III, p. 43 ; L. Delisle, im Bulletin historique et philologique du
Comité, 1885, p. 32. Was in der Doktordissertation von Richter, Die
französische Litteratur am Hofe der Herzöge von Burgund, Halle, 1882,
p. 30, steht, ist unbedeutend ; die Notiz bei Gröber, Grundriss der
romanischen Philologie, II, 1, p. 1145, bedarf in einigen Punkten der
Berichtigung.
2 Abrahams, Description des mss français de la Bibliothèque de Copen-
hague, p. 33.
3 Pinchart, op. cit., p. 43.
4 Annuaire de la Bibliothèque royale de Belgique, 1846, p. 123.
5 Cat. de la Bibliothèque de Bourgogne, II, p. 192. Cf. noch Le Glay,
op. cit., p. xxiii.

Miélot, der Advis directif pour faire le passage d’oultremer,
1445 geschrieben worden sei1. In Wirklichkeit ist der
Advis wohl erst nach dem « Fasanengelübde » (1454)
geschrieben worden, und das Traittié des louenges de la
très glorieuse Vierge Marie ist nicht von 1438, sondern
von 1458.
Im Jahr 1449 trat Miélot in den Dienst Philipps des
Guten, wie aus einem Erlass vom 25. April hervorgeht,
dessen Urschrift Pinchart2 im königl. Archiv zu Brüssel3
gefunden hat. Es wird darin dem Kanzleireferendar auf-
gegeben, dem Jean Miélot das Patent seiner Ernennung
zum secrétaire aux honneurs, d. h. zum Ehrensekretär des
Herzogs von Burgund kostenlos auszufertigen. Als herzog-
licher Sekretär hatte Miélot, gleich andern am Hofe an-
gestellten Schriftstellern, nicht etwa Briefe für seinen
Fürsten, sondern Bücher für die herzogliche Bibliothek zu
schreiben.
Mit dem 25. April 1449 ist Miélot förmlich in den
Dienst des Herzogs von Burgund getreten. Aber schon
vorher hatte er für ihn gearbeitet. Der für Philipp den
Guten übersetzte Miroir de la salvation humaine trägt die
Jahreszahl 1448. Durch Mandat vom 8. September 1451
gewährt Philipp der Gute dem Jean Miélot eine Summe
von 60 Pfund flämische Währung als Entschädigung für
von ihm während achtzehn Monaten geleistete Dienste, da
ihm noch keine bestimmte Besoldung angewiesen war4 :
« A maistre Jehan Miélot, secrétaire de Mgr, la somme de Ix livres de
xl sols, pour don a lui fait par icelui seigneur, pour et en recompensation
d’aucuns services qu’il lui a fais par l’espace de xviij mois par avant le
temps qu’il lui eust ordonné a avoir et prendre de lui aucuns gaiges pour
translation de livres de latin en français comme la Vie de S' Joosse et
aultres besoignes et escriptures, ainsi qu’il puet apparoir par mandement
de Mgr donné à Brouxelles le viij jour de septembre l’an mil iiij Ij. »
Miélot wird wiederholt in den Rechnungen Philipps
des Guten erwähnt. Laborde5 hat mehrere Auszüge dieser
Rechnungen veröffentlicht, in denen Miélot genannt wird ;
aber gerade die älteste Erwähnung unseres Schriftstellers
hat er übersehen. Diese Lücke wurde von Le Glay aus-
gefüllt6. Die bezügliche Stelle befindet sich in den Rech-

1 Mémoires d’archéologie lus à la Sorbonne en 1864, Paris, 1865, p. 177.
2 Op. cit., p. 44.
3 Collection des acquits des comptes des droits du grand sceau : « Au-
diencier de nostre chancellerie, Maistre Jehan le Gros, délivrez a nostre
serviteur Jehan Miélot unes lettres de retenue que lui avons octroyé en estât
de secrétaire aux honneurs, sans prendre argent du sceau qui monte à Ij
patart. Fait le XXVe jour d’avril, M iiij quarante et neuf. PHE-
LIPPE ».
4 Staatsarchiv zu Brüssel, herausgegeben von Pinchart, op. cit.
5 Les ducs de Bourgogne, Belege, Bd. I.
6 Op. cit., p. xxni; cf. Pinchart, op. cit., p. 44.
 
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