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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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I. und II. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Malen, Gemälde und Gemäldekunde, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0016

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ziano in der Wiener Akademie ist gleichfalls auf geköpertem Stoff gemait.
Durch Paoio Veronese, Bonifazio de Pitati, Vitruiio und andere
Venezianer der besten Zeit wurde der Gebrauch geköperter Stoffe weit ver-
breitet. Man findet derlei Malgründe auch bei G. B. Morone, bei Torbido
(vgl. u. a. deren Werke in der Brera zu Mailand), auch bei B. Montagna
(siehe die Bilder in Vicenza). Der Deutsche Rottenhammer benutzte in
Venedig den zu seiner Zeit modernen geköperten Stoff (hiezu „Blätter für
Gemäldekunde", 1, S. 151).
Rubens, van Dyck haben den Gebrauch geköperter Leinwand in
Italien kennengelernt. Zudem weiß man, daß noch viel später in England
Reynolds, Romney, Raeburn und viele der Mitstrebenden und Nach-
ahmenden sich mit Vorliebe der geköperten Stoffe bedienten. Um ein Bei-
spiel aus Wien zu nennen, sei auf Karl Rahl hingewiesen, der sicher durch
sein Studium der Venezianer auf diese Art von Stoffen hingeführt worden ist.
Unter den Neueren hat auch Anselm Feuerbach geköperte Stoffe benutzt.
Die weite Verbreitung solcher Stoffe mahnt also zur Vorsicht bei Rück-
schlüssen von der Art der Leinwand auf den Entstehungsort und die Ent-
stehungszeit des Gemäldes.
Von den Bildern des Morett o
da Brescia habe ich hauptsäch-
lich solche auf schlichter Leinwand
mit rechtwinkeliger Bindung im
Gedächtnis. Tintorettos oft so
große, unnahbar aufgestellte Bilder
sind noch keineswegs in großer
Anzahl auf die Art der Leinwänden
untersucht. Ich will nicht verall-
gemeinen, wenn ich eine Probe ab-
bilde, die von einem farbigen Ent-
wurf desTintoretto mit der Himmel-
fahrt Mariens genommen ist. Der
Entwurf selbst ist in den „Studien und Skizzen zur Gemäldekunde" (Bd. 1,
S. 167 ff. und Tafel LV) besprochen und abgebildet. Ich habe ihn bei Herrn
Dr. Kramer in Wien kennengelernt, der übrigens nicht der Besitzer, son-
dern der Bewahrer des Werkes war. Als Besitzer wäre Herr Oberingenieur
Gustav Scharfetter in der Hinterbrühl bei Mödling zu nennen gewesen.
Die meisten Malerschulen Italiens gehen im Laufe des 16. Jahrhunderts
früher oder später von den Holztafeln zur Leinwand über. Raffael hat, das
ist ja so gut wie sicher, seine Madonna di San Sisto, die für Piacenza ge-
schaffen wurde, schon ursprünglich auf Leinwand gemalt. Das Bild in
Dresden erweist sich als echtes Leinwandbild und gewiß nicht als ein Bild,
das gelegentlich einmal von Holz auf Leinwand gebracht worden wäre. Zu-
dem klappen die Vermutungen gar nicht recht, die dahin zielen, anzu-
nehmen, ein eigentliches Urbild auf Holz sei bei Gelegenheit eines Ein-
sturzes in der Kirche San Sisto zu Piacenza zugrunde gegangen und man
habe 1754 nach Dresden eine Leinwandkopie verkauft. Vielleicht ist es mir
vergönnt, einmal in genauerer Weise auf die Madonna di San Sisto einzu-
gehen, die ich in meinen Kursen oft genug eingehend besprochen habe.
C. Wörmanns Forschungen über das berühmte Bild sind besonders hervor-


Fig. 3. Leinwand von Tintorettos Farbenent-
wurf zu einer Himmelfahrt der Maria aus der
Sammlung O. Scharfetter. (Doppelte Größe.)
 
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