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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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III. und IV. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Ein raffaeleskes Bild im Besitz von Rudolf Abt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0061

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ketten Fall hineinführen. Venus und Kupido sind dargestellt. Wie es
scheint, gibt Venus dem tosen Kteinen einen Auftrag, etwa eine Weisung,
wohin Kupido sein Geschoß richten sott. — Die Auffassung ist vor-
nehm, rein, wie setten anderswo bei Darstettungen aus dem Bereich der
Liebe. Dabei braucht man ats Gegensätze noch gar nicht an die berüch-
tigten Darstettungen eines Giutio Romano oder an sotche aus der Gruppe
der Lasziven des Sprangerschen Kreises zu denken. Die Stettungen und
Haltungen sind einfach und bescheiden, so, was man dezent nennen kann.
Was der Besitzer schon wußte, ats er mir von dem Bitde schrieb und es
mir dann vorführte, ist eine ziemtich deutticheAntehnung an die antike
Gruppe der drei Charitinnen in Siena. Der Stamm der Venus ktingt
stark an die unvottständig erhabene Charitin an, die auf den Abbitdungen
gewöhntich in der Mitte erscheint und von hinten gesehen wird. Die er-
wähnte Gruppe ist sicher von mehr ats einem Künstter der Renaissance
genau, verständnisvotl betrachtet, auch nachgezeichnet worden. Unter anderen
hat sie auch Raffaet benutzt für sein Bitdchen mit den drei Grazien, das
sich seit einiger Zeit im Museum, beziehungsweise im ehematigen Schloß
des Duc d'Aumate zu Chantitty befindet und viel weiter zurück der Galerie
Borghese in Rom angehört hat.*) Was die Benutzung der antiken Gruppe
für das vorliegende Venusbitd betrifft, so ist es jedem, der die erwähnte
antike Gruppe kennt, vollkommen klar, daß sie für die beiden Arme, für
den linken Unterschenket und für den rechten Fuß kein Vorbitd bot. Denn
an der antiken Skulptur sind nur die Schultern oben erhatten und vom
linken Unterschenke! fehten die zwei unteren Drittel. Kleinere Beschädigungen
am rechten Unterschenket. Der rechte Fuß fehlt ganz. Desgleichen ist der
Kopf abhanden gekommen. Der matende Künstler, dem man unser Venus-
bitd verdankt, hat mit Verständnis und Geschicklichkeit die fehlenden Teile
in seinem Bild hinzugefügt. Hiebei würde er augenscheinlich von einer
Schulüberlieferung aus Peruginos Werkstätte geleitet. Denkt man sich die
Venus umgedreht und von vorn gesehen, so weist sie dieselbe Stellung
der Beine auf, die von vielen Figuren Peruginos her allbekannt ist. Doch
ist hier alles freier, neuzeitlicher, als beim älteren Künstler, was
schon an dieser Stelle hervorgehoben sei.
Auch bei dem Schüler Peruginos, Gian Niccola Manni (dieser starb
1544), ist diese Stellung noch beliebt. Man vergleiche besonders das Ogni-
santibild von 1507 in der Pinakothek zu Perugia.
Von all den angedeuteten Vorzügen und Umständen weiß das Ver-
steigerungsverzeichnis der Sammlung Hoch rein gar nichts zu vermelden.
Die früheren Benennungen des Bildes auf Raffael und Giulio Romano werden
nicht erörtert, und man nennt einfach als höchstwahrscheinlichen Urheber
des Venusbildes den Bolognesen Francesco Albani. Diese Benennung
wurde eingangs sogleich als falsch bezeichnet, was nun zu beweisen ist,
noch ehe andere Benennungsversuche unternommen werden. Auf Albani

*) Dazu „Blätter für Oemäldekunde", Bd. 1, S. 17ff., und die „Beilage" dieser
Blätter, Lieferung V, S. 153 und 155. — Die Zeichnung im venezianischen Skizzen-
buch, die nach der antiken Gruppe in Siena gemacht ist, zeigt nicht Raffaels Hand.
— Auf ein antikisierendes Relief, das in unserem Venusbild am Postament vorkommt,
sei im Vorübergehen hingewiesen. Das antike Vorbild dürfte in einer Gewandfigur
in der Villa Albani zu suchen sein, worüber bei Gelegenheit einiges mitgeteilt wird.
 
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