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seiner Überzeugung von allerlei mystischen Verknüpfungen zusammen, die
ihm eine Liedkomposition als eine geistigpersönliche Verständigung zwischen
Dichter und Tonkünstler erscheinen ließ. Ich konnte nicht beistimmen,
ln Amerland malte Max damals wenig. Wie er mir sagte, verbrachte er den
Morgen oder Vormittag mit dem Fällen von kleinen Bäumen im eigenen
Wäldchen, das sich hinter der Villa über den Berg hinauf erstreckte. Da die
Villa des Künstlers schon vor meiner Ankunft mit Gästen überfüllt war,
übernachtete ich in einem unfern gelegenen Landhaus. Als ich mich am
nächsten Tag von der Familie Max verabschiedete, überreichte mir Fräulein
Kitzing die Photographie des Bildes, das ich heute als ein beson-
ders bezeichnendes Werk des Künstlers wieder gebe.*) Auf der erwähnten
Photographie befand sich eine freundliche Widmungsschrift, die den traurigen
Gegenstand der Darstellung vergessen machte. Ungefähr zwei Jahre später
schickte mir Max ein großes Photo nach seinem Christus am Kreuz, einem
Gemälde, das im Jahr 1881 großes Aufsehen in der ganzen Kunstwelt er-
regte und in mannigfacher Weise beurteilt, verhimmelt und bekrittelt wurde.
Dr. Th. v. Frimmel.
DER MENSCHLICHE KÖRPER.
H.
Beiträge zur Muskellehre.
Was im ersten Band dieser Studien und Skizzen begonnen wurde,
soll nicht ohne Fortsetzung bleiben. Zum mindesten will ich die Erörte-
rungen weiter führen, die auf S. 19 f. als Anfang zu anatomischen Studien
skizziert worden sind. Ich knüpfe an die Tafel VH1 des ersten Bandes
an. ln die Umrisse des Körpers, der dort wiedergegeben ist, habe ich die
Muskeln eingezeichnet, die für die äußere Gestalt von besonderer Wichtigkeit
sind. Auf die Hautdecke und das Unterhautzellgewebe mit dem Fett habe
ich dabei wenig Rücksicht genommen, da es sich um einen nahezu mageren
Körper handelt. Fürs Studium der Anatomie sind magere Gestalten weit
lehrreicher als fette.
Um den Muskeln in meiner Zeichnung mehr Nachdruck zu verleihen,
habe ich sie ganz an die Oberfläche herausgerückt (vgl. Tafel XV). Eine
Modellierung der allgemeinen Formen ist dabei unterdrückt.
Der Leser wird nun ersucht, beide Abbildungen (Band 1, Tafel Vlll
und Band 11, Tafel XV) nebeneinander zu legen und die modellierten
Flächen der Tafel VH1 mit den entsprechenden kaum andeutungsweise ge-
rundeten Teilen der anderen Tafel zu vergleichen, um den Zusammenhang
der äußeren Formen mit den großen Muskelbäuchen und Sehnen mühelos
vor Augen zu bekommen. Durch die Kleinheit des Maßstabes war es be-
dingt, daß eine Wiedergabe des Verlaufes kleiner Sehnen an Händen und
Füßen unterbleiben mußte. Dafür haben spätere größere Einzelabbildungen
*) Es ist übrigens nicht unveröffentlicht, ln der Zeitschrift „Die graphischen
Künste" (Jahr X, Heft 1) und in der Leipziger iliustrierten Zeitung vom 2. April 1887
finden sich Nachbildungen. Die Tafel XIV im vorliegenden Heft der „Studien und
Skizzen" geht auf die Photographie zurück, die 1877 im Verlag Nikolaus Lehmann in
Prag erschienen ist, der damals Besitzer des Bildes war.
seiner Überzeugung von allerlei mystischen Verknüpfungen zusammen, die
ihm eine Liedkomposition als eine geistigpersönliche Verständigung zwischen
Dichter und Tonkünstler erscheinen ließ. Ich konnte nicht beistimmen,
ln Amerland malte Max damals wenig. Wie er mir sagte, verbrachte er den
Morgen oder Vormittag mit dem Fällen von kleinen Bäumen im eigenen
Wäldchen, das sich hinter der Villa über den Berg hinauf erstreckte. Da die
Villa des Künstlers schon vor meiner Ankunft mit Gästen überfüllt war,
übernachtete ich in einem unfern gelegenen Landhaus. Als ich mich am
nächsten Tag von der Familie Max verabschiedete, überreichte mir Fräulein
Kitzing die Photographie des Bildes, das ich heute als ein beson-
ders bezeichnendes Werk des Künstlers wieder gebe.*) Auf der erwähnten
Photographie befand sich eine freundliche Widmungsschrift, die den traurigen
Gegenstand der Darstellung vergessen machte. Ungefähr zwei Jahre später
schickte mir Max ein großes Photo nach seinem Christus am Kreuz, einem
Gemälde, das im Jahr 1881 großes Aufsehen in der ganzen Kunstwelt er-
regte und in mannigfacher Weise beurteilt, verhimmelt und bekrittelt wurde.
Dr. Th. v. Frimmel.
DER MENSCHLICHE KÖRPER.
H.
Beiträge zur Muskellehre.
Was im ersten Band dieser Studien und Skizzen begonnen wurde,
soll nicht ohne Fortsetzung bleiben. Zum mindesten will ich die Erörte-
rungen weiter führen, die auf S. 19 f. als Anfang zu anatomischen Studien
skizziert worden sind. Ich knüpfe an die Tafel VH1 des ersten Bandes
an. ln die Umrisse des Körpers, der dort wiedergegeben ist, habe ich die
Muskeln eingezeichnet, die für die äußere Gestalt von besonderer Wichtigkeit
sind. Auf die Hautdecke und das Unterhautzellgewebe mit dem Fett habe
ich dabei wenig Rücksicht genommen, da es sich um einen nahezu mageren
Körper handelt. Fürs Studium der Anatomie sind magere Gestalten weit
lehrreicher als fette.
Um den Muskeln in meiner Zeichnung mehr Nachdruck zu verleihen,
habe ich sie ganz an die Oberfläche herausgerückt (vgl. Tafel XV). Eine
Modellierung der allgemeinen Formen ist dabei unterdrückt.
Der Leser wird nun ersucht, beide Abbildungen (Band 1, Tafel Vlll
und Band 11, Tafel XV) nebeneinander zu legen und die modellierten
Flächen der Tafel VH1 mit den entsprechenden kaum andeutungsweise ge-
rundeten Teilen der anderen Tafel zu vergleichen, um den Zusammenhang
der äußeren Formen mit den großen Muskelbäuchen und Sehnen mühelos
vor Augen zu bekommen. Durch die Kleinheit des Maßstabes war es be-
dingt, daß eine Wiedergabe des Verlaufes kleiner Sehnen an Händen und
Füßen unterbleiben mußte. Dafür haben spätere größere Einzelabbildungen
*) Es ist übrigens nicht unveröffentlicht, ln der Zeitschrift „Die graphischen
Künste" (Jahr X, Heft 1) und in der Leipziger iliustrierten Zeitung vom 2. April 1887
finden sich Nachbildungen. Die Tafel XIV im vorliegenden Heft der „Studien und
Skizzen" geht auf die Photographie zurück, die 1877 im Verlag Nikolaus Lehmann in
Prag erschienen ist, der damals Besitzer des Bildes war.