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Steffen, ... [Hrsg.]; Lolling, Habbo G. [Hrsg.]
Karten von Mykenai (nebst einem Anhange Über die Kontoporeia und das mykenisch-korinthische Bergland) (Text): Erläuternder Text mit Übersichtskarte von Argolis — Berlin, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.4897#0007

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Der Gegensatz von Argos und Mykenai.

Das Gebiet von Mykenai gehört vorwiegend dem Berglande an. Von der grofsen argei'schen
Ebene erreicht nur das sich nordwärts allmählich verengende Thal des Dervenaki-Baches mit seinem
Nordostrand den Fufs des Höhenrückens, auf dem die Trümmer der Atridenburg liegen. Von dem
hauptsächlich durch Anschwemmungen des Inachos allmählich vorgeschobenen Meeresufer liegt Mykenai
auf der kürzesten Linie gegenwärtig 15 Kilometer (ca. 2 deutsche Meilen) entfernt, bis zu dem nächsten
Hafenplatz Nauplia beträgt die Entfernung 18'/* Kilometer (ca. 2*/2 Meile).

Den eigentlichen Mittelpunkt der argei'schen Ebene, im geographischen wie im militärischen
Sinne, bildet Argos. Während das arkadische Grenzgebirge im allgemeinen in steilen Felswänden
ostwärts in die Ebene abfällt und militärische Positionen an seinem Hange ausschliefst, entsendet das
Chaongebirge — einer der Hauptrücken dieses Grenzgebirges — ein einzelnes Bergsystem mit weniger
schroffen Böschungen bis nahezu in die Mitte der Ebene hinein. In diesem Bergsystem bezeichnet der
289 Meter hohe, östlich neben der Lykone aufsteigende, Kegelberg der Larisa eine von der Natur für
die militärische Beherrschung der argei'schen Ebene geschaffene Position von bedeutendem Umfange
und aufserordentlicher defensiver Stärke.

Auf diesen Punkt zu convergiren überdies fast alle Schluchten und Thäler, mit welchen die die
Argeia im Osten, Norden und Westen einschliefsenden Gebirge sich nach der Ebene hin öffnen.

Argos war und ist somit der natürliche Mittelpunkt für denjenigen, welcher die Inachos-Ebene
beherrschen will. Um diesen Punkt musste sich zu allen Zeiten das Einheimische sammeln.

Im Sinne dieser Erkenntniss verlegt daher auch hierher die älteste Sage den ersten Sammelort
der eingeborenen Pelasger, den Sitz des argei'schen Urkönigs Phoroneus. Hier lässt sie ferner, als mit
dem Stamme der Danaer später die eigentliche arge'ische Geschichte begann, Danaos die larisäische
Burg erbauen.

Solcher centralen Lage und militärischen Stärke von Argos gegenüber weist die versteckte Lage
von Mykenai „im äufsersten Winkel des Rosse nährenden Argos", wie Homer dieselbe bezeichnet, für
die Beherrschung der Argeia diesem befestigten Punkte nur einen untergeordneten Werth zu. Ein be-
festigtes Mykenai konnte nicht der Ausdruck für die militärische Defensivkraft der Argeia sein. Ein
mächtiges Mykenai neben Argos weist daher auf einen feindlichen Gegensatz zwischen beiden Staaten hin.

Diesen Gegensatz deutet auch die Sage in der Gegenüberstellung der Prötiden von Argos und
der Perseiden an, wenn sie die Gründung von Tiryns, Mykenai und Midea durch den Danaiden Perseus
an das Zerfallen des arge'ischen Gebietes der Danaer knüpft. Tiryns wird in diesem Zusammenhange
als die ursprüngliche Gründung bezeichnet, von der aus dann später Midea und Mykenai durch Perseus
erbaut sein sollen.

Vom geographischen Standpunkte aus betrachtet weist Tiryns in seiner rückwärtigen Verbindung
auf das nahe gelegene Nauplia hin, dessen durch fremde Seefahrer herbeigeführte Gründung auch die
Sage in directen Gegensatz zu dem einheimischen Argos stellt.
 
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