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Steffen, ... [Hrsg.]; Lolling, Habbo G. [Hrsg.]
Karten von Mykenai (nebst einem Anhange Über die Kontoporeia und das mykenisch-korinthische Bergland) (Text): Erläuternder Text mit Übersichtskarte von Argolis — Berlin, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.4897#0023

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digten sich selber. Nicht ausschliefslich auf die Mauern der Atridenburg, oder auf diese oder jene Pass-
befestigung kommt es hier bei der Beurtheilung an, sondern darauf, dass die Mehrzahl dieser Anlagen
nur Lücken in der gewaltigen Festungsmauer schloss, welche die Natur hier in den Bergen gegeben
hatte. Das Missverhältniss, welches Thukydides (I. 10) zwischen der geringen räumlichen Ausdehnung
der Atridenburg und ihrer universal-historischen Bedeutung fand, schwindet, wenn man Mykenai in
diesem Zusammenhange nur als einen Theil des Ganzen betrachtet.

Was der griechischen Geschichte in so vielen Fällen ihr eigenartiges Gepräge gegeben hat, die
Natur der dortigen Felsengebirge mit ihren unzugänglichen und wenigen, leicht zu vertheidigenden Eng-
pässen, — das scheint auch bestimmend gewesen zu sein für die Entstehungsgeschichte dieser Bau-
werke. Diese Mauern bekunden, dass auch an diesen Engpässen gekämpft worden ist mit wechselndem
Erfolge, dass dem anfänglichen siegreichen Vordringen des fremden Stammes der Gegenstofs des ein-
heimischen Elements gefolgt ist, welcher ersteren vorübergehend in die Defensive drängte; denn ihrer
Bestimmung nach ist jede fortificatorische Anlage für sich allein betrachtet zunächst rein defensiver Art,
aus der Nothwendigkeit hervorgegangen, durch eine Terrainverstärkung der Minderheit hier die Mög-
lichkeit eines erfolgreichen Widerstandes gegen die angreifende Mehrheit zu geben. Erst in den sieg-
reichen Wirkungen dieser Einzelanlagen und in ihrem Zusammenhange mit den nachrückenden Ver-
stärkungen tritt die offensive Tendenz hervor, welche den Mykenischen Befestigungsanlagen in ihrer
Gesammtheit zuerkannt wurde.

Nachdem diese offensive Aufgabe bereits gelöst war, tritt Mykenai in die griechische Geschichte ein.

Für die Hauptstadt eines Reiches, dessen Macht die Sage nicht nur über ganz Argolis, sondern
auch über den gröfseren Theil des Peloponnes und die Inseln ausdehnte, wurde es natürlich, dass auch
in ihren Bauten neben den militärischen Anforderungen das Bestreben nach monumentaler Pracht-
entfaltung hervortrat, wie sie der Glanzzeit Agamemnons entsprach. Auf diese Epoche weisen die
Kuppelgräber von Mykenai, das Löwenthor und einzelne Theile der Mauer hin.

Für die Beurtheilung der Ruinen von Mykenai ergiebt sich aber aus solcher Betrachtung die
Nothwendigkeit der Annahme, dass an seinen Mauern auch schon innerhalb der heroischen Epoche zu
verschiedenen Zeitabschnitten gebaut worden ist.

Verschiedenheit der Baustyle an den Mauern von Mykenai und Tiryns.

Auf diese Annahme weisen auch die Verschiedenheiten hin, welche an den Mykenischen Mauern
mit Bezug auf Bauart und Technik hervortreten. Die Mykenische Ring-mauer zeigt drei verschiedene
Baustyle. Es sind erstens grofse unbehauene Felsblöcke ohne jegliches Bindemittel aufgeschichtet
worden, wobei die unvermeidlichen Zwischenräume durch Einfügen kleiner Steine ausgefüllt wurden;
Spuren ganz grober Bearbeitung' zeigen sich hierbei nur in sofern, als man bemüht gewesen ist, behufs
Gewinnung einer möglichst glatten äufseren oder inneren Wand die über dieselben hervorragenden
Steinspitzen und Kanten abzuschlagen. Dies ist der kyklopische Baustyl in seiner rohesten Form.

Eine zweite entwickeltere Technik bekunden diejenigen Stellen der Mauer, an welchen man
grofse behauene oblonge Blöcke auf und nebeneinander in horizontalen Schichten errichtet hat. Hier
laufen an einzelnen Stellen die Verticalfugen durch mehrere Schichten hindurch in einer ununterbrochenen
Linie. Auch dieser Baustyl rechtfertigt angesichts der mächtigen Werkstücke die Bezeichnung
„kyklopisch".

Einer dritten Bauart gehören endlich diejenigen Stellen der Mauer an, an welchen man sorg-
fältig behauene Polygone erkennt, die in den mannigfachsten Formen genau auf einander gepasst sind.
Diese Polyg'one sind im allgemeinen von weniger grofsen Werkstücken gefertigt und rechtfertigen,
— in so fern das Kriterium des kyklopischen Baues durch die Mächtigkeit der einzelnen Bausteine
bedingt wird, — nur an einzelnen Stellen die Bezeichnung „kyklopisch". Die Mehrzahl der Polygone
besteht aus kleineren Steinen.

Diese drei Stylverschiedenheiten zeigen die Mauern von Mykenai indessen nur, wenn man sie
von aufsen betrachtet. Die innere Ansicht der Mauer lässt überall nur kyklopisches Mauerwerk der
ersten Art erkennen. Die entwickelteren Bauformen mit oblongen und polygonalen behauenen Blöcken
 
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