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Steffen, ... [Hrsg.]; Lolling, Habbo G. [Hrsg.]
Karten von Mykenai (nebst einem Anhange Über die Kontoporeia und das mykenisch-korinthische Bergland) (Text): Erläuternder Text mit Übersichtskarte von Argolis — Berlin, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.4897#0016

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einen von Argos kommenden Gegner ■— mit Erfolg durchführbar. Ein Festsetzen auf diesem Höhen-
rücken musste dem Angreifer also mit allen Kräften verwehrt werden.

Für die Befestigungsanlagen hierselbst kam die Natur an vielen Stellen dem Bau in ähnlicher
Weise zu Hülfe, wie bei der Akropolis. Auch hier hatten die Felshänge, mit denen das schmale
Plateau zu den Schluchten abfällt, die natürlichen Fundamente für die auf ihrem äufseren Rande zu

errichtenden Festungsmauern gegeben. Indessen auch dieser Höhenrücken scheint für die Aufnahme
einer gröfseren Ansiedelung auf seinem durch die Felshänge eingeengten schmalen Plateau noch zu
klein gewesen zu sein. Man ging daher auf der Ostfront mit der Stadtmauer über die natürliche Felsen-
kante hinaus, bis zu dem unteren Hange des Höhenrückens und gewann so wesentlich an Raum. Auf
der West- und Südseite, also auf der der Ebene zugewandten wahrscheinlichen Angriffsfront, durfte
man ohne Verminderung der Defensivkraft mit der Mauer nicht über den steilen oberen Rand des
Plateaus hinausgehen. Nach Osten indessen konnte man sich unbedenklich mit einer geringeren Wider-
standskraft der Mauer begnügen, da einmal der tiefeingeschnittene Chonia-Bach mit seinen steilen Rändern
eine Art natürlichen Festungsgrabens darstellte, anderseits ein Angriff von dieser Seite wenig Wahr-
scheinlichkeit für sich hatte. Der Angreifer hätte hier in der schmalen Schlucht des Chonia-Baches
keine Entwickelung gefunden, und konnte, da die steilen Felshänge der Szara unmittelbar in seinem
Rücken lagen, von einer thätigen Vertheidigung leicht an den Berghang gedrückt werden.

Im allgemeinen ist die Mauer, sowohl die der Akropolis, als die der Stadt da geführt gewesen,
wo auch die moderne Fortification sie unter Berücksichtigung der antiken Kampfmittel anlegen
würde, d. h. auf dem Felsenrande, welcher mit steilem Falle nach aufsen die Höhen gürtelartig
umfasst. In einer Zeit, welche eine eigentliche Kunst der Belagerung, d. h. Maschinen zur Zer-
störung der Mauer noch nicht oder wenigstens nur in höchst beschränktem Mafse kannte, war
die Defensivstärke einer Festung gegen den gewaltsamen Angriff wesentlich von der Ungangbarkeit
des unmittelbaren A^orterrains, d. h. von der Schwierigkeit abhängig, welche dem Angreifer das
Erreichen des Fufses der Mauer und das Erklimmen derselben bereitete. Von welcher Seite der
Angreifer hier auch kam, ob von Norden, Westen, Süden oder Südosten, überall musste er erst
steile Böschungen ersteigen, ehe er noch den Fufs des die Mauer tragenden Felsenrandes erreichte,
an vielen Stellen war aber dieser Felsengürtel allein schon so hoch und steil, dass ein weiteres
Vordringen bis zum Fufs der Mauer während des Kampfes, also im Bereich der Wurfgeschosse des
Vertheidigers unmöglich wurde. Nur für eine Stelle: die Nordostfront, galten, wie wir sahen, die er-
wähnten taktischen Vorzüge der Position nicht. Sie war vielmehr die schwache Stelle von Mykenai.
Allein es bleibt dieser Schwäche gegenüber zu berücksichtigen, dass diese Front erst angegriffen werden
konnte, nachdem der Vertheidigung jede Offensivkraft genommen worden war. Mykenai war aber keine
Defensivposition für eine zurückgedrängte Macht, sondern der Stützpunkt einer siegreich vordringenden.
Immer wieder muss bei der Beurtheilung seiner Anlagen auf das offensive Element hingewiesen werden,
welches ja überdies, wie der Kampf um Troja zeigt, auch allgemein von der Festungsvertheidigung des

eroischen Zeitalters unzertrennlich war.

Perseia-Quelle.

Neben den strategischen und taktischen Vorzügen, welche der Position von Mykenai innewohnten,
ist noch ein dritter Punkt hervorzuheben, welcher zur Anlage der Befestigung grade an dieser Stelle mit-
wirkte: — das Vorhandensein reichlichen Quellwassers, ein Umstand der um so mehr in's Gewicht
fiel, als die Landschaft Argolis in allen Zeiten zu den wasserärmsten von Griechenland gehört hat.
Etwa 360 Meter vom Nordostrande der Akropolis entfernt; bei Punkt 291 im Chavos-Thale, sprudelt noch
heute eine wasserreiche Quelle; sie fliefst südwärts zum Chavos-Bach, der ihr hauptsächlich seinen
Wasserreichthum verdankt. Etwa 130 Meter östlich dieses Punktes zeigen Hirten einen Stein, unter
welchem sie den Anfang dieser Quelle vermuthen, deren Wasser in ihrem anfänglichen Laufe unter-
irdisch geführt ist. In dieser Gegend hat man vermuthlich den Anfang der von Pausanias erwähnten
Quelle Perseia zu suchen.

Die jetzige Quelle liegt in 291 Meter Höhe. Das Wasser musste, wenn es zur Burg geleitet
werden sollte, den in 255 Meter Höhe gelegenen Sattel überschreiten, welcher den Burgfelsen mit dem
 
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