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Steffen, ... [Hrsg.]; Lolling, Habbo G. [Hrsg.]
Karten von Mykenai (nebst einem Anhange Über die Kontoporeia und das mykenisch-korinthische Bergland) (Text): Erläuternder Text mit Übersichtskarte von Argolis — Berlin, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.4897#0030

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Mykenai

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Varsprung

Ein ähnlicher scharfer Bruch der äufseren Mauerlinie an der Südost-
mauer dagegen war durch die Felsform gegeben. Die Mauerlinie folgt
hier fast genau der Richtung der Niveaulinie.

An der Tirynthischen Mauer

Tiryns

ist in beiden einander gegen-
über liegenden einspringenden
Winkeln ein schärferer Bruch
der Linie angewandt worden,
als die Terrainformen erfordert
haben würden, offenbar zu dem
Zwecke, an der Ostmauer den
Rampenanfang, an der Westmauer den Galerieausgang zu fiankiren. Auch die verschiedenen scharfen
Brechungen an der Südmauer von Tiryns zeigen, dass man dieselben zum Zwecke der Flankirung einer
Linie durch die andere auszunutzen wusste.

Im allgemeinen aber findet die Anwendung dieses Flankirungsprincips in der ersten Bauepoche
indessen nur in Nähe der Thoranlagen statt. Einen Fortschritt nach dieser Richtung bekundet der
bereits erwähnte, aus der Südostmauer vorspringende Thurm, dessen Bekleidung mit grofsen oblongen
Blöcken auf die spätere Bauepoche von Mykenai hinwies. Er hatte offenbar neben der Beherrschung
der Schlucht den Zweck, die westlich davon gelegenen Mauertheile zu fiankiren.

Auch das Stück der Stadtmauer, welches an die
Südspitze der Akropolis-Mauer anschloss, zeigt absichtliche
Linienbrechung und thurmartigen Mauervorsprung zum
Zwecke der Flankirung. Es weist somit, trotz seiner pri-
mitiven Aufschichtung aus kleinen unbehauenen Steinen auf
eine spätere Bauepoche von Mykenai hin.

Die westlich des Löwenthors noch vorhandenen Stadt-
mauerreste lassen ebenfalls eine systematische Brechung
der äufseren Mauerlinie erkennen, — ein Vorspringen
kleiner Thürme gegen die rechte unbeschildete Seite
des von Südwesten kommend supponirten Angreifers.

Da die äufsere Linie der Mykenischen Ringmauer
im allgemeinen genau dem steilen Felsenrande folgt, welcher
den Berghang gürtelartig umspannt, so ist es berechtigt,
auch da, wo jetzt keine Reste der Mauer mehr vorhanden
sind, ihren einstmaligen Lauf nach, der Richtung "des
Felsenrandes zu reconstruiren. Es betrifft dies das an die
Südostspitze der Akropolis anschliefsende Stück der Südost-
mauer, — deren vermutheter Lauf auf Plan IL durch gerissene Linien angegeben worden ist. Anzunehmen,
dass an dieser steilen Felswand, weiche ca. 40 Meter tief nach dem Chavos-Bache schroff abfällt, sich
überhaupt keine Mauer befunden hätte, da die Steilheit des Hanges schon Schutz genug gewährte, liegt kein
zwingender Grund vor. Eine solche Lücke in der Mauerführung widerspricht zunächst dem sonst peinlich
durchgeführten Grundsatze der Sturmfreiheit. Aufserdem beweisen die noch vorhandenen Reste
der Südostmauer von Punkt 238,9 bis Punkt 242,4, dass trotz der tiefen Chavos - Schlucht dennoch
grade an der steilsten Stelle des Felshanges die Mauer für nothwendig gehalten wurde. Auch weiter
nördlich in Nähe der Gipfelfiäche sind in dem durch die Schlucht gegebenen einspringenden Bogen
ziemlich zweifellose Reste der Mauer erkennbar. Es wird daher angenommen, dass auch an den übrigen
Stellen des erwähnten Felsenrandes die Ringmauer geführt gewesen ist, freilich in geringerer Höhe
und entsprechend geringerer Stärke als auf den anderen weniger geschützten Fronten.
 
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