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Vöge, Wilhelm
Die Anfänge des monumentalen Stiles im Mittelalter: eine Untersuchung über die erste Blütezeit französischer Plastik — Heitz, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.31188#0121

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kapelle unterhalb des clocher-neuf ist angebracht worden.1
De Mely vermutet, diese Scene möchte direkt auf eine
persische Darstellung der Art zurückgehen, der Künst-
ler werde es von einem orientalischen Elfenbeinkasten
kopiert haben. Das Vorbild selbst wird zwar nicht nach-
gewiesen, doch scheint mir die Annahme gut begründet.
Die ornamentalen Muster, welche die Säulenschäfte
unterhalb der grossen Figuren überziehen, nahm man zum
grossen Teil aus der Wandmalerei herüber, 2 es sind
meist Motive, die dort seit Jahrhunderten heimisch waren ;
wir finden übrigens Säulenschäfte gleicher Art auch
in anderen plastischen Schulen, ich fand eng verwandte
Stücke in Le Puy,3 wie im Kreuzgange der Kathedrale
von Aix, welcher der Arier Schule angehört. Für die
Cyklen der Monatsbilder und der Künste fanden die
Ghartrerer Meister in der Arier Kunst, soviel ich sehe,
keine Anregung ; auf welche Quellen die Chartrerer Exem-
plare 4 zurückgehen, das wäre nur an der Hand umfäng-

1 Notice sur un cliapiteau de la cathedrale de Chartres, com-
munication faite au congres des societes savantes. Paris, Leroux
1892. Extr. du Bulletin archeologique du comite des travaux lii-
storiques et scientifiques; das Kapital befindet sich links, gegenüber
rechts ist ein zweites angebracht, mit einer noch unerklärten Dar-
stellung: ein Centaur spannt den Bogen gegen eine Frau; es ist
jedenfalls von derselben Hand. Die Vortrefflichkeit der Arbeit und
die Feinheit der Naturbeobachtung fällt auf, man vergleiche vor
allem das Bell auf dem Kapital links! Mely übersieht ein drittes
Kapital, das dem seinen ebenfalls eng verwandt ist; es hat sogar
dasselbe Thema, einen Kampf mit einem Löwen. Es ist in der nord-
östlichen Ecke der Taufkapelle angebracht; jedenfalls wiederum die-
selbe Hand.
2 Wie schon bemerkt, ist besonders von deutschen Forschern
verschiedentlich die Ansicht ausgesprochen worden, die mit Zwerg-
architekturen gekrönten Baldachine über den Statuen der mittel-
alterlichen Portale möchten aus der Buchmalerei herstammen ; diese
Ansicht ist sicher falsch; sie kommen eben, wie so vieles andere,
aus der Monumentalmalerei herüber.
3 Südlicher Portikus der Kathedrale; vgl. ferner die Säulenfrag-
mente im musee lapidaire.
i Ein zweiter Cyklus von Monatsbildern, in winzigem Massstabe,
ist an einer der Ziersäulen unseres Westportals angebracht wor-
 
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