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Vöge, Wilhelm
Die Anfänge des monumentalen Stiles im Mittelalter: eine Untersuchung über die erste Blütezeit französischer Plastik — Heitz, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.31188#0165

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1. KAPITEL.

DAS ZUSAMMENARBEITEN DER CHARTRERER MEISTER, DER
«MEISTER DER BEIDEN MADONNEN», UND DIE PORTE
SAINTE-ANNE IN PARIS.
Wir gewannen schon während unserer Untersuchung
über die Quellen der Ghartrerer Kunst in grossen Zügen
ein Bild von dem Zusammenspiel der Kräfte, die am
Westportale thälig waren; es gilt hier nur das ange-
fangene Gemälde zu vollenden.
Was sich bei einem kritischen Vergleiche dieser
Skulpturen dem Auge zunächst aufdrängt, ist der ein-
heitlich in sich geschlossene Stilcharakter des Ghartrerer
Hauptmeisters, dem ausser den Statuen des Mittelportals
und der zunächst liegenden Wandungen der Seilenpor-
tale, wie gesagt, auch Tympanon und Thürsturz1 des
ersteren gehören. Wie ein mächtiger Keil schiebt sich
diese dominierende Milteigruppe zwischen die Werke der
beiden anderen Ateliers, die gleichsam zur Seite abge-
drängt werden. Formengebung wie Meisseiführung lassen
an der Einheitlichkeit der Iiand keinen Zweifel, wir fanden
den tektonischen Stil hier in seiner klassischen Ausprä-
gung ; in der Gruppierung der Statuen waren feste Prin-
zipien nachweisbar, die sich bei keinem anderen Meister
der Schule wiederfinden, und der Künstler hat es sogar
verstanden, diesen entsprechend auch die Darstellung

i In diesen Figuren kleineren Massstabes entfaltet er weit weni-
ger Geschick. Die Figuren sind z. T. sehr unglücklich bewegt und
mangelhaft gezeichnet; man kann sie jedoch dem Hauptmeister
nicht absprechen. Merkwürdig, dass er trotz der Enge des Raumes
ausser den zwölf Aposteln noch zwei stehende Prophetenfiguren an-
gebracht hat; diese befinden sich im Abguss im Trocadero.
 
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