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Vöge, Wilhelm
Die Anfänge des monumentalen Stiles im Mittelalter: eine Untersuchung über die erste Blütezeit französischer Plastik — Heitz, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.31188#0131

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101

6. KAPITEL.
ARLES UND KEIN ENDE! DIE KUNST DER ARLER
FASSADE, IHRE HEIMISCHEN WURZELN UND IHRE
ANTIKEN QUELLEN.
Die Frage nach den Beziehungen zwischen den nord-
französischen Skulpturen und denen der Languedoc und
der Bourgogne ist, wie wir sehen, eine schwierige; die
Fäden gehen hier hin und her, und die mangelhafte Er-
haltung der Monumente mindert die Sicherheit unserer
Schlüsse. Aber eins trat denn doch mit genügender
Schärfe hervor: der entscheidende Anstoss kam der
Chartrerer Kunst weder von der einen, noch von der
anderen Seite. Der Nachweis, dass er ihr von der Pro-
vence kam, erhält durch dieses negative Ergebnis erst
sein volles Relief; welche andere unter den älteren plasti-
schen Schulen könnte hier in der Tliat noch Ansprüche
erheben! Und was Arles und Chartres angeht, so ist
kein Zweifel möglich, wer hier der gebende und wer der
empfangende Teil war.1
Die provengalische Kunst erschien in Chartres in
verjüngter Gestalt; wir haben den Umschwung des Stils
geradezu vor Augen ; wir vermögen die Kräfte und Ge-
setze zu erkennen, die dabei im Spiele waren. Ja, die Char-
trerer Komposition als solche verriet uns schon, dass
hier eine abgeleitete Kunst und keine autochlhone vor
uns steht.

1 Selbstverständlich habe ich die Frage, ob nicht die zwischen
Arles und Chartres hervortretenden Zusammenhänge darauf beruhen
könnten, dass Chartres Arles beeinflusst habe, eingehend erwogen.
Das vorliegende Kapitel wird, hoffe ich, darthun, dass diese Auf-
fassung nicht haltbar ist. Ganz abgesehen davon, dass wir uns damit
in ein ganzes Netz von Unwahrscheinlichkeiten und Widersprüchen
verwickeln, bliebe es bei dieser Auffassung völlig dunkel, woher die
Chartrerer Kunst gekommen sei! Sollte sich jemand zu derselben be-
kennen, so wird er nicht umhin können, die Quellen der Chartrerer
Kunst anderweitig nachzuweisen.
 
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