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Vöge, Wilhelm
Die Anfänge des monumentalen Stiles im Mittelalter: eine Untersuchung über die erste Blütezeit französischer Plastik — Heitz, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.31188#0038

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knapp und aphoristisch gebildeten Sockel; ja es hängt
vereinzelt das lange Gewand der Frauen noch über den-
selben hinaus ! Und begreifen wir nicht erst jetzt eine
Ausnahme, welche die bei der Gruppierung der Statuen
massgebenden Gesichtspunkte zu durchbrechen scheint?
ich meine die überlange Frauenfigur rechts vom Haupt-
portale, die zwar geschickt genug in die Reihe hinein-
gestellt ist, um nicht über die Köpfe der übrigen Figuren
hinauszulugen, deren Füsse aber doch noch tiefer hinunter-
reichen als die ihres äusseren Nebenmannes. Der Meister
gruppierte also die ihm sozusagen gegebenen Grössen
> mit feiner künstlerischer Ueberlegung; er gelangt ver-
möge eines richtigen künstlerischen Instinctes oder durch
praktisches Experiment zu jener glücklichen perspecti-
vischen Abstufung der Komposition, diyen eigentümlichem
aesthetischen Eindrücke sich kein empfindsames Auge
entziehen wird.

2. KAPITEL.
DIE EINFLÜSSE DER PROVENCE AUF DIE NORDFRANZÖSISCHE
PLASTIK UND DIE AUSBILDUNG EINES ORIGINALEN STILES
IM NORDEN.
Das Problem, das uns hier in erster Linie beschäf-
tigt, ist der eigentümliche Stil der Statuen;1 seine selt-
same Gebundenheit ist von jeher aufgefallen und die
Quelle aller Irrtümer, die sich an diese Figuren geheftet
haben. Der Stilcharakter erweckte hier die Vorstellung
eines besonders hohen Alters, man taufte die Figuren
auf die Namen des ältesten, des merovingischeu Königs-
geschlechtes. Beim Blättern in Monlfaucon’s Monumens
de la monarchie francoise wurde mir erst klar, wie diese

1 Wir haben im folgenden in erster Linie die Statuen des Haupt-
meisters im Auge.
 
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