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Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0101
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2. Kathedrale von Chartres, siidliches Querhaus. Vorhalle

so gut das der Pisani uns verfließen wiirde, hätten wir die Urkunden, Akten und Signa-
turen nicht, die bisweilen gar Eigenhändigkeit verbiirgen!

Also es liegt nicht zum wenigsten an den Unzulänglichkeiten der Überlieferung, wenn
die einzelnen Künstlerpersönlichkeiten so wenig deutlich heraustreten. Doch es liegt auch

— an uns! Wir haben uns zu fliichtig bisher mit diesen Mittelalterlichen abgegeben; wir
kennen sie nicht; diirfen sie — ungesehen — nicht Unpersönlichkeiten schwanker Wesen-
heit schelten.

»Nichts unterscheidet, sagt man uns, die italienische Kunst (des Mittelalters) so tief von
der gotischen Blüte des Nordens, wie das Hervortreten der Künstlerindividualitäten und
die individuelle Abwandlung, die der Grundstil der Epoche in ihren Werken erleidet9«.
Doch auch in Frankreich ist da, wo »der Grundstil« entscheidend sich wandelt, der Tritt
der fiihrenden Persönlichkeiten noch heute zu spiiren, in der Baukunst und in der
Plastik; die Malerei spielt Italien gegeniiber keine Rolle. An den Wendepunkten, auf den
Höhen der Entwicklung tauchen überragende Werke hervor, Schöpferwerke, die das
Neue in klarster Prägung und zugleich die feinste seelische Note geben, in Spiegelung
der hinter ihnen Stehenden, Überlegenen. Und man sieht meist solche Werke Fiihrender

— in der Plastik, in der Baukunst — umringt von geringeren, von »Schulwerken«, die in
Anlehnung an sie entstanden sind10. Am Quellpunkt wichtiger Stilcourants zeichnet sich

9 Repert. f. Kunstwiss. XXVII, 89.

10 Den Meister, der das Marienportal der Pariser Westfassade (Notre-Dame) geschaffen hat
(obere Teile), der vielleicht als erster das Prestige von Paris (als Kunststadt) in die Ferne ge-
tragen hat (!), sehen wir umringt von Schiilern, Nachahmern und Nachfolgern, in Paris selbst
und in der Pariser Gegend usw.
 
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