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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (September bis Dezember)

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Nr. 203 - Nr. 210 (1. September - 9. September)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen-

Adelsheim, Voßberg, Tauberbischofrheim und Wertheim'

Bezugspreis: Monatlich ejnschl. Trägerlohn 90.— Mk., Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 6.— Mk., Reklame-Anzeigen
(98 mm breit) 13.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlatz nach Tarif.
Geheimmtttelanzeigen werden -richt ausgenommen.
Eeschäftsstnnden: 8—'/s6 Uhr. Sprechstunden derRedaktion: 11—12 Uhr-
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22S77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Dienstag, 3. September 1922
Nr. 206 * 4. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton:
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Geibel; für die Anzeigen: A. Friedmann, sämtl. in Heidslber g.
Druck u. Verlag derUnterbadischsn Berlagsanstalt G-m. b. H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstratze 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2318.

Mehr Wärme.
Von Dr. Werner P -eiser.
Diese Worte richten sich gleichmäßig an unsere eigenen Partei-
freunde wie an die Genossen von der Unabhängigen Partei, von
denen wir hoffen, das; wir sie recht bald auch als Parteifreunde
bezeichnen. Genosse Eduard Bernstein sprach einmal das wun-
derschöne Wort von der Einigung aus, die einer zarten Pflanze
gleiche und die sorgsamst gehütet werden müsse. Wir können weiter
fragen, wessen eine Blüte in diesem Stadium bedarf, und wir
müssen uns antworten: des Lichtes, der Wärme, der Liebe.
Denn die Frage der Einigung der deutschen Arbeiterklasse, mag
eine organisatorische Frage sein; sie mag ihre technische und ihre
Persönliche Seite Haven, Erwägungen politischer, Psychologischer und
vielleicht auch wirtschaftlicher Natur mögen in ihr eine Rolle spie-
len, über allem aber steht eins: die Liebe zur Stiche, die
Begeisterung für sie, die Fähigkeit, sich für sie zu begeistern. Man
mag einwenden, daß mit Gefühlserwägungen und „Sentimentali-
täten" keine Politik gemacht werden könne; aber nm» vergesse doch
darüber nicht, daß die Grundlage aller Politik viel öfter gefühls-
mäßige Einstellung ist, als man gemeinhin zugibt, bzw. zuzugeben
sich sträubt. Was wäre die französische Revolution ohne die Be-
geisterung ihrer Träger geworden? Um wie viel kümmerlicher sähe
die deutsche Republik aus, wenn sie nicht getragen und gestützt
Würde durch opferungsvolle Hingabe des arbeitenden Volkes. Die
berühmten Politiker, die „mit Leiden Füßen aus dem Boden der
Tatsachen" stehen und die Schwärmer verlachen, mögen mit arith-
metischen Mitteln das Problem der Einigung lösen; sie Mögen die
Für und Wider erwägen und glänzende Strategen sein — was
ihnen fehlt, ist der hinreißende Schwung und die Ueberzeugung von
der absoluten Notwendigkeit einer Entwicklung, gegen die nur
Narreir sich sträuben mögen oder Ignoranten.
Was ist bisher zu der Frage der Einigung ge-
tan w o r d e n? Als man darüber schrieb, ging sie nicht vorwärts;
und jetzt, da sie vorwärts geht, schreibt man nichts über sie. Soll
man hieraus den Schluß ziehen, daß es angebracht ist, auch weiter
zu schweigen, nicht zu frohlocken, ehe nicht alle Blütenträume reif-
ten? Diese Einstellung scheint mir falsch zu sein. Bei allem Re-
spekt vor den Taktikern hüben und drüben muß doch gesagt werden,
daß die breite Masse des arbeitenden Volkes —
auf sie, und auf sie allein kommt es an — nichts mehr von
Taktik hören mag. Man zittert in der Politik gern den
Ausspruch von -en Worten, die genug gewechselt seien, und Man
fügt wohl auch hinzu: „Nun laßt uns Taten sehen!" Aber man
bandelt nicht immer danach.
Wenn man gegenwärtig unsere eigene Parteipresse und die der
Unabhängigen liest, so mag man zwar mit Befriedigung seststellen,
daß der unerfreuliche Ton der Polemik, der die beiden Bruder-
parteien mehr und mehr voneinander entfernte, völlig geschwunden
ist, ja, daß beide Parteien einander sogar mitunter schon zustimmend
zitieren — das ist aber auch so ziemlich alles. Mitunter geben die
beiden Parteivorstünde allein oder unter Hinzuziehung -er Gewerk-
schaften eine genteinsame Erklärung heraus, die dann selbstver-
ständlich sofort von der beiderseitigen Parteipresse abgedruckt wird
— darüber hinaus aber entsteht Schweigen im sozialistischen Blät-
terwald, Schweigen, das umso lähmender, umso beängstigender
wirkt, als man begeisterten Jubel erwartet hatte.
Ich weiß, ivas sich gegen diese Auffassung einwenden läßt, und
was wohl auch gegen sie eingewendet wird: die innersraktionellen
Schwierigkeiten müssen berücksichtigt, es müssen Formeln gesunden
werden, die bis ins letzte von beiden Parteien akzeptiert werden,
man muß vorsichtig aufbauen, um das ganze, mühsam begonnene
Gebäude nicht schon beim ersten Aufbauversuch zum Zusammensturz
ru bringen. Aber fiihlt man nicht, wie billig diese Argumente
sind, empfindet man nicht, daß sie der Entscheidung aus -em Wege
gehen und ein Verlegenheitsprodukt engstirnigen
Parteidogmas bedeuten.
Es tst mitunter nicht von so großer Bedeutung, daß eine Tat-
sache in Angriff genommen wird, daß eine Idee ihrer Verwirk-
lichung nahe gebracht werden solle, daß eine Hoffnung in die Tat
umzusetzen ist — wie es wesentlich ist, auf welche Weise das alles
geschieht. Man kann sehr Echtem zu den Dingen Stellung nehmen
und alles Gefühlsmäßige ausschalten — diese Haltung darf aber
nicht zum Selbstzweck werden. Im zweiten Bande des „Untergang
des Abendlandes" kündet Spengler mit beredten Worten die Macht
-es Blutes, die Gewalt der Rasse, auf die er Spannung, Takt,
Rhythmus, kosmische Blutung zurüüführt. Mit diesen Begriffen
Will er die Idee der Arbeiterklasse ack sbsurckum führen. Demgegen-
über fragen wir; ist die Arbeiterklasse nicht mächtig genug, durch
die Tatsache ihres Daseins zu dokumentieren, daß sie Bande der
Klasse zusammenhalten, Bande, die nicht minder machtvoll sind als
die Bande des Blutes, Bande, die auch ihrerseits Spannung, Takt,
Rhythmus, gemeinsame Flutung auslösen. Durch ihr Dasein hat
die Arbeiterklasse — um einen anderen Spenglerschen Ausdruck zu
verwenden — ihr Wachsein zu erweisen; sie hat zu zeigen, daß
Dasein ohne Wachsein nicht geht und -atz es eine Banalität ist, aus
dem Begriff des Wachseins den des Daseins ausfchließen zu wollen.
Man lasse alle nüchternen Uevcrlegungen einmal hinweg und
bekenne sich grundsätzlich zu dem Ideal der Einigung! Wer nicht
Mittun mag, möge abseits stehen; wir werden ihn achten, wenn ehr-
liche Ueberzeugung ihn zu dieser Auffassung führt; aber wir werden
ihn ausfchlteßen müssen, wenn persönliche Faktoren seine Stellung-
nahme bedingen. Heute brauchen keine neuen Organisationen zur
Einigung des Proletariats mehr geschaffen zu werden. Was uns
fehlt, ist der entschiedene, zielbewutzte Wille zur Vereinigung, dem-
gegenüber taktisch-technische Bedenken als lächerlicher Spott ver-
schwinden. Man mag zu religiösen Fragen stehen wie man will:
der Schönheit des Bibelwortes wird sich nieinand entziehen kön-
nen: Glaube, Liebe, Hoffnung — aber die Liebe ist die höchste unter

Die 3. VMerbrmdsversammlung
in Genf.
Delegationen und Probleme.
Parts, 4. Sept. Heute wird in Genf die dritte Tagung des
Völkerbundes von den Vertretern von 43 Staaten eröffnet. Nach-
dem man allerorts die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß Deutsch-
land seine Zulassung nicht verlangen wird, glaubt man, daß die
Hauptfrage der Verhandlungen die Kreditaktion für Oesterreich dar-
stellen wird. Unter den in Genf anwesenden Delegierten haben in
den letzten Tagen schon Vorbe-sprechungen stattgesundene Besondere
Aufmerksamkeit wird einer längeren Besprechung -es Führers der
französischen Abordnung, Leon Bourgeois, mit Lord Bal-
four beigemessen und daraus folgern einige Pariser Blätter eine
fmuzösisch->eng-lische Annäherung. Mm meisten Aussicht für den
Präsidentensitz soll, wie bis jetzt verlautet, der Abgeordnete von
Chile, Edwards, haben. Das „Journal" Will wissen, daß man von
Ungarn als Bedingung für die Aufnahme in den Völkerbund das
Versprechen verlangen werde, auf seinem Gebiet niemals mehr
irgend ein Mitglied der Habsburger als Herrscher zu dulden. Fer-
ner verlautet, daß Lord Robert Cecil der Versammlung einen
Plan unterbreiten werde, in dem die Ernennung einer aus 5 Mit-
gliedern bestehenden Untersuchnngskommission in Vorschlag ge-
bracht werde, welche eine Prüfung der Wirtschaftslage Deutsch-
lands anstellen soll. Dieses beabsichtigte Eingreifen des Völker-
bundes in das Reparationsproblem werde aber jetzt schon von ver-
schiedenen Seiten abfällig beurteilt.
Die Eröffnungssitzung.
Edwards zum Präsidenten gewählt.
G e n f, 4. Sept.
Die 3. Völkerbundsversammlmtg wurde heute vormittag 11.15
im Reformationssaal eröffnet. Die Tribünen des Publikums und
der Presse waren schon lange vor Beginn der Sitzung überfüllt.
Der Präsident des Völkerbundsrates Da Gama hielt die Eröff-
nungssitzung in französischer Sprache, unter Bezugnahme aus die
in diesen Tagen beginnende brasilianische Jahrhundertferer gab er
seiner Genugtuung Ausdruck, der Völkervnndsversammlung bei-
wohnen zu dürfen. Auf die Arbeit des Völkerbundes kurz ein-
gehend, erklärte er, die Behauptung sei ungerechtfertigt, daß der
Völkerbund die Gefahr in sich berge, zu einer Art ueberstaat zu
werden. Er eröffnete hierauf durch Zuruf die Wahl der Kom-
mission zur Prüfung der Vollmachten der Delegationen. Die Er-
öffnungssitzung fand 11.40 ihr Ende. In der heute nachmittag
4 Uhr stattfindenden Sitzung erfolgt die Wahl des Präsidenten.
Die V öl kerb und s versa mm lung schritt in ihrer heu-
tigen Nachmittagssitzung zur Wahl ihres Präsidenten. Der
Wahlakt wurde vollzogen, ohne daß vorher aus der Versammlung
Vorschläge gemacht worden wären, da die Delegierten sich bereits
vorher über den Namen des Vertreters von Chile, Edwards,
Chilenischer Gesandter in London, geeinigt hatten. Er wurde mit
42 von 44 abgegebenen Stimmen gewählt. Eiße Stimme erhielt
der schweizerische Delegierte Motta, die andere -er Delegierte von
Uruguay, Blanc-.
Präsident Edwards Hielt hierauf eine längere Ansprache an
die Versammlung, der er tiefbewegt den Dank für die Wahl aus-
sprach, die er als eine Ehrung des lateinischen Amerikas arfffasse.
Am Vorabend der panamerikanischen Konferenz von
Santiago werde mit ihm Amerika diese Befriedigung in An-
erkennung der wesentlichen Rolle empfinden, die es nach Ansicht des
Völkerbundes in dem internationalen Streben nach Frieden und
Gerechtigkeit zu spielen berufen ist. Präsident Edwards kvmizeichi-
nete dann nach ehrenden Worten für seine Vorgänger auf dem
Präsidentensitze die Aufgabe der diesjährigen Völkerbunds-
versammlung folgendermaßen: Sie müsse die Festigung des
bisher Erreichten, vor allem der in den letzten beiden Jah-
ren geschaffenen Völkerbnndsorgawismen erzielen. Mit einer dis-
kreten Wendung wies Präsident Edwards auch auf den universellen
Charakter des Völkerbundes Hin. Er schloß unter allgemeinem
Beifall mit einem Appell an die Mitarbeit aller Delegierten.
Ein deutsch-französischer
Jndustrievertrag.
Stinnes gegen die Reichsregierung.
Die „Deutsche Allgemeine Zeitung", das Organ des
Stinneskonzerns, ist in den letzten Tagen verboten worden, weil sie
wieder einmal in unerhört diskreditierendem Ton gegen die Er-
füllungspolitik der Regierung Wirth Front manchte, die uns im
Ausland längst um jeden Kredit gebracht habe und schuld sei an
unserem ganzen wirtschaftlichen Elend. Umso sonderbarer berührt
demgegenüber die Nachricht, daß Stinnes am 13. August mit dem
Senator Lubersac, idem Vorsitzenden des Generalverbandes der
Wiedevaufbaugenossmschaften der zerstörten Gebiete einen Liefe-
rungsvertrag im Rahmen des WiesbadenerAbkommens abgeschlossen
habe, der dem Stinneskonzern einen großen Teil der von Deutsch-
land zu leistenden Sachleistungen sichert. Also: Man bekämpft mit
pathetischer Entrüstung die Erfüllungspolitik der Regierung, nützt
sie aber geschäftlich so gut wie möglich aus.
Im „Echo de PariS" macht heute Herr Luversac einige,
leider nur sehr unvollständige Angaben über Natur und Aus-
maße dieser Vereinbarung: Herr Lubersac erklärt, daß
die Initiative zu diesen Verhandlungen von ihm selbst ausgegangen
sei. Die Sinistrierten seien, nachdem man sie vier Jahre mit leeren
Versprechungen vertröstet habe, des Wartens müde und entschlossen,
den Wiederaufbau ihrer Ruinen selbst in die Hand zu nehmen.
Aus diesem Entschluß her««» sei der Gedanke entsprungen, mit der

deutschen Industrie in direkte Verhandlungen zu treten, und Her«
Stinnes sei ihm dafür als der geeignete Mann erschienen. Die
erste Besprechung habe am 13. August in der Nähe von Mainz statt-
gefunden. Herr Lubersac berichtet darüber, daß die Verhandlungen
mit.ausgesuchter Liebenswürdigkeit geführt worden seien, und daß
schließlich ein Vertrag zustande gekommen sei, in dem Herr Stinnes
sich verpflichtet, dem Generalverband der Wiederaufbauge-
nosfenschaften die von ihm gewünschten Materialien zu lie-
fern. Der Umfang der abgeschlossenen Lieferungen erhellt aus der
Bemerkung, daß dieser Vertrag, vorausgesetzt, daß er von beiden
Seiten loyal erfüllt werde, den Wiederaufbau der zerstörten Städte
und Dörfer außerordentlich beschleunige. Herr Lubersac hat
der französischen Regierung sofort nach seiner Rückkehr Mitteilung
von den Vereinbarungen gemacht und der Generalverband der
Wiederaufüaugenossenschasten hat zu ihrer Durchführung bereits
ein eigenes Organ geschaffen.
Das „Journal" und das „Oeuvre" begrüßen, wie ver
fchiödene andere Blätter, lebhaft das von dem Präsidenten der Zen
tralverbände für den französischen Wiederaufbau, Lubersac, mi
Hugo Stinnes geschlossene Abkommen und sagen, daß damit eiw
neue Methode in der Reparationsangelegenheit eröffnet wor
den sei. Die langsame Methode der Behörden sei damit auf eiw
sehr angenehme Art vereinfacht und abgekürzt worden Das Btat
erinnert daran, daß auch die übrigen Gruppen für den Wieder
ausbau in die von Lubersac vertretene» Verbände nicht cinbegriffe«
sind und fast ein Viertel der französischen Kriegsgeschkdigten um-
fassen, diesem Beispiele nachfolgen könnten.
Die „F raukf. Zt g." nimmt in ihrem heutigen 2. Morgen-
blatt zu dieser Angelegenheit Stellung, sie findet das allgemeim
Urteil bestätigt, daß offenbar unter Führung von Stinnes ein»
Gruppe von Industriellen, vielleicht auch eine Gruppe der Deutschei!
Volkspartei, die Ablehnung der Pariser Beschlüsse der Reparations,
kommission fordert, während die gleiche Gruppe mit vollem Bedach!
die geschäftlichen Chancen wahrnimmt, die sich aus der bisherigen
Reparattonspvlitik der Regierung in der Wiederaufbaufrage ergeben
haben. Die Auffassung, daß etwa Herrn Stinnes öder anderen In-
dustviellen bei diesen geschäftlichen Abschlüssen mit französischen Ab»
nehmern von der Reichsregierung Schwierigkeiten bereite!
worden wären, und daß sich hieraus die Plötzliche scharfe Kampf-«
stellung gegen das Kabinett Wirth erkläre, möchten ivtr nach
unserer Kenntnis der Dinge nicht für zutreffend halten. Denn
wir wüßten nicht, welchen Grund die Reichsregierung haben könnte,
die tatsächliche Durchführung der Sachlieferungsverträge gerade
durch Herrn Stinnes und seine Kreise zu erschweren. Wir habe»
neulich die Möglichkeit angedeutet, daß einer der Gründe vielleicht
für die Kampagne der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" in de«
Vakanz in der Leitung des Auswärtigen Amtes
zu suchen sei, weil der Kanzler selbst die Leitung des Auswärtigest
Amtes behalten und sich keinen von anderer Seite präsentierten
Kandidaten aufdrängen lassen will. Für heute «rächten wir nur
seststellen, daß bis jetzt kein Widerspruch gegen diese Erklärung laut
geworden ist.
Daß es sich bet dem Vorgehen der „Deutschen Allgemeinen
Zeitung" um eine Sonderaktfon einer bestimmten Gruppe
handelt, bestätigt heute das Berliner volksparteiliche Organ „Die
Zeit". Sie hält es für verfehlt, die Deutsche Volkspartsi
mit den Aufsätzen der „D. A. Z." in Verbindung zu bringen, und
glaubt deshalb nicht, daß den Artikeln, derentwegen das Verbot
erfolgte, politische Bedeutung beigemessen zu werden brauche. So-
weit wir sehen, scheint tatsächlich innerhalb der Deutschen Volks-
partei die Aktion der „D.A.Z.", die nun einmal als Aktion des
Herrn Stinnes erscheint, mit einigem Unbehagen verfolgt zu wer-
den, und es dürften auch bereits Schritte maßgebender Stellen der
Partei erfolgt sein, um eine Klärung herbeizuführeir.

Reichrfinanzminister Hermes in München.
München, 4. Sept. Reichsfirmnzmin-tster Dr. Hermes, der
Wie bereits gemeldet, in Begleitung des Staatssekretärs Zapf
und des Regier'lmgsrates Dr. Tergenge in München weilt,
stattete auf Einladung des 1. Bürgermeisters -gestern nach der Be-
sichtigung des Neubaus des Deutschen Museums, dem Rathause
einen Besuch ab. Hier wurde er von Oberbürgermeister Dr.
Schmidt begrüßt, der auf die Notlage der Gemeinden zu
sprechen kam, und u. a. erklärte, daß die städtischen Verwaltungen,
Wenn die Betriebe nicht zusammenbrechen sollen, auch fernerhin auf
das Entgegenkommen und die Hilfe des Fiuanzministcrimus an-
gewieesn seien, weil die gesetzliche Regelung der Zuschuß- und
Stöuerfragen erst an-gebahnt sei. Die Verantwortlichen Faktoren
in den Gemeinden seien zwar bemüht, der schlechten Lage Herr zu
werden, doch sei es Ihnen Sei der Lage der Dinge nicht möglich die
Notlage aus eigener Kraft zu meistern. Es sei daher irr Inter-
esse der Einheit und Geschlossenheit des Deutschen Reiches unbe-
dingt erforderlich, daß da ausreichende Hilfe in dieser schweren
Zeiten geleistet werde. Finonzminister Dr. Hermes dankte für dis
Begrüßung und bekundete sein volles Verständnis für die Notlage
der Gemeinden. Er erklärte, daß die bisher gewährten Zahlungen
an die Gemeinden als AbschlagszalMin-gen und als Auftakt zu
einem harntonischen Zusammenarbeiten voll Reich, Land und Ge-
meinden betrachtet werden müßten. Ferner streifte Dr. Hermes!
nochmals kurz die Finanz- und Reparationspolitik der letzten Tage.
Dann trugen sich der Minister und seine Begleiter in das Gedenk-
buch der Stadt ein. An: Nachmittag fuhren sie nach Starnberg, von
Wo aus sie, wie bereits bekannt, zu den Paffiousfpielen nach Ober-
 
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