AAo: Die etnspattigr Petitzeil«
5M deren Raum (38 mra breit)
ReNameanzeigen(74rnm
breiNMk.38.-. BeiWieberholun,
Sen Nachlaß n. Tarif. Eeheimmittel,
Mzeigen finden keine Aufnahme,
Volkszeitung
Teschästsstunden:8—SUHr. Sprech»
stunden der Redaktion: 11—13 UM
Postscheckkonto Karlsruhe Rr. SM?,
Tel.-Adr.: VolkszettungHeidelberä.
Druck ».Verlag der Unterbadische»
Verlagsanstalt E. m. b. 8., Heidel«
berg. Keschaftsstelle: Schrödcrstr. M.
Tell: ErpedittonL87Su.Redart.SS7S.
W sie «MWeMMerm »er WlsWrle MelM, Wie,lot, Wiew, Wdise«, Kerdot, MsSot. Ateo. ASeWim, MM, !MwSW«ew o. WMHei»
... «.M. ... . .«L...,7^.. . .- 5^' 7ML-LM
4. Jahrgang
Heidelberg, Samstag, den 14. Oktober 1922
Nr. 240
Präsidentenwahl.
Heidelberg, 14. Oktober 1922.
Der Vorschlag des Reichskabinetts, die Wahl
des Reichspräsidenten am 3. Dezember
doczunehlnsn, macht es int hohen Grade wahrschein-
lich, daß schon in acht Wochen das stimmbe-
rechtigte Volk an die Wahlurne gerufen wird, tun
nch seinen obersten Beamten und ersten Repräsen-
tanten selbst zu wählen. Hieran wird auch der Ver-
such der Dmttschen Liberalen Bolkspartei und ihres
Managers Stinnes um Verschiebung der
Wahl, weil die Rechte keinen hassenden Kandidaten
hat, nichts ändern. Die deutsche Republik hat keine
Ursache, die Wahl ihres Präsidenten den Wünschen
Monarchisten anzupassen. Es wäre wahrlich
em Sathrspiel, wenn man die Präsidentenwahl ge-
rade aus Wunsch jener Partei verschieben würde,
die seit Jahren auf diese Wahl drängt. Wir tonnen
uns dahxx nicht denken, daß man in der Reichs-
Regierung auf die volksparteilichen Wünsche eingeht.
- -Leun das Bürgertum keinen passenden Kandidaten
hat, dann must es eben schon im Staatstnterefse
Wine Stimme mit den Sozialdemokraten aus Fritz
Ebert vereinigen.
Britz Ebert ist heute nicht mehr nur der Ver-
stauensmann der sozialdemokratischen Arbeiterschaft,
§ie ihm unbedingt die Treue hält, wie er sie ihr
SehWen hat, sondern er hat sich die Achtung auch
solcher Kreise erworben, denen an sich ein Sozial-
demokrat auf dem Präfidentenstuyl peinlich und
Nierwünscht ist. Diese Kreise halten Ebert durch-
aus nicht für den Sachwalter ihrer Interessen, wie
das die Kommunisten mit papageienhafter Läster-
tunge immerfort behaupten, sondern sie wissen sehr
' ''atu, das; er sich der Arbeiterklasse im Innersten
verbunden fühlt und davon auch sein Handeln in
allen kritischen Lagen bestimmen lässt. Aber diese
Festigkeit seines Charakters ist es auch, die dem
anständigen Teil seiner politischen Gegner Respekt
Mflößt und es geraten erscheinen läßt, lieber noch
den aus der Arbeiterschaft hervorgegangenen Präsi-
dcnien eine Zeitlang zu ertragen, als mit einem
Renting aus der „besseren" Gesellschaft sich auf das
Eis der im kommenden Winter gewiß nicht sonder-
"ch angenehmen politischen Aera zu wagen.
Jedem aufrichtigen und ehrlichen Republikaner,
-UH wenn er nicht die sozialistischen. Uebsrzeugungeu
unseres Reichspräsidenten teilt, mutz es freilich
-2hvensache sein, daß gerade dieser Mann wieder-
sewähkt wird, um damit vor der ganzen Welt zu
»ekunden, daß das deutsche Volk wirklich politisch
reif und zuverlässig demokratisch geworden ist. Mit
»er Wiederwahl Eberts »nutz sozusagen dolumen-
ravisch bewiesen werden, daß die Deutschen nicht
wehr das Bedientenvolk von ehemals sind, das nur
„hochwohlgeborenen", „höchsten" und „aller-
höchsten" Herrschaften regiert sein wollte, sondern
»atz es die Achtung vor sich selbst wiederge-
sundeil -hat und darum stolz darauf ist, einen Prä-
ndenten zu haben, der sich selbst vom einfachen Hand-
werker zum höchsten Staatsamt emporgearbeitet hat.
solcher Stolz, der einem Volke wie dem ameri-
wischen (wir erinnern an Lincoln u. a.) schon
w Kes M Blute sitzt, daß es gerade die aus dem
niedrigsten Arbeiterstunde hervs (gegangenen Staats-
Umruer am allermeiste» schätzt und ihren früheren
-oevus ihnen zur Ehre anrechnet, mutz jenen Deut-
nyen erst noch anerzogen werden, die sich heute daran
«r lümmelhafte Bemerkungen darüber
>r, daß Ebert in Heidelberg und nicht in Berlin,
. Sohn eines Schneiders gebaren wurde, daß er
^»Handwerk gelernt, Gastwirt gewesen und in der
-iweiterbewegung von der Pike auf gedient hat.
beispiellosen Kamps mit Dummheit
..rv Schlechtigkeit werden wir Ms dennoch gefaßt
machen -müssen, wenn es nun ernstlich an die Präsi-
v-Mtenwiatzl geht. Denn die Dsutschnationalen mit
" „völkischen" Anhang verleugnen ihre Cha-
?^erlostgkeit auch darin nicht, daß sie, obwohl sie
W ^' 7, Republik verachten und nur einen von
- otte-> Gnaden eingesetzten Monarchen wiederhaben
wolle», sich an der Wahl beteiligen und also ihr
^bburäum führen -Verden. Wer ihr Kan-
«ps- - ^"d, steht allerdings noch immer nicht
rca' EuMe raten auf Kahr, der nach der „Deut-
Wohl Aussicht hat, von der
der Deutschen und der Bayert-
- . n Volkspartei gemeinsam aufgestellt zu werden,
'nI. «Erlich nur als Platzhalter für „Rupertus
«E dem endgültigen Bankerott der Ho-
' >üNi-n> her nächste Anwärter auf einen wieder-
Kaiserthron wäre. Andere werden
b E^>t ^'"e Kandidatur Hindenburg zu schie-
" ^suchen, und Wieder andere einen Stroh-
siiDStin n -e s. Wir aber wollen zu d e m
der treulich in schwerster Zeit den
-cc, E"'.. den ihm die Reichsversafsung auflegte:
daß ich meine Kraft dem Wohle des
Schaan" von 'Emen, seinen Nutzen mehren,
Ge en- des R-.-- ^Een, die Verfassung und die
^.^hes wahren, meine Pflichten ge-
MannT Gerechtigkeit gegen ieder-
hol?"m-vi"r dräsident Ebert während seiner nun
M dw 'm ??? Probezeit getan. Darum wird
eben do! 'butschen Volkes dafür ein-
LL wftd.' keinandereram 3. Dezem-
PMM« M
Zwischen den unterzeichneten Landesvorständen
ist heute eine Vereinbarung zustande gekommen, »ach
der die organisatorische Durchführung der in Nürn-
berg beschlossenen
Vereinigung der beiden sozialdemokratischen
Parteien Deutschlands nun auch in Baden
als vollzogen betrachtet
werden kann. An der Arbeiterschaft in Stadls und
Land ist es nun, die Vereinigte Sozialdemokratische
Partei auch in Baden zu einem Sammelbecken sür
alle proletarischen Schichten und damit zu einem
starken Machtzentrum zu Machen. Auch alle jene,
die bisher, durch den leidigen Bruderzwist der letzten
Jahre abgestotzen, ihr noch femstanden, müssen jetzt
wieder unter die sieggewohnten Fahnen der Sozial-
demokratie zurückkehren.
Die bevorstehenden Gemeindewahlen
bieten uns erstmals die Gelegenheit zur Erprobung
der durch den Zusammenschluß gewonnenen neuen
Kräfte. Auf ihre Vorbereitung gilt es jetzt zunächst
alle unsere Arbeit zu konzentrieren. Neben der
Stärkung unserer Organisation und der Ausfüllung
unserer durch die Geldentwertung erheblich ge-
schwächten Kasse mutz dabei unsere erste und vor-
nehmste Aufgabe die intensive
Verbreitung unserer Presse
sein. Im politischen wie insbesondere auch im Wirt-
schaftlichen Kampf gilt -es jetzt, das schleichende
geistige Gift der im Solde des Privatkapitals stehen-
den bürgerlichen Presse unschädlich zu machen und
dem Sozialismus den Weg zu ebnen.
Groß und schwer sind die Aufgaben, deren Lösung
unserer Partei im bevorstehenden Winter hartt. Nur
die politische Tat, hinter der der geschlossene Massen-
wille des aufgeklärten Proletariats steht, wird sie
zu meistem vermögen. Ob jung, ob alt, ob Mann,
Die Lage im Reich.
Zur PräfivLKtrmvahl.
B e r lin, 14. Okt. Der Partei-Vorstand der
Deutschen Volkspartei setzt seine Bemühun-
gen fort, die Wahl des Reichspräsidenten durch
Reichstagsbeschluß h in a u s z u s chi e b e n.
Berlin, 14. Okt. In einer gestern abend statt-
gefundenen Versammlung der Deutsch natio-
nalen Volkspartei empfahl deren Vorsitzen-
der mit großer Wärme Hindenburg als Präsi-
dentschaftskandidaten.
Waffeufunde.
Weimar, 14. Ott. In einer thüringischen
Reichswehrkaserne! wurden in einem Tauben-
schlag versteckt eine größere Anzahl Waffen und
Maschinengewehre gesunden. Die Untersuchung ist
eingeleitet.
Verdächtige Waffenkäufe.
München, 13. Okt. Die Wassengeschäste! des
bayerischen Oberlandes werden, wie der
„Rosenheimer Anzeiger" meldet, zur Zeit von zwei-
felhaften Elementen besucht, die alle verfügbaren
Waffen auszu kaufen versuchen mit der Angabe,
die Waffen seien sür die Türken bestimmt. Es ist
nicht ausgeschlossen, daß die Waffen in Wirklichkeit
innerhalb Deutschlands Verwendung fin-
den sollen.
Eine GeNugLumig Mr Prof» Nicolai
Berlin, 13. Ott. In der Privatklagesache Prof.
Nicola t, der zur Zeit als Dozent in Argentinien
weilt, gegen den Schriftsteller Tho m a, wegen Be-
leidigung und Verleumdung wurde der
Angeklagte vom Schöffengericht zu einer Geld-
strasevonl200Mark oder 12 Tagen Haft ver-
urteilt. Der Angeklagte hatte behauptet, baß der
pazifistisch gesonnene Privatkläger von der Entente
mit mehreren Millionen Franken unterstützt worden
sei und daß er französischen und englischen Offizieren
Material gegen die deutschen Behörden in der Ent-
wasfnungssrage geliefert hätte. Ink Urteil hob das
Gericht hervor, daß lediglich juristische Gesichtspunkte
maßgebend gewesen seien. Nicolai sei ein Mann
in angesehener Stellung, dessen politische Betätigung
als idealistisch angesprochen werden müsse.
-> --
Die Lage im Ausland.
SowjeLmethodsn.
London, !3. Okt. Die „Times" meldet aus
Riga: Aus Befehl des Obersten Sowjetgerichtshofes
wurden sämtliche Mitglieder des Z eNtralaus-
s ch u s s e s d e r a l l r u s s i s ch e n G e w e r k s ch as-
te n v e r h a f t e t,
Moskau, 13. Okt. Der Entwurf des neuen
Wehrpslichtgesetzes der Sowjelregie-
rung enthält folgende Bestimmungen: Alle Bürger,
die das 2V. Lebensjahr «reicht haben, sind wehv-
pslichtig und der fällige Jahrgang wird im Februar
oder März cingezogsn. Personen, denen infolge
ihrer Klassenzugehörigkeit oder Regierungsfeindlich-
wtc keine Waffen anvertraut werden können^ haben
VMIMWM.
ob Frau, alle müssen an diesem schwierigen Werk
Mitarbeiten.
Auf also, Parteigenossen; Parteigenossinnen in
Stadt und Land, an die Arbeit! Tue jeder seine
Pflicht!
Mit vereinten Kräften vorwärts und aus-
wärts!
Mannheim, den 13. Oktober 1922.
Der Bezirksvorstand der Sozialdemokratischen
Partei Baden.
Der Limdesvorstand der U.S.P.
K
Die Einzelheiten des Etnignngs-
avkomMens lauten:
In einer am 13. Oktober stattgefundenen gemein-
samen Sitzung der Bezirksvorstände der U.S.P. und
S.P.D. Badens wurde der Vollzug der organisato-
rischen Einigung beendet.
Danach bekontMt die seitherige U.S.P. in den aus
dem Parteitag neuzuwählertden Bezirksvorstand
zwei, im Bezirksausschuß drei Vertreter.
Die Zuwahl von Vertretern der seitherigen
U.S.P. in die Ortsver-einsvorstäude empfehlen die
Bezirksvorstände, sie nach gegenseitiger Verständi-
gung in einer den örtlichen Verhältnissen gerecht
werdenden Weise vorzunehmen.
In gleicher Weise auch die Aufstellung der Kan-
didaten für die bevorstehende Gemeindewahl.
An jenen Otten bzw. Kreisen, wo Preßkommis-
sionen bestehen, sind diese in ähnlicher Weise zu er-
gänzen.
Dis Beschickung des Parteitags durch Vertreter
der seitherigen U.S.P. wird den örtlichen Verein-
barungen überlassen, wobei die Gesamtzahl der zu
entsendenden Vertreter in dem Rahmen des K 9
letzter Absatz des OrgMisationsstatuts zu halten ist.
die Dienstpflicht nach besonderen noch zu veröffent-
lichenden Bestimmungen abzuleisten. Die aktive
Dienstzeit ist lstk Jahre bei der Infanterie und Ar-
tillerie, 2^ Jahre bei der Kavallerie, Jahre bei
der Luftfloke und 4-s Jahre bei der Marine.. Ms
Freiwillige können auch Ausländer in den Heeres-
dienst ausgenommen werden.
Die internationale Lage.
Der OvienLksnMt.
Paris, 13. Okt. Schon wieder wird eine
Grenzverletzung gemeldet. Einer gestern abend in
London eingetrossenen Konstantinopeler Depesche zu-
folge haben die Türken wieder die neutrale
Zone, diesmal im Norden von Daridja aus der
Halbinsel Jsmed, verletzt. Eine Truppe von
ungefähr 4000 Mann ist mehrere Meilen in der- Rich-
tung auf Tarpeunen vorgerückt. Dis englischen
Generale haben das türkische Oberkommando darauf
aufmerksam gemacht. Marr hat den Eindruck, daß
die Türken sich beeilen, Stellungen zu erringen, von
denen aus sie Konstantinopel beherrschen, um auf
diese Weise noch vor der Konferenz den Abzug der
fremden Truppen «zwingen zu können.
London, 13. Okt. „Daily Telegraph" schreibt:
Die neue Verletzung der neutralen Zone von Jsmed
durch eine starke türkische Truppenabteilung habe
eine sehr ernste Lage geschaffen. Diesmal könne
unmöglich angenommen werden, daß es sich nur um
einen Irrtum handle.
Russisch-türkische Milttkrkonvention?
Paris, 13. Okt. Aus Riga wird gemeldet,
daß einer dort eingetrosfeneu Moskauer Nachricht
zufolge zwischen der russischen Regierung und der
Angoraregierung kürzlich in Berlin eine Militär-
konvention abgeschlossen worden sei.
Zur Reparationsfrage.
Der Plan Bradburys.
Paris, 13. Okt. Ueber das der Reparations-
kommtsston vorliegende Projekt Bradburys
erfährt das „Petit Journal" folgende Einzelheiten:
Danach soll Deutschland nicht nur sür zwei, sondern
sür süns Jahre von den Barzahlungen
befreit werden. Dafür wird es der Reparations-
kommission Wechsel oder Obligationen ausfolgen,
die jede der alliierten Regierungen nach eigenem
Gutdünken und unter eigener Verantwortung und
Garantie auf den Markt bringen kann.
Französische Mainpläne?
Brüssel, 13. Ott. Zu den von Frankreich an-
gekündigteu positiven Vorschlägen für die anfangs
Dezember stattfindende Finanzkonserenz in Brüssel
verlautet nach einer Meldung der Test-Union in
politischen Kreisen, Latz fvanzösischerseits bei der
belgischen Regierung eine Verlegung der Zollgrenze
von d«? lothringischen Grenze nach der Mainlime
verlangt wird. In dieser Maßnahme will Frank-
reich sein großes politisches Ziel der letzten
Jahre erreichen, die wirtschaftliche Einbeziehung der
Rh-einprovinz und des Ruhrgebiets in das franzö-
sische. Wirtschaftsgebiet,
Der Prozeß gegen die
Rathenaumörder.
Am Samstag Urteilsvsrkündrmg.
Leipzig; 13. Ott.
Die Angeklagten sind heute Mr zeitig zur Stelle.
Neußerlich Md sie ruhig, doch merkt man an des
fliegenden Nervosität ihrer Hände, daß d« innech
Spannung der Erwartung ihnen schon unettrAMch
wird. Der Vorsitzende verliest zunächst eis«» Be-
schluß bezüglich Schütts und Dtestels. Diese wärest
ursprünglich von der Anklage wegen Beihilfe vom
OberveichsanwM sreigegeben worden. Der Ge-
richtshof hatte seinen Beschluß ausgesetzt, ihn aber
heute däy-iU! gefaßt, daß
Schütt und Diestel wegen Beihilfe und Anstiftung
außer Verfolgung gesetzt
werden. Insoweit werden die Kosten dem Staat
aufgsbürdet.
Rechtsanwalt Alsberg erklärt, seine Man-
danten Schütt und Diester seien ganz unpolitisch
und ohne jeden polMsch-m Anlaß mit in die Tat
verstrickt worden. Sie haben sich nicht der BWUn-
stiMN-g schuldig -gemacht, d. h. keiner vorsätzlichen
Handlung, um die Täter ihrer Strafe zu entziehen.
Die Täter Haven sie über ihre wahren Absichten ge-
flissentlich getäuscht. Aber sobald sie die TM
erfahren hatten, haben sie dm Tätern- keinen Bei-
stand geleistet, sondern nur noch Irrtümer und
Unterlassungen begangen aus Furcht vor der
Tätern, aus Furcht vor der Polizei, aus Furcht vor
d« den Verrätern direkt angedrohten R a ch e, also
in einer Notstandslage,die sie entschuldigt. Der Ver-
teidig« fordert zum Schluß Freisprechung seiner
Klienten.
Rechtsanwalt Gold stück er, der MttvertsM-
ger für Schütt und Diestel, macht sich zum Gegner
des Rechtsanwalts Hahn, zum Ankläger der mit-
schuldigen Rechtsparteien. Er geht zuerst -allgemein
Ms die psychologischen Vorgänge ein, die die Mr-
gen Leute auf die Anklagebank brachten. Rathenan
müßte umgebracht werden, weil er ein Jude war
und weil er nicht bereit war, gewisse Prilvi-
legien der durch die Revolution entthronten
Kreise wieder herzustellen. Das brachte ihm
Feindschaft bestimmter Parteien. In wMem Geiste
zuletzt sich diese Feindschaft in beschränkten Köpfen
Mswirktc, davon haben die dsu'sch no-ioimlen
Schmähbrirse an den durchaus konservativen OukÄ
des Techow Zengnis gegeben. So hat diese Feind-
schaft zuletzt ans die jungen Leute Wied« avgesärbt,
die in ihr« Unrmse nur in Instt-Meu handelten. So
haben sie, wie Krieg das letzte Mittel der Diplo-
matie ist, den
Meuchelmord für das letzte Mittel der Jnnenpolitik
schalten. Die politischen Führer behalten die Ver-
antwortung dafür.
Rechtsanwalt Bl o ch, der für Plaas und Tilles-
sen sprach, gibt zu, daß Tillesfen Einzelheiten von
der Tat gewußt hat. Plaas habe nur bruchstückweise
Kenntnis gehabt.
Nach einer Replik des OberreichsanwMs Dv
Ebermsyer verliest FuMrai Dr. Hahn MM
Brief der Mutter Rathenaus an Frau Techow,
worin es heißt, daß sie Techow verzeihe, wie Gott
ihnen verzeihen möge, wenn er vor der iMschM
Gerechtigkeit ein volles öffentliches Bekenntnis av-
r-ögt und vor der göttlichen bereut.
Am Schluß der Verhandlung beteuert der ältere
Techow, daß er die Wahrheit gesagt halbe. Warnecke
beteuert seine Unschuld. Die übrigen Angeklagte»
verzichten auf das Wort. In diesem Augenblick
kommt es noch zu einem Zwischenfall, weil nch eist
Photograph in den Saal eWgeschlichen Hatte, der,
vier Ausnahmen machte.
Das Urteil soll Samsta g u m 12 U H r ver-
kündet werden. Falls das Gericht bis dahin noch in
keinem Beschluß gekommen ist, wird die VerkürM-
gung um 3 Uhr «folgen.
Republik Baden.
Zum Rücktritt Dr. Hummels.
Heidelberg, 14. Oktober 1922.
Wenn auch Dr. Hummel bis zu seinem Eintritt
in den Beirat des Direktoriums der Badischen Ani-
lin- und Sodafabrik in Ludwigs-Hasen -- als sein
künftiger Wohnsitz wird HeideWerg genannt — Mit-
glied des Ministeriums bleibt, so beginnt doch be-
reits das große Rätselraten über seinen Nachfol-
ger. Die Wahl wird bekanntlich nach Zusammen-
tritt des Landtags im November erfolgen. Als
Nachfolger Dr. Hummels in der Leitung des Kul-
tus- und Unterrichtsministeriums werden genannt
der derzeitige Präsident des Berwaltungsgerichts«
Hofs, Abg. Dr. Karl Glöckner, und der Ministe-
rialdirektor im Ministerium des Innern, Otto
Leevs. Auch davon ist die Rede, daß der ehe-
malige Minister Dietrich wieder in die Regierung
zurückkehren soll, was wir jedoch für sehr unwahr-
scheinlich halten. Etwas Bestimmtes verlautet ist
dieser Hinsicht jedoch noch nicht.
Krieg uud Handwerk.
Es ivird uns geschrieben:
Nach den Untersuchungen des Statistischen Lan-
desamtes ist der durch den Krieg entstandene Aus-,
fall im Handwerkskammervezirk Mannheim
gegenüber der Vorkriegszeit bereits wieder einge-
holt, im Handwerkskammerbezirk Karlsruhe ist
er nur noch sehr gering (277 Betriebe). Dagegen
beträgt die Zahl der selbständigen HarLwerksbetriebe
im Jahr 1921 im Handwerkskammervezirk Kou-
stauz rund 1400 Betriebe, im Handwerkskäimner-
bezirk Freiv u > a sogar 2330 Betriebe weniger
als im Jahr 191S. Der günstige Stand in den Be-
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berg. Keschaftsstelle: Schrödcrstr. M.
Tell: ErpedittonL87Su.Redart.SS7S.
W sie «MWeMMerm »er WlsWrle MelM, Wie,lot, Wiew, Wdise«, Kerdot, MsSot. Ateo. ASeWim, MM, !MwSW«ew o. WMHei»
... «.M. ... . .«L...,7^.. . .- 5^' 7ML-LM
4. Jahrgang
Heidelberg, Samstag, den 14. Oktober 1922
Nr. 240
Präsidentenwahl.
Heidelberg, 14. Oktober 1922.
Der Vorschlag des Reichskabinetts, die Wahl
des Reichspräsidenten am 3. Dezember
doczunehlnsn, macht es int hohen Grade wahrschein-
lich, daß schon in acht Wochen das stimmbe-
rechtigte Volk an die Wahlurne gerufen wird, tun
nch seinen obersten Beamten und ersten Repräsen-
tanten selbst zu wählen. Hieran wird auch der Ver-
such der Dmttschen Liberalen Bolkspartei und ihres
Managers Stinnes um Verschiebung der
Wahl, weil die Rechte keinen hassenden Kandidaten
hat, nichts ändern. Die deutsche Republik hat keine
Ursache, die Wahl ihres Präsidenten den Wünschen
Monarchisten anzupassen. Es wäre wahrlich
em Sathrspiel, wenn man die Präsidentenwahl ge-
rade aus Wunsch jener Partei verschieben würde,
die seit Jahren auf diese Wahl drängt. Wir tonnen
uns dahxx nicht denken, daß man in der Reichs-
Regierung auf die volksparteilichen Wünsche eingeht.
- -Leun das Bürgertum keinen passenden Kandidaten
hat, dann must es eben schon im Staatstnterefse
Wine Stimme mit den Sozialdemokraten aus Fritz
Ebert vereinigen.
Britz Ebert ist heute nicht mehr nur der Ver-
stauensmann der sozialdemokratischen Arbeiterschaft,
§ie ihm unbedingt die Treue hält, wie er sie ihr
SehWen hat, sondern er hat sich die Achtung auch
solcher Kreise erworben, denen an sich ein Sozial-
demokrat auf dem Präfidentenstuyl peinlich und
Nierwünscht ist. Diese Kreise halten Ebert durch-
aus nicht für den Sachwalter ihrer Interessen, wie
das die Kommunisten mit papageienhafter Läster-
tunge immerfort behaupten, sondern sie wissen sehr
' ''atu, das; er sich der Arbeiterklasse im Innersten
verbunden fühlt und davon auch sein Handeln in
allen kritischen Lagen bestimmen lässt. Aber diese
Festigkeit seines Charakters ist es auch, die dem
anständigen Teil seiner politischen Gegner Respekt
Mflößt und es geraten erscheinen läßt, lieber noch
den aus der Arbeiterschaft hervorgegangenen Präsi-
dcnien eine Zeitlang zu ertragen, als mit einem
Renting aus der „besseren" Gesellschaft sich auf das
Eis der im kommenden Winter gewiß nicht sonder-
"ch angenehmen politischen Aera zu wagen.
Jedem aufrichtigen und ehrlichen Republikaner,
-UH wenn er nicht die sozialistischen. Uebsrzeugungeu
unseres Reichspräsidenten teilt, mutz es freilich
-2hvensache sein, daß gerade dieser Mann wieder-
sewähkt wird, um damit vor der ganzen Welt zu
»ekunden, daß das deutsche Volk wirklich politisch
reif und zuverlässig demokratisch geworden ist. Mit
»er Wiederwahl Eberts »nutz sozusagen dolumen-
ravisch bewiesen werden, daß die Deutschen nicht
wehr das Bedientenvolk von ehemals sind, das nur
„hochwohlgeborenen", „höchsten" und „aller-
höchsten" Herrschaften regiert sein wollte, sondern
»atz es die Achtung vor sich selbst wiederge-
sundeil -hat und darum stolz darauf ist, einen Prä-
ndenten zu haben, der sich selbst vom einfachen Hand-
werker zum höchsten Staatsamt emporgearbeitet hat.
solcher Stolz, der einem Volke wie dem ameri-
wischen (wir erinnern an Lincoln u. a.) schon
w Kes M Blute sitzt, daß es gerade die aus dem
niedrigsten Arbeiterstunde hervs (gegangenen Staats-
Umruer am allermeiste» schätzt und ihren früheren
-oevus ihnen zur Ehre anrechnet, mutz jenen Deut-
nyen erst noch anerzogen werden, die sich heute daran
«r lümmelhafte Bemerkungen darüber
>r, daß Ebert in Heidelberg und nicht in Berlin,
. Sohn eines Schneiders gebaren wurde, daß er
^»Handwerk gelernt, Gastwirt gewesen und in der
-iweiterbewegung von der Pike auf gedient hat.
beispiellosen Kamps mit Dummheit
..rv Schlechtigkeit werden wir Ms dennoch gefaßt
machen -müssen, wenn es nun ernstlich an die Präsi-
v-Mtenwiatzl geht. Denn die Dsutschnationalen mit
" „völkischen" Anhang verleugnen ihre Cha-
?^erlostgkeit auch darin nicht, daß sie, obwohl sie
W ^' 7, Republik verachten und nur einen von
- otte-> Gnaden eingesetzten Monarchen wiederhaben
wolle», sich an der Wahl beteiligen und also ihr
^bburäum führen -Verden. Wer ihr Kan-
«ps- - ^"d, steht allerdings noch immer nicht
rca' EuMe raten auf Kahr, der nach der „Deut-
Wohl Aussicht hat, von der
der Deutschen und der Bayert-
- . n Volkspartei gemeinsam aufgestellt zu werden,
'nI. «Erlich nur als Platzhalter für „Rupertus
«E dem endgültigen Bankerott der Ho-
' >üNi-n> her nächste Anwärter auf einen wieder-
Kaiserthron wäre. Andere werden
b E^>t ^'"e Kandidatur Hindenburg zu schie-
" ^suchen, und Wieder andere einen Stroh-
siiDStin n -e s. Wir aber wollen zu d e m
der treulich in schwerster Zeit den
-cc, E"'.. den ihm die Reichsversafsung auflegte:
daß ich meine Kraft dem Wohle des
Schaan" von 'Emen, seinen Nutzen mehren,
Ge en- des R-.-- ^Een, die Verfassung und die
^.^hes wahren, meine Pflichten ge-
MannT Gerechtigkeit gegen ieder-
hol?"m-vi"r dräsident Ebert während seiner nun
M dw 'm ??? Probezeit getan. Darum wird
eben do! 'butschen Volkes dafür ein-
LL wftd.' keinandereram 3. Dezem-
PMM« M
Zwischen den unterzeichneten Landesvorständen
ist heute eine Vereinbarung zustande gekommen, »ach
der die organisatorische Durchführung der in Nürn-
berg beschlossenen
Vereinigung der beiden sozialdemokratischen
Parteien Deutschlands nun auch in Baden
als vollzogen betrachtet
werden kann. An der Arbeiterschaft in Stadls und
Land ist es nun, die Vereinigte Sozialdemokratische
Partei auch in Baden zu einem Sammelbecken sür
alle proletarischen Schichten und damit zu einem
starken Machtzentrum zu Machen. Auch alle jene,
die bisher, durch den leidigen Bruderzwist der letzten
Jahre abgestotzen, ihr noch femstanden, müssen jetzt
wieder unter die sieggewohnten Fahnen der Sozial-
demokratie zurückkehren.
Die bevorstehenden Gemeindewahlen
bieten uns erstmals die Gelegenheit zur Erprobung
der durch den Zusammenschluß gewonnenen neuen
Kräfte. Auf ihre Vorbereitung gilt es jetzt zunächst
alle unsere Arbeit zu konzentrieren. Neben der
Stärkung unserer Organisation und der Ausfüllung
unserer durch die Geldentwertung erheblich ge-
schwächten Kasse mutz dabei unsere erste und vor-
nehmste Aufgabe die intensive
Verbreitung unserer Presse
sein. Im politischen wie insbesondere auch im Wirt-
schaftlichen Kampf gilt -es jetzt, das schleichende
geistige Gift der im Solde des Privatkapitals stehen-
den bürgerlichen Presse unschädlich zu machen und
dem Sozialismus den Weg zu ebnen.
Groß und schwer sind die Aufgaben, deren Lösung
unserer Partei im bevorstehenden Winter hartt. Nur
die politische Tat, hinter der der geschlossene Massen-
wille des aufgeklärten Proletariats steht, wird sie
zu meistem vermögen. Ob jung, ob alt, ob Mann,
Die Lage im Reich.
Zur PräfivLKtrmvahl.
B e r lin, 14. Okt. Der Partei-Vorstand der
Deutschen Volkspartei setzt seine Bemühun-
gen fort, die Wahl des Reichspräsidenten durch
Reichstagsbeschluß h in a u s z u s chi e b e n.
Berlin, 14. Okt. In einer gestern abend statt-
gefundenen Versammlung der Deutsch natio-
nalen Volkspartei empfahl deren Vorsitzen-
der mit großer Wärme Hindenburg als Präsi-
dentschaftskandidaten.
Waffeufunde.
Weimar, 14. Ott. In einer thüringischen
Reichswehrkaserne! wurden in einem Tauben-
schlag versteckt eine größere Anzahl Waffen und
Maschinengewehre gesunden. Die Untersuchung ist
eingeleitet.
Verdächtige Waffenkäufe.
München, 13. Okt. Die Wassengeschäste! des
bayerischen Oberlandes werden, wie der
„Rosenheimer Anzeiger" meldet, zur Zeit von zwei-
felhaften Elementen besucht, die alle verfügbaren
Waffen auszu kaufen versuchen mit der Angabe,
die Waffen seien sür die Türken bestimmt. Es ist
nicht ausgeschlossen, daß die Waffen in Wirklichkeit
innerhalb Deutschlands Verwendung fin-
den sollen.
Eine GeNugLumig Mr Prof» Nicolai
Berlin, 13. Ott. In der Privatklagesache Prof.
Nicola t, der zur Zeit als Dozent in Argentinien
weilt, gegen den Schriftsteller Tho m a, wegen Be-
leidigung und Verleumdung wurde der
Angeklagte vom Schöffengericht zu einer Geld-
strasevonl200Mark oder 12 Tagen Haft ver-
urteilt. Der Angeklagte hatte behauptet, baß der
pazifistisch gesonnene Privatkläger von der Entente
mit mehreren Millionen Franken unterstützt worden
sei und daß er französischen und englischen Offizieren
Material gegen die deutschen Behörden in der Ent-
wasfnungssrage geliefert hätte. Ink Urteil hob das
Gericht hervor, daß lediglich juristische Gesichtspunkte
maßgebend gewesen seien. Nicolai sei ein Mann
in angesehener Stellung, dessen politische Betätigung
als idealistisch angesprochen werden müsse.
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Die Lage im Ausland.
SowjeLmethodsn.
London, !3. Okt. Die „Times" meldet aus
Riga: Aus Befehl des Obersten Sowjetgerichtshofes
wurden sämtliche Mitglieder des Z eNtralaus-
s ch u s s e s d e r a l l r u s s i s ch e n G e w e r k s ch as-
te n v e r h a f t e t,
Moskau, 13. Okt. Der Entwurf des neuen
Wehrpslichtgesetzes der Sowjelregie-
rung enthält folgende Bestimmungen: Alle Bürger,
die das 2V. Lebensjahr «reicht haben, sind wehv-
pslichtig und der fällige Jahrgang wird im Februar
oder März cingezogsn. Personen, denen infolge
ihrer Klassenzugehörigkeit oder Regierungsfeindlich-
wtc keine Waffen anvertraut werden können^ haben
VMIMWM.
ob Frau, alle müssen an diesem schwierigen Werk
Mitarbeiten.
Auf also, Parteigenossen; Parteigenossinnen in
Stadt und Land, an die Arbeit! Tue jeder seine
Pflicht!
Mit vereinten Kräften vorwärts und aus-
wärts!
Mannheim, den 13. Oktober 1922.
Der Bezirksvorstand der Sozialdemokratischen
Partei Baden.
Der Limdesvorstand der U.S.P.
K
Die Einzelheiten des Etnignngs-
avkomMens lauten:
In einer am 13. Oktober stattgefundenen gemein-
samen Sitzung der Bezirksvorstände der U.S.P. und
S.P.D. Badens wurde der Vollzug der organisato-
rischen Einigung beendet.
Danach bekontMt die seitherige U.S.P. in den aus
dem Parteitag neuzuwählertden Bezirksvorstand
zwei, im Bezirksausschuß drei Vertreter.
Die Zuwahl von Vertretern der seitherigen
U.S.P. in die Ortsver-einsvorstäude empfehlen die
Bezirksvorstände, sie nach gegenseitiger Verständi-
gung in einer den örtlichen Verhältnissen gerecht
werdenden Weise vorzunehmen.
In gleicher Weise auch die Aufstellung der Kan-
didaten für die bevorstehende Gemeindewahl.
An jenen Otten bzw. Kreisen, wo Preßkommis-
sionen bestehen, sind diese in ähnlicher Weise zu er-
gänzen.
Dis Beschickung des Parteitags durch Vertreter
der seitherigen U.S.P. wird den örtlichen Verein-
barungen überlassen, wobei die Gesamtzahl der zu
entsendenden Vertreter in dem Rahmen des K 9
letzter Absatz des OrgMisationsstatuts zu halten ist.
die Dienstpflicht nach besonderen noch zu veröffent-
lichenden Bestimmungen abzuleisten. Die aktive
Dienstzeit ist lstk Jahre bei der Infanterie und Ar-
tillerie, 2^ Jahre bei der Kavallerie, Jahre bei
der Luftfloke und 4-s Jahre bei der Marine.. Ms
Freiwillige können auch Ausländer in den Heeres-
dienst ausgenommen werden.
Die internationale Lage.
Der OvienLksnMt.
Paris, 13. Okt. Schon wieder wird eine
Grenzverletzung gemeldet. Einer gestern abend in
London eingetrossenen Konstantinopeler Depesche zu-
folge haben die Türken wieder die neutrale
Zone, diesmal im Norden von Daridja aus der
Halbinsel Jsmed, verletzt. Eine Truppe von
ungefähr 4000 Mann ist mehrere Meilen in der- Rich-
tung auf Tarpeunen vorgerückt. Dis englischen
Generale haben das türkische Oberkommando darauf
aufmerksam gemacht. Marr hat den Eindruck, daß
die Türken sich beeilen, Stellungen zu erringen, von
denen aus sie Konstantinopel beherrschen, um auf
diese Weise noch vor der Konferenz den Abzug der
fremden Truppen «zwingen zu können.
London, 13. Okt. „Daily Telegraph" schreibt:
Die neue Verletzung der neutralen Zone von Jsmed
durch eine starke türkische Truppenabteilung habe
eine sehr ernste Lage geschaffen. Diesmal könne
unmöglich angenommen werden, daß es sich nur um
einen Irrtum handle.
Russisch-türkische Milttkrkonvention?
Paris, 13. Okt. Aus Riga wird gemeldet,
daß einer dort eingetrosfeneu Moskauer Nachricht
zufolge zwischen der russischen Regierung und der
Angoraregierung kürzlich in Berlin eine Militär-
konvention abgeschlossen worden sei.
Zur Reparationsfrage.
Der Plan Bradburys.
Paris, 13. Okt. Ueber das der Reparations-
kommtsston vorliegende Projekt Bradburys
erfährt das „Petit Journal" folgende Einzelheiten:
Danach soll Deutschland nicht nur sür zwei, sondern
sür süns Jahre von den Barzahlungen
befreit werden. Dafür wird es der Reparations-
kommission Wechsel oder Obligationen ausfolgen,
die jede der alliierten Regierungen nach eigenem
Gutdünken und unter eigener Verantwortung und
Garantie auf den Markt bringen kann.
Französische Mainpläne?
Brüssel, 13. Ott. Zu den von Frankreich an-
gekündigteu positiven Vorschlägen für die anfangs
Dezember stattfindende Finanzkonserenz in Brüssel
verlautet nach einer Meldung der Test-Union in
politischen Kreisen, Latz fvanzösischerseits bei der
belgischen Regierung eine Verlegung der Zollgrenze
von d«? lothringischen Grenze nach der Mainlime
verlangt wird. In dieser Maßnahme will Frank-
reich sein großes politisches Ziel der letzten
Jahre erreichen, die wirtschaftliche Einbeziehung der
Rh-einprovinz und des Ruhrgebiets in das franzö-
sische. Wirtschaftsgebiet,
Der Prozeß gegen die
Rathenaumörder.
Am Samstag Urteilsvsrkündrmg.
Leipzig; 13. Ott.
Die Angeklagten sind heute Mr zeitig zur Stelle.
Neußerlich Md sie ruhig, doch merkt man an des
fliegenden Nervosität ihrer Hände, daß d« innech
Spannung der Erwartung ihnen schon unettrAMch
wird. Der Vorsitzende verliest zunächst eis«» Be-
schluß bezüglich Schütts und Dtestels. Diese wärest
ursprünglich von der Anklage wegen Beihilfe vom
OberveichsanwM sreigegeben worden. Der Ge-
richtshof hatte seinen Beschluß ausgesetzt, ihn aber
heute däy-iU! gefaßt, daß
Schütt und Diestel wegen Beihilfe und Anstiftung
außer Verfolgung gesetzt
werden. Insoweit werden die Kosten dem Staat
aufgsbürdet.
Rechtsanwalt Alsberg erklärt, seine Man-
danten Schütt und Diester seien ganz unpolitisch
und ohne jeden polMsch-m Anlaß mit in die Tat
verstrickt worden. Sie haben sich nicht der BWUn-
stiMN-g schuldig -gemacht, d. h. keiner vorsätzlichen
Handlung, um die Täter ihrer Strafe zu entziehen.
Die Täter Haven sie über ihre wahren Absichten ge-
flissentlich getäuscht. Aber sobald sie die TM
erfahren hatten, haben sie dm Tätern- keinen Bei-
stand geleistet, sondern nur noch Irrtümer und
Unterlassungen begangen aus Furcht vor der
Tätern, aus Furcht vor der Polizei, aus Furcht vor
d« den Verrätern direkt angedrohten R a ch e, also
in einer Notstandslage,die sie entschuldigt. Der Ver-
teidig« fordert zum Schluß Freisprechung seiner
Klienten.
Rechtsanwalt Gold stück er, der MttvertsM-
ger für Schütt und Diestel, macht sich zum Gegner
des Rechtsanwalts Hahn, zum Ankläger der mit-
schuldigen Rechtsparteien. Er geht zuerst -allgemein
Ms die psychologischen Vorgänge ein, die die Mr-
gen Leute auf die Anklagebank brachten. Rathenan
müßte umgebracht werden, weil er ein Jude war
und weil er nicht bereit war, gewisse Prilvi-
legien der durch die Revolution entthronten
Kreise wieder herzustellen. Das brachte ihm
Feindschaft bestimmter Parteien. In wMem Geiste
zuletzt sich diese Feindschaft in beschränkten Köpfen
Mswirktc, davon haben die dsu'sch no-ioimlen
Schmähbrirse an den durchaus konservativen OukÄ
des Techow Zengnis gegeben. So hat diese Feind-
schaft zuletzt ans die jungen Leute Wied« avgesärbt,
die in ihr« Unrmse nur in Instt-Meu handelten. So
haben sie, wie Krieg das letzte Mittel der Diplo-
matie ist, den
Meuchelmord für das letzte Mittel der Jnnenpolitik
schalten. Die politischen Führer behalten die Ver-
antwortung dafür.
Rechtsanwalt Bl o ch, der für Plaas und Tilles-
sen sprach, gibt zu, daß Tillesfen Einzelheiten von
der Tat gewußt hat. Plaas habe nur bruchstückweise
Kenntnis gehabt.
Nach einer Replik des OberreichsanwMs Dv
Ebermsyer verliest FuMrai Dr. Hahn MM
Brief der Mutter Rathenaus an Frau Techow,
worin es heißt, daß sie Techow verzeihe, wie Gott
ihnen verzeihen möge, wenn er vor der iMschM
Gerechtigkeit ein volles öffentliches Bekenntnis av-
r-ögt und vor der göttlichen bereut.
Am Schluß der Verhandlung beteuert der ältere
Techow, daß er die Wahrheit gesagt halbe. Warnecke
beteuert seine Unschuld. Die übrigen Angeklagte»
verzichten auf das Wort. In diesem Augenblick
kommt es noch zu einem Zwischenfall, weil nch eist
Photograph in den Saal eWgeschlichen Hatte, der,
vier Ausnahmen machte.
Das Urteil soll Samsta g u m 12 U H r ver-
kündet werden. Falls das Gericht bis dahin noch in
keinem Beschluß gekommen ist, wird die VerkürM-
gung um 3 Uhr «folgen.
Republik Baden.
Zum Rücktritt Dr. Hummels.
Heidelberg, 14. Oktober 1922.
Wenn auch Dr. Hummel bis zu seinem Eintritt
in den Beirat des Direktoriums der Badischen Ani-
lin- und Sodafabrik in Ludwigs-Hasen -- als sein
künftiger Wohnsitz wird HeideWerg genannt — Mit-
glied des Ministeriums bleibt, so beginnt doch be-
reits das große Rätselraten über seinen Nachfol-
ger. Die Wahl wird bekanntlich nach Zusammen-
tritt des Landtags im November erfolgen. Als
Nachfolger Dr. Hummels in der Leitung des Kul-
tus- und Unterrichtsministeriums werden genannt
der derzeitige Präsident des Berwaltungsgerichts«
Hofs, Abg. Dr. Karl Glöckner, und der Ministe-
rialdirektor im Ministerium des Innern, Otto
Leevs. Auch davon ist die Rede, daß der ehe-
malige Minister Dietrich wieder in die Regierung
zurückkehren soll, was wir jedoch für sehr unwahr-
scheinlich halten. Etwas Bestimmtes verlautet ist
dieser Hinsicht jedoch noch nicht.
Krieg uud Handwerk.
Es ivird uns geschrieben:
Nach den Untersuchungen des Statistischen Lan-
desamtes ist der durch den Krieg entstandene Aus-,
fall im Handwerkskammervezirk Mannheim
gegenüber der Vorkriegszeit bereits wieder einge-
holt, im Handwerkskammerbezirk Karlsruhe ist
er nur noch sehr gering (277 Betriebe). Dagegen
beträgt die Zahl der selbständigen HarLwerksbetriebe
im Jahr 1921 im Handwerkskammervezirk Kou-
stauz rund 1400 Betriebe, im Handwerkskäimner-
bezirk Freiv u > a sogar 2330 Betriebe weniger
als im Jahr 191S. Der günstige Stand in den Be-