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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (September bis Dezember)

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Nr. 231 - Nr. 240 (4. Oktober - 14. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48724#0151

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4» Jahrgang

Heidelberg, Samstag, den 7. Oktober 1922

Nr. 284

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« Ä MM MM U MM MM MM MM b.'lg.SeschÄfirstciN'iSnrödkrfir.«.
«nmgen finden keine Aufnahme. U M TeQ Expedition 8873 u.Redakt.SS7S.
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Zur letzten Völker-
bundstagnng.
Heidelberg, 7. Oktober 1922.
. Die dritte ordentliche Tagung der Völker-
n»d s v e r summlun g in Genf ist numnehr
deeiwet. Sie vermochte, wie gesagt werden mutz,
Ms Interesse der Welt nicht sonderlich zu beschäs-
nsm. Bereits im Vorjahre konnte man allenthalben
EMe zunehmends Gletchgttltigkeit sowohl
»er maßgebenden politischen Faktoren wie auch der
reiten Oefsentlichkeit gegenüber diesem ersten Ver-
iuch eines Weltparlamentes beobachten.
Der Versuch des südafrikanischen Delegierten Lord
modert Cecil, die Reparationsfrage in den
Mfgahenkreis des Völkerbundes zu rücken, mag
Mch außen hin durch die Annahme einer kompromitz-
'Mchen und verwässerten Resolution als geglückt
yingestellt werden, doch wird sich kein wirklicher
Politiker über die Tragweite dieses Ergebnisses täu-
uyen lassen. In Wahrheit hat der Beschluß der
Polkerbundsversammlnng keinen wirklich praktischen
^Ert, denn die französische Delegation hielt dabei
dem Grundsatz der Unantastbarkeit der Friedens-
Mttrügx ausdrücklich fest, und nichts war charakte-
Mischer für den Geist, der zumindest die Franzosen
n hex Abnahme dieser Resolution beseelte, als die
'"Phistische Formel, die ihr Hauptredner Henri de
Evntzmel bei dieser Gelegenheit gebrauchte, nämlich,
«tz die Rev ts ion d es F ried ens v e rtrag s
? "'Ehbedeuteitd sei mit einer Neutralität, die man
m>> letzx Diese lapidare Behauptung ist übrigens
'cht ,rnx lächerlich, sondern auch von dem Stand-
tn inm Frankreich gerade jetzt im griechisch-
l'kischen Kriege dem Sevres-Vertrag gegenüber ein-
mrmt, gefährlich. Heute, wo alle Mächte darüber
mg stutz, daß das Werk von Sevrcs einer vollstän-
Mn Revision bedarf, »ri-mmt sich eine solche Hei-
lhsprechung des Versailler Gewaltfriedens in
kür Diuude des französischen Delegierten nm so ko-
nscher aus, als bekanntlich die Forderung nach einer
Revision von Ssvres zu allererst von Frankreich er-
hoben wurde.
Ebensonteigativ wie die Debatte über die Rspara-
wnsfragen ging auch die Aussprache über die A l, -
r, " 6 ss r a g e aus. Auch hier wurde ein Kom-
lromiß mehr schlecht als recht zusauunenaezimmert,
'»"D ivisderum nach dem Willen Frankreichs, den
pachten gestattet, ihre Abrüstung von dem vorheri-
N Zustandekoinmei! von Schutz- und Garanttever-
üügen abhüilgig zu rnachen-.
Am kläglichsten war auch das Versagen des Völ-
Ekbundes in jener Frage, die zwar nicht aus der Ta-
»"--ordnung stand, deren Erörterung aber unter den
Mgebenen Verhältnissen eine Selbstverständlichkeit
«mr: der griechisch-türkische Krieg, der
gerade in den Tagen von Genf zu einen: neuen
..Eankrieg oder gar zu noch schlimmerem auSzu-
"chseu drohte. Schon die Satzungen des Völker-
»Udes hätten ihn zu einem rücksichtslosen Eingreifen
cramassen sollen. Diesmal aber waren es dis
Mischer Vertreter, die zuerst bremsten und den ent-
^wenden Vorbehalt in den Vordergrund der De-
citle rückten, daß der Völkerbund nur dann in Ak-
^on treten dürfe, wenn er von den Eiltentemächten
Mr berufen sein würde. Diese Einschränkung hat
im - ims hj» Delegierten verschiedener britischer Do-
md»ns und auch neutraler Länder zu energischen
horten des Protestes veranlaßt, doch blieb es letz-
en Eudes dabei.
. inan sich unter solchen Umständen wundern,
^ülit selbst diejenigen Kreise Englands und auch
Deutschlands, die die Hoffnung hegen, aus
. eism Versailler Völkerbuild später doch noch ein
mronsMiges und segenbringendes Instrument zu
«hen, von dieser dritten Völkerbundstagung min-
neus ebenso schwer enttäuscht sind wie von
r zweiten, die in der damals so notwendigen Hilfs-
das huldgernde Rußland so kläglich ver-
A nauer Das Hauptübel des gegeilwärtigen Völ-
, Quiches ist doppelter Ärt lind wird auch von den
^A^igeil Verfechtern der Bölkerbundsidee ink-
erkannt und immer offener zugegeben;
ist einnral die Tatsache, daß der Bund ein Pro-
des Versailler Vertrages ist, dessen Inhalt be-
, nmlich mit den Völkerbundssatzungen eingeleitet
«rs, und zweitens, daß außer Amerika zumindest
et Großmächte darin nicht vertreten sind, nämlich
^<MschlaM und Rußland.
nu ^'Arag Löbes, der in Augsburg einstim-
"g Annahme gefunden hat und der sicherlich auch
Mersprnchslos in Nürnberg angenommelk worden
lnnlu Eintritt Deutschlands in den Völkör-
«!is von einer nicht näher umschriebenen Voraus-
. abhängig gemacht, deren Sinn aber ganz
r g Deutschland muß ebenso wie Frank-
n»Toland, Italien und Japan einen ständi -
dr> M Völkerbundsrat ^halten, denn
'sE allein besitzt einen gewissen Einfluß nament-
der Regelung der laufendett Verwaltungs-
9"Nheiten des Vuikdes, die Deutschland am
,^-.-i.en berühren — Saargebiet, Danzig, Oberschle-
' en, ehemalige deutsche Schutzgebiete und dergtei-
öt ganz selbstverständlich, daß, solange
Aua?. "KA billderlde Zusicherungen nach dteier
erhält, es einen Antrag um Aufnahme
UND nicht stellen wird. Ob die Ver-
feri,>» bereits vor dem Beginn der jetzt abgeschlos-
n Tagung so wett gediehen waren, daß nament-

lich Frankreich seine Zustimmung zu einer derartigen
Zusicherung erteilt hätte, darf wohl bezweifelt wer-
den. Wahrscheinlich hat der enttäuschende Verlauf
dieser dritten Tagung die Stimmung für den Ein-
tritt Deutschlands unter der oben gekennzeichneten
Voraussetzung bei den allermeisten Delegationen,
vielleicht sogar bei der französischem wesentlich er-
höht, so daß bei der vierten Tagung im Herbst 1923
Deutschland nicht mehr Objekt, sondern Subjekt des
Völkerbundes sein wird. Dafür spricht u. a. der Be-
schluß, die Zahl der nichtständigen Mitglieder des
Rates von vier aus sechs zu erhöhen, der ausdrücklich
unter der Voraussetzung angenommen wurde, daß
auch die Zahl der ständigen Mitglieder des Rates
durch den Hinzutritt mindestens zweier Großmächte
bis dahin erhöht werden würde. Dies ist ein klei-
ner Lichtblick in die Zukunft des Völkerbundes. Wir
sind bereit, an der Rettung des Völkerbundes mit-
zuwirken, nicht aber an der Rettung des Versailler
Friedensvertrages. Und während der Versailler
Friedensvertmg den Grundsatz der Gleichberechti-
gung zwischen Ententemächten und Deutschland ver-
neinte und diese Verneinung sogar auf den Wortlaut
und auf den Geist des Völkerbundstatuts zu erstrec-
ken versuchte, wollen wir den Völkerbund nur als
gleichberechtigte Macht betreten.

Neue Schwierigkeiten im
Orient»
Unterbrechung der Konferenz in
Mudania.
Paris, 6. Okt. Die Lage hat sich wieder ver-
schärft. Die Konferenz von Mudania ist gestern
unterbrochen worden. Die alliierten Generäle
sind nach Konstantinopel zurückgekehrt, ohne daß eine
offizielle Kundgebung über den Grund dieser Unter-
brechung abgegeben wurde.
Französisch-englische Gegensätze,
Paris, 6. Okt. Poincar 6 hat den franzö-
sischen Pressevertretern bestätigt, daß die Verhand-
lungen mit den Türken insStocken geraten seien.
Der Ministerpräsident äußerte die Meinung, daß nur
von einer kurzen Verhandlungspause die Rede fein
könne.- In Mudania habe über die Grundfragen
völlige Einigkeit bestanden. Die Tatsache, daß eine
Verständigung über die praktische Ausführung bis-
her »richt erzielt worden sei, scheine zu beweisen, daß
der Friedenswille nicht bei allen Konferenzteilneh-
mern gleich stark sei.
Die Antwort Angoras.
Paris, 6. Okt. Die Antwort Angoras auf die
unter dem 23. September ergangene Einladung der
Mächte zu einer Zwischenkonferenz ist gestern in
einem vorläufigen telegraphischen Auszug bei dem
englischen Ministerium des Aeutzeren eingegangen.
In dieser Antwort wird die Eröffnung der Kon-
ferenz auf den 20. Oktober in Smyrna vorge-
schlagen. Es wird ferner das Erstaunen darüber
zum Ausdruck gebracht, daß bei den Verhandlungen
über die Meerengen keine der beteiligten Mächte wie
Rußland, die Ukraine und Georgien ein-
geladen worden sind. Die Teilnahme dieser Staaten
au den VerhanÄlungen würde die Regelung der
Meerengenfrage erst zu einer dauernden machen und
ihre Einladung wird deshalb verlangt.
Ein nüchternes Bild.
Die „Franks. Ztg." erhält folgendes Privattele-
gramm aus London: Offiziell wird hier wie-
derum stärkster Pessimismus zur Schau getragen;
tatsächlich «her nimmt niemand die Vorgänge
von Mudania tragisch. Die offiziöse Presto polemi-
siert im übrigen äußerst lebhaft gegen Frankreich
wegen der Rolle Franklin-Bouillons.
Die Ursache des Abbruches.
Paris, 7. Okt. (Letzte telegraphische Meldung.)
Der „Temps" berichtet aus London: Die Ursache der
Vertagung der Konferenz von Mudania bezieht sich
nicht aus Tschanak. Hierin scheint man viel-
mehr zu einer Einigung gekommen zu sein. Die
türkischen Vertreter bestanden vielmehr darauf, daß
die osmanische Armee Thrazien 30 Tage «ach
der Räumung durch die Griechen besetzen sollen
Sie fordern überdies die Einbeziehung der Festung
Adrtanopel in die Besstzungszone. Dieser Versuch
der Friedenskonferenz vorzugreifen, hat die Einigkeit
gesprengt.

Die Lage im Reich.
Gegen die Erhöhung des Umlage-
gstreidepreises.
Berlin, 6. Okt. Nach einer Meldung des
„Vorwärts" ms Dresden hat die sächsische
Regierung im Reichsrar Men Antrag Mge-
bmcht, der Reichsrat möge gegen den Ausschuß-
beschluß über die Erhöhung des Preises für das
erste Drittel des Umlagegetreides Widerspruch
erheben, da der Ausschuß nach dem Gesetz über die
Regelung des Verkehrs mit Getreide ans der Ernte
von 1922 nur das Recht habe, über den Preis für
das zweite und dritte Drittel der Umlage gehört
zn werden. Die Rcichsregiemng habe deshalb an
dem von dem Reichstag beschlossenen Preis für das
WM UnttEdrittel festzuüMen.

Eine Rede des Reichskanzlers.
Konst «ns, 6. Okt. Gestern abend waren Ver-
trete« der hiesigen Behörden sowie Abgeordnete des
Reichs- und Landtags aus dem Bezirk Konstanz
vom Reichskanzler Dr. Wirth, der am Bodensse
seinen Urlaub verbringt, zu Gast geladen. Nach
eirse« Begrüßungsansprache Lurch den Oberbürger-
nreister hielt der Reichskanzler eine längere Rede.
Er bezeichnete es als Hauptrmsgabe der deutschen
Politik der letzten Jahr, die Einheit des Rei-
ches zu retten. Das sei gelungen. Die Atmosphäre
des Hasses schwinde von Jahr zu Jahr. Dias Re-
paMtionsproblem sei henke in ganz andere-Bahnen
gelenkt als zu Anfang. Der Reichskanzler recht-
fertigte dis deutsche Polittk. Auch eine andere
PEeikoUstellation könne keine andere Politik trei-
ben. Der Kanzler' sagt weiter, lein Stand könne
allein das deutsche Volk retten, das ganze Volk
müsse mithÄfsn. Nach dem ZusammeMruch habe
«Wt dis Parole Geltung: Republik oder Monar-
chie, sondern Chaos oder Republik. Der
Reichswehr widmete der Reichskanzler Worte der
Anerkennung und wandte sich zum Schluß gegen
die Ausbürdung der Alleinschuld am Kriege. Diese
Last könne ans dis Dauer kern Volk tragen. So-
bald wir etwas Positives in Händen hatten, haben
wir Schritte dagegen unternommen, daß man uns
allein die Schuld am Kriege ausbürdet. Jetzr ha-
ben wir Beweise. Unser Depeschenwechfel wird in
den nächsten Tagen in roter Sch-rist velöffenMcht
werden. Dem kommenden Winter sieht der
Kanzler mit Sorge entgegen. Es handle sich
dabei nm die Organisierung des Kampfes ge-
gen den Hunger. Die kommenden ReichstacB-
verhandlungen haben schwere Entscheidungen zn
troffen. An dis Ausführungen des Reichskanzlers
schloß sich eine zwanglose Unterhaltung.
Die Not der Preße.
Das Zeitungssterben geht Weiler. Das Erscheinen
haben eingestellt: Das im 98. Jahrgang erscheinende
„Delitzscher Tageblatt", der 45 Jahre alte
„Rheingau-Bote", das „Badische Be-
ck m tenblat t", die Zeitschrift „O berdeutsch -
land". Die M ontagsblätter des „Hamburger
Fremdenblatts" und der „Hamburger
Nachrichten" haben ihr Erscheinen eingestellt.
Statt mehrmals werden in der Folge nur noch cin-
mnl erscheinen: die „Deutsche Tageszeit g.",
das „W i esb ad n er T a g e b lat t", der „F rän-
kif-che K nsi c'r". ESrnso ist auch unser „H am»
burger Echo" zum einmaligen Erscheinen zurück-
gekehrt.
. ."'--'-EM'ErWW -
Der Prozeß gegen die
Rathenaumörder.
Die Freitagssitzung im Rathenauprozeß begann
mit der Vernehmung des Zeugen Erwin Behrens,
des Onkels Techows, auf dessen Gut Techow ver-
haftet wurde. Nach dessen Aussage habe Techow
von Politik nichts verstanden; doch stand er unter
dem Einfluß der Freikorps, in denen er diente.
Während des Mordes war der Zeuge in Berlin.
Als er 2 Tage später nach Haufe aufs Gut kam,
traf er dort zu seinem Erstaunen Techow. Beim
Abendbrot fragte er ihn, was er zu dem entsetzlichen
Mord sage. Techow meinte, darüber könne man
doch verschieden urteilen. Der Zeuge, dessen Vater
ein entschiedener Freund der Rathenaus war, wurde
heftig, worauf Techo wortkarg aufstarrd und schla-
fen ging. Morgens kamen Zeitungen mit
dem NamenTechow. Der Zeuge nahm seinen
Revolver und ging zu Techow hinüber. Dieser fuhr
ans dem Schlafe auf. Behrens zeigte ihm die Zei-
tung. Da schrie Techow: „Onkel, glaube mir, ich
bin kein Mörder, ich Habe nur den Wagen gefahren."
Der Onkel drang in ihn, die Anstifter zu nennen,
ohne damit Erfolg zu haben.
In der Brieftasche Techows lagen 800 Mk., aber
kein Patz. Auf Befragen sagte Techow: „Nein, ich
habe nichts, sie haben mich ganz allein in der Ge-
schichte stecken lassen." Der Onkel ließ den Revolver
im Zimmer zurück und entschloß sich dann, weil es
das Beste war, Techow verhaften zu lassen." Der
Zeuge erzählte dann weiter, daß er viele anonyme
Schimpf- und Drohbriefs erhieli. Techow habe ihn
inzwischen um Verzeihung gebeten. Ueber den
jüngsten Techow erzählte er, er sei mitzra t e n,
kränklich und verworren. Er habe immer ein füh-
render Politiker Deutschlands werden wollen, und
seine Mutter habe solche Reden für Begabung ge-
halten. Die Verteidigung beantragt die Verneh-
mung des Kriminalkommissars Huth, der Techow
auf dem Gute seines Onkels verhaftet hat. Während
dieser Zeuge gesucht wird, beginnt die Vernehmung
des Angeklagten SteinbeÄ, bet dem Brand und
Techow gewohnt hatten, während sie in Dresden auf
das Küchenmeistersche Auto warteten.
Durch seinen Bericht über Szenen im Dresdener
Bureau des Jugendbundes, wo Brand an Küchen-
meister telephonierte, kommt man endlich aus den
Kern des Märchens von der Gefangenenbefretung
im besetzten Gebiet. Ihm liegt lediglich ein gedruck-
ter Aufruf zugrunde, worin Geldsammlungen für
die Familien der' in Düsseldorf Verhafteten erbeten
wurden. Bevor Steinveck weiter spricht, beantragt
R.-Sl. Hckhn
Ausschluß der Oefsentlichkeit
wegen Gefährdung der staatlichen Sicherheit. Der
Gerichtshof beschließt -dementsprechend und schließt
auch die Presse aus. Die Sachs, Wer die
Steinheck nicht öffentlich sprechen will, ist in Wahr-
heit nur eine A n sred e. Steinbeck hatte Auftrag
erhalten, ein zweites Auto für die Flucht der
Mörder zu beschaffen, war aber von einem MUo-
mobilhändler ab-gewieseu worden. Er behauptet
MU, er HMe dieses Auto «ach seiner Meinung für

eine nationale Waffenschiebung beschaffen sollen;
über die er öffentlich nichts sagen könne, ohne dem
Reich Schwierigkeiten zu bereiten.
In der Vernehmung der Angeklagten am Nach-
mittag gibt Angeklagter Diestel, der Geschäfts-
kompagnon von Schütt, zu, die Autokarten der Mör-
der verbrannt zu haben. Weiter erzählt er, daß das
Geschäft jetzt verkauft werden mutzte, weil dis Leute
mit Fingern auf ihn und Schütt zeigten und nichts
verkauft werde. Aus Angst vor der Rache der Täter
habe er dem Kriminalkommissar unrichtige Angaben
gemacht. — Der Angeklagte
Wsrner Votz
gehörte der S.P.D. und der U.S.P.D. an. Auf die
Frage des Präsidenten erklärte er, daß Günther ihm
nicht die näheren Umstände des Mordplanes erzählt
habe, sondern nur von einem ins Wasser gefallenen
Plan eines Studenten gesprochen habe. Günther
habe zu ihm gesagt: „Erzberger ist nicht der Letzte".
Er habe Günter nicht für voll genommen und die
Aeußerung nicht weiter beachtet. Als Günther sich
von ihm trennte, habe er noch gesagt: „AufgeschoSeu
ist nicht aufgehoben. Es wird doch noch einmal
etwas passieren. Später hat es Voß für; richtig ge-
halten, dem Minister Rathenau
anonym eine Warnung zu schreiben,
in der er von drohenden Aeußeruugen einiger Per-
sonen, Mit welcbsn er zusammengekommen sei, sprach,
und -auch auf das Auto aufmerksam machte. Das
war ; w,c i T a g -e v o v -d « m Mor d.
Ta den: Angeklagten Güntbe r unwohl gewor-
den ist, muß die Sitzung auf 10 Minuten unter-
brochen werden.
Auf die Frage, warum Voß dem Minister Rathe-
uau zuDankvcr pflichtet sei, antwortete Voß,
daß er als Seemann auf Veranlassuug der englischen
Regierung im Frühjahr dieses Jahres festgenommen
wurde, worauf Rathenau sich für seine Freilassung
verwendet habe. Voß erklärte bei seiner weiteren
Vernehmung, das; er in den Mittags- und Abend-
blättern die Einzelheiten über die Mordtat gelesen
habe. Er.dachte zunächst au Günther und Techow.
Später kamen ihm Zweifel, da die Beschreibung des
Autos nicht Paßte. Am Wend habe er sich alles noch
einmal überlegt und dann einen Brief an den Poli-
zeipräsidenten geschrieben, der zunächst nicht gefunden
wurde. Erst jetzt in der Verhandlung erfuhr er,
daß der Brief gefunden sei.
Der Präsident übergibt dem Angeklagten den
Brief, den dieser verliest. Er lautet u. a.:
„Mittwoch traf ich einen mir bekannten Senn,
der mich bat, ihm eine Garage zu besorgen. Ich
sagte ihm, er solle mich abends anrufen, die Sache
werde dann erledigt werden. Am nächste» Tage
nachmittags 4 Uhr rief mich derselbe Herr an und
holte mich in einem Auto ab. Ich fuhr Mit ihm
zu einem Bekannten. Dort fragten beide Herren,
ob ich ihnen eine Maschinenpistole verschaffen
könne. Sie wollten an die Ostsee fahren und dort
schieße». Ich gab ihnen die Adresse eines Bekann-
te»;. Ob sie sich an ihr; gewandt haben, weis; ich
nicht. Sie fuhren Plötzlich weg und wollten gestern
früh zurück sein. Als die beiden sorig-efahren
waren, blieb ich bei meinem Bekannten. Ich
»»achte mir Gedanken, weshalb sie so aufgeregt
waren. Er antwortete, sie hätten irgend etwas
vor und erzählte mir von der beabsichtigten Er-
schießung Rathenaus. Ich sagte, das sei Quatsch.
Wenn ich das wüßte, hätte ich ihnen nicht gehol-
fen. Dann schrieb ich eitle»; Brief an Rathenau
»nit der Bitte, sich vorzusehen. Ich rief Rathenau
auch an, konnte ihn aber nicht erreichen. Gesten;
nachmittag rief einer an, ob ich ein Maschinen-
gewehr habe Als ich verneinte, hängte er ab.
Mittags hörte ich vor; der geschehene»; Tat."
Ange kl.: Meinen Namen habe ich nicht ge-
nannt, weil vom Untersuchungsrichter in Beuthen
ein Fahndungsbrief gegen mich erlassen war. (Es
handelt sich um einen Raubüberfall, an den; Voß
unschuldig war.) Der Haftbefehl ist inzwischen auf-
gehoben. Der Verteidiger des Voß stellt fest,
daß dieser nicht der schlechte Mensch sei, als de»; ihn
manche Zeitungen yingestellt hätte»;. Unter großer
Spannung wird »um der Angeklagte
TMeffsn, der Bruder des
ErZSergermörders,
vernommen. Er war KapitänlentnaM und später
für den- Neudsutschen Bund in- Hessen tätig. Er hat
sich viel »nit Politik beschäftigt und ist zweimal mit
Hoffmann in München gewesen. Er erzählt, in
Frankfurt kam er mit dem Zeuge»; Brttdigam
zusammen, der ihm mitteilte, Kom-muuisten verfolg-
ten ihn und wollten ihr; totschlagen. Er müsse flüch-
ten und bat um Nachtquartier und Geld. Trotzdem
ich sogenannter reaktionärer Offizier bin, wollte ich
dein Arbeiter Brü-digam Geld geben. Er verlangte
2000 Mk., -dann eine Stellung. Schließlich wollte er
nach Münchei; gehen, wo er Beziehungen hätte. Ich
erzählte ihm vom Neudeutschen Bund. Darauf
meinte er, er- hätte Beziehungen zu der; Kommunisten
und meinte, »nm; »Nüsse eine»; linksstehenden Politi-
schen Führer beseitigen, um eilte Besserung -der Ver-
hältnisse -hMbeizusühren. Er sprach vor; Rathenau,
da dieser mit Ra deck sympathisiere. Ich riet ihm
ab. Aus Befragen des Präsidenten über seine Stel-
lung zu Rathenau erklärt Ttllessen, er sei Gegner
seiner Erfüllungs Politik und seiner
Schriften. Besondere Abneigung gegen ihn als
Jude»; habe er nicht gehabt. Er fei Wohl völkrs ch,
aber nicht fanatisch gesinnt. Präs.: Sie
glauben, daß auch Juden gute Eigenschaften haben
können? Angell.: Jawohl, aber ich stehe auf dem
Rassenftandpunkt. Tillessen gab den; BrüdigaM iMt)
Mark eigenes Geld und 1000 Mk. seiner Frau. Brü-
digam gab ihm
Material über kommunistische Führer
und verriet die Adressen ihrer Nachrichtonbureans
in Fra-usn a. M-, München und Berlin. Er meinte,
in; Falle Tms Linksputsches müßte»; diese Führer
festgesetzt werden, -damit der Putsch mißlinge. Darm
 
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