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4. Jahrgang Heidelberg, Montag, den 1V. Oktober 1S22 Nr. 241
Hr
Der
des
Die ReMratrousfrage.
Vierjähriges Moratorium?
Paris, is. L?tt. Der „Temvs" veröffenMcht
lner Mitteilungen über den Neparationsplan
radburyZ. Der Plan. zielt aus Ausgleichung
«s deutschen Budgets und Stabilisierung der deut-
schen Mar; lM Bradbury schlägt folgendes vor:
1. Das deutsche Budget soll nahem völlig von dell
äußeren Verpflichtungen ans dem Friedensverttag
en klafter werden, eventl. bis zu einer Dauer von
Per Jahren. Dadurch soll Deutschland die Mög-
Mhkett gegeben werden, Kredit zu erhalten. Der
Markkurs soll stab ist fiert werden durch eine Rege-
lung, wonach die Reichsbank ermächtigt wird, Gold
«sgen Papiermark zi« einem Von einer gemischten
Kommission fest gesetzten Breis zu verkaufen. 3. Die
RevaratnMskomnlission soll reorganisiert und
nach Berlin verlegt werden.
Bradburys Kommunique.
Paris, 15. Ott. (Letzte telegr. Meldg.)
-Wortlaut der Vorschläge Bradburys,
englischen Delegierten bei der Reparationskommis-
sion liegt nunmehr vor. Sie lauten:
1. Deutschland mutz die Wiederherstellung des
Gleichgewichts in seinem Budget dadurch ermög-
licht werden, datz die Verbündeten ihm ausrei-
chende Kredite gewähren, damit alle Zahlungen
sm Deckung sämtlicher Verpflichtungen Deutsch-
lands gegenüber den Verbündeten, soweit sie sich
aus dem Friedensvertrag ergeben, für mindestens
drei, eventuell für vier Jahre aus dem deutschen
Budget ganz verschwinden.
2. Es mutz sofort eine Vereinbarung mit der
Neichssank über die Schaffung eines auf der
Goldreserve der Reichsbank basierten neuen
Währungszeichens getroffen und der Wert
dieser neuen Mark unverzüglich irgendwie fest-
gesetzt werden.
3. Die Reparationskommission mutz einer durch-
Meifendeu Umgestaltung unterzogen und nach
Berlin verlegt werde».
Aus der Begründung ist zu erwähnen:
Falls es gelingen sollte, ein weiteres Anwachsen
oer schwebenden Schuld Deutschlands zu verhüten,
A^de es keine ernsten Schwierigkeiten machen, die
,iarl kber ihrem gegenwärtigen Kurs zu stabilisieren
ohne Gefahr für die Goldreserve der Reichsbank.
^in Anwachsen der schwebenden Schuld kann aber
wc verhütet werden, wenn das Gleichgewicht im
^iaatshaushalt durch Ausschalten der Verpflichtun-
gen aus dem Friedensvertrag wiederhergestellt wird.
, Bradbury betont, Latz die Stundung der Devisen-
^Piingen gegenwärtig nicht genügen würde, um
Abhilfe zu schaffen. Nach seiner Ueberzeugung
oaven die Verbündeten nur die Wahl zwischen einer
völligen Stundung aller Barzahlungen und einer
lau vollständigen Stundung der Sachleistungen für
lange Frist und der Annahme von deutschen
--chatzwechseln mit fünfjähriger Lauffrist, für die
'eoer einzeln« der Verbündeten in Höhe des ihm
suMenden Teiles die Bürgschaft übernehmen Müßte.
Verbündeten würden die den Barzahlungen
"sprechenden Schatzwechsel selbst unter eigener
^ugschaft diskontieren lassen. Bradbury schlägt
or, daß fein System zunächst für drei Jahre an-
genommen wird, doch soll die Reparationskommis-
Rocht behalten, das Arrangement im Be-
lchsalle für weitere zwei Jahre zu ver-
angern. Bradburys Projekt steht nach dem
Kommunique vor, datz dis Frage der interalliierten
«wulden gleichzeitig mit der endgültigen Fest-
mng der deutschen Verpflichtung geregelt wird.
Varthou gegen Bradburys.
-Varis, 15. Ott. Auf das Projekt. Bradburys,
gestern der Gegenstand der vertraut. Sitzung
,^mlrationskommission bildete, wird, wie das
Mm!" erfährt, der französische Vertreter
er ! .e,-" «einem Memorandum antworten, indem
!' keine Entscheidung über ein neues
cm Deutschland annehmen zu können,
Konferenz !n Brüssel nicht gesprochen habe.
Regierung Halts unter allen llur-
lovi» Bewilligung eines so Mn gen Mora-
bw- es Bradbury fordert, für unann hm-
lan„ wirtschaftlichen BeturteMung eines so
lieg? Zeitraumes leine konkrete Möglichkeit vor-
crr is, 15. Ott. Der neue Präsident der Re-
iwcu m Emission Barthou hat den französt-
burv« - E^^ortvetcrn erklärt, die Denkschrift Brad-
Sim^ weder ein Moratorium im eigentlichen
Wortes, noch eine solche im weiteren
Küb»s, Die Denkschrift sei von erstaunlicher
und erinnere an die energischen Matz-
fabl °inst Napoleon l. von Malta aus Ve-
rein Zusammenbruch der Bank von Frank-
De? Mißerfolg in Rußland z»t verhüten.
H'iu^>-^?^?"^ö.Nsche Borschlag gehe von idem
Nina»?« os unerläßlich sei, die deutschen
die sei'.. '"iuerci,. Dies könne aber nur durch
Kontrun'^^"»^?^"ikation und durch die
Einzignicht erreicht werden.
Slallem könne nur eine ausländische
Crfola a.is^r Ziele führen. Damit sie N!!t
visus du könne, müsse ihr Zinsen-
mr. ^^ i^e dclUscher. Einkünfte garantiert wer-
'"S den kue EMnahmen des Reiches
°N indirekten Stehe r n Vorschlägen.
Jas Mil W die WkWMdel.
Heidelbergr 16. Oktober 1922.
Das urteil über die Rathenaumörder ist gefällt.
Aus den nachstehend veröffentlichten Urteilssprüchen
merkt man wenig von der Erregung, die im Sommer
durch das deutsche Volk zitterte, als ihm durch
deutschvölkische Mörderhand der fähigste Außen-
minister entrissen wurde, den es seit Jahrzehnten
besessen. Milde scheint saft das oberste Gesetz der.
deutschen Republik zu sein. Und doch ist es! nicht
so, wenn man der Leipziger Justiz die Münchener
Justiz entgögenhält. Ob die klimatischen Verhätt-
nisse hieran schuld sind» oder der Unterschied der
Verhältnisses
Gleichgültig um die politische Einstellung wird
das übermilde Leipziger Urteil in den weitesten
Kreisen des deutschen Volkes wenig VerständMS fin-
den. Schon vom Gerechtigkeitsstandpunkt rann man
in den verhängten Strafen keine genügende
Sühne finden^ selbst wenn man berücksichtigt, daß
Kern und Fischer, die Hauptschuldigem sich dem
irdischen Richter entzogen haben. Ebensowenig kann
das allzumilde Urteil als Zeuge für die Stärke des
republikanischen Gedankens dienen. Vor allem ver-
mißten wir in der Prozeßführung die ausreichende
Suche nach den treibenden Kräften der
Mörderattionen. Wahrlich, das mutz man Won
sagen: Um ein derartiges Urteil zu konstruieren, war
das große Geschrei der Reaktion wegen der Errich-
tung des Staatsgerichtshofes nicht nötig. Die
Rechtsbolschewisten werden sich ins Fäustchen lachen.
Und sie haben alle Ursache dazu.
Die Verkündung des. Urteils.
Leipzig, 14. Ott." Das Urteil in dem Prozeß
gegen die Rathenaumörder wurde kurz nach 3 Uhr
gesprochen. Es lautet gegen
ErnstWernerTechow wegen Beihilfe zum
Mord auflSJahreAuchthaus und 16 Jahre
Ehrverlust,
Hans Gerd Dechow wegen Beihilfe und
wegen Begünstigung auf eine Gefamtgefängnisstrafe
von 4 Jahren und 1 Monat,
WilliGünther wegen Beihilfe auf 8 Jahr-
Zuchthaus und 16 Jahre Ehrverlust.
Der Angeklagte Ilse mann wurde von der
Anklage der Beihilfe und der Begünstigung freige-
fprochen, aber wegen verbotenen Waffenbesitzes zu
2 Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Angeklagte Steinbeck wurde freige-
sprochen.
Der Angeklagte Niedrig erhielt 5 Jahre Zucht-
haus und 5 Jahre Ehrverlust,
Der Angeklagte Warnecke wurde freige-
sprochen.
Der Angeklagte v. Salomon wurde wegen
Beihilfe zu 5 Jahren Zuchthaus und ö Jahren Ehr-
verlust verurteilt.
Die Angeklagten Schütt und Dieftel erhiel-
ten wegen Begünstigung je 2 Monate Gefängnis.
Der Angeklagte Tillessen wurde wegen Un-
terlassung der Anzeige zu 3 Jahren Gefängnis und
der Angeklagte Plaas wegen desselben Deliktes zu
2 Jahren Gefängnis verurteilt.
Der Angeklagte Botz wurde fretgesprochen.
Die Strafen der Angeklagten Jlsemann,
Schütt und Dieftel gelten durch dis Unter-
suchungshaft als verbüßt. Den mit Gefängnis
Bestraften wird die Untersuchungshaft auf die Strafe
angerechnet.
Der Haftbefehl gegen de« Angeklagte« Jlse-
mann wurde aufgehoben.
Die Urteilsbegründung.
Leipzig, 14. Ott. Das urteil gegen die An-
geklagten im Rathenau-Prozeß ist wie folgt be-
gründet:
Eines der fluchwürdigsten Verbrechen, Vas die
Geschichte kennt, ist Gegenstand dieser Verhandlung
gewesen. Durch feigen Meuchelmord ist eines -er
edelsten Menschenleben in Deutschland auNge-
löscht, ein ungeh eurer Fre vel an der Mensch-
heit und an unserem armen gequälten Va-
terland verübt worden, dem der Tod Rathenans
unsäglichen Schaden gebracht hat und noch
bringen wird.
Gerade Rathena» war der Mann gewesen,
den Gesahren, die uns von außen und innen be-
drohen, wirksam entgegenzutreten. Feige Mörder
haben ihn nach einem wohlvorbcreiteten Plan hin-
terlistig nach allen Regeln der Mordkunst ans dem
Wöge geräumt. Sie haben gehofft, sich der Simse
ebenso zu entziehen, wie die Mörder Erzbergers,
wofür ihnen auch Hilfe zur Seite stand. Nur der
mustergültigen Führung der Verfolgung ist es zu
danken, daß sie nach langer Verfolgung gestellt wur-
den und dem verdienten Tode verfielen. Himer den
Mördern und Mordgehilfen aber erhebt sich als der
Hauptschuldige
der verantwortungslose, fanatische Antisemitismus
sein verzerrtes Gesicht. Möge der Opfertod Rathe-
ttaus, der sich Wohl bewußt war, welchen Gefahren
er mit Ueberrmhme seines Amtes entgegenging, möge
die Aufklärung, dis diese Verhandlung über die
schrecklichen Folgen gewissenloser Verhetzung gebracht
hüt, und möge schließlich der Vries der ehrwürdigen
Mutter des edlen Toten dazu dienen, die Ver-
pestete Lust in Deutschland zu reini-
gen. Bei der Beurteilung der Angeklagten, die
übrigens nicht etwa, wie vielfach in der Presse
angenommen wird, nach dem Schutzgesetz, sondern
nach dem bisherigen Strafrecht
zu erfolgen hat, ist sich der Gerichtshof bewußt ge-
wesen. daß ihr nur bewiesene Tatsachen, nicht blotze
Vermutungen zugrundezulegen sind. Daher ist die
Annahme abgelehnt worden, daß dem Mord
Rathenaus das Komplott einer organisierten Mör-
tzerbande zugrundeliege, nach deren Anweisung jeder
einzelne Beteiligte nach vorher übernommener Ge-
horsamspflicht jeder an der für ihn bestimmten Stelle
gehandelt hat. Zwar ist die Möglichkeit vor-
handen, daß eine solche Organisation, die den Mord
Rathenaus betrieb, bestanden hat, bewiesen ist es
jedoch bisher nicht, auch nicht, datz der Mordplan
bei Kern und Fischer entstanden ist und daß diese
die Gelegenheit benutzt haben, die für schuldig be-
fundenen Angeklagten nach und nach in dis Sache
hineinzuziehen.
Bei den einzelnen Angeklagten ist als erwiesen
zu erachten und gewürdigt:
Bei Ern st WernerTechow: Spätestens am
Freitag abend beim Bemerken der Maschinenpistole
har er volle Kenntnis von dem Mordplan Kerns
Schabt. Er hat die Maschinenpistole in das Auto
hineingebracht und ist unmittelbar Lei der Ausfüh-
rung beteiligt durch das Heranbringen des Autos
Mit den eigentlichen Mördern an das Opfer. Es ist
bei ihm Beihilfe, nicht Mittäterschaft angenom-
men. Der Staatsgerichtshos schließt sich hierbei der
subjektiven Theorie des Reichsgerichts an, wonach
es nicht daraus cmkommt, wie die Beteiligung an
der Tat gewesen, sondern lediglich daraus, ob der
ANMlMts die Tat als seine eigene Tat bewachtet
hat oder M er sie als die Tat eines anderen hat
befördern wollen. Der Fall liegt allerdings ersicht-
lich auf der Grenze. Es handelt sich um das
gemeine Verbrechen des hinterlistigen Meu-
chelmords, es handelt sich um Verursachung der
schwersten Schädigung an dem Gemeinwesen.
Auch bet Hans Gerd Dechow liegt Bei-
hilfe zum Mord vor. Er hat den Mordplan da-
durch gefördert, datz er den Mörder mit Stubenrauch
und Günther zusammengebracht hatte, um ihm den
bekannten Plan des Schülers Stubenrauch zu ver-
mitteln. Er hat sich auch bereit erklärt, das Material
für eine falsche Autonummer zu beschaffen. In bei-
den Beziehungen liegt eine Mitwirkungan dem
genannten Plan vor. Da er aber als Iirgend-
l i ch er nicht zu Zuchthaus verurteilt werden konnte,
ist auf eine Gefängnisstrafe von 4 Jahren gegen ihn
erkannt worden.
Bei Günther liegt von Anfang an durch die
ganze Verfolgung des Mordplanes hindurch Bei-
hilfe vor, wie er selbst auch nicht bestreitet. Sie be-
gann mit der Besprechung im Ratskeller zu Steglitz,
wo der Mordplan bereits erörtert wurde, setzte sich
fort in der Verschaffung der Garage, in dem Be-
mühen um eins Maschinenpistole, in dem Ver-
sprechen^ Geld zu verschaffen, was allerdings an-
scheinend nicht gelungen ist, dann in dem Herein-
wagen -er Maschinenpistole in das Auto, in dem
Holen Yon Material zur Anfertigung der falschen
Autonummer.
Bei v. Salomon ist ebenfalls Beihilfe zum
Mord angenommen worden.
Niedrig hat nicht nur den Entschluß Kems
psychologisch verstärkt, sondern er Hai auch den ge-
samten Mordplan durch Beihilfe unterstützt. Was
Warnecke anbelangt, so liegt zwar eist gewisser
Verdacht vor. daß er auch in den Plan eingeweiht
war. Was in dieser Hinsicht gegen ihn spricht, sind
aber nur Möglichkeiten, die nicht bewiesen sind. Für
Steinbeck gilt das gleiche. Bei ihm sprechen ge-
wisse .Momente dafür, daß er an eine Wafsenschie-
bung geglaicht hat. Da das Gegenteil nicht bewiesen
werden konnte, mußte er fretgesprochen werden. Bei
Jlsemann lag ganz sicher keine Beihilfe zum
Mord vor. Es ist ihm geglaubt worden, daß er
keineswegs wußte, zu welchem Zwecke er die Ma-
schinenpistole aushändiste.
Tillessen und Plaas sind vollkommen in
den Mordplan Kerns eingeweiht gewesen. Sie
wußten, daß nach menschlicher Berechnung der Plan
unweigerlich zur Ausführung kommen werde, wenn
nicht etwas Entscheidendes htnzutreten würde: Et-
was derartig Entscheidendes ist aber nicht hinzu-
gekommen. Ganz ähnlich wie bei Tillessen liegt die
Sachs bei Plaas. Es ist aber erwogen worden, daß
Tillessen offenbar einen großen Einfluß auf ihn aus-
übte und daß naturgemäß daher das Beispiel Til-
lesiens, der sich ebenfalls nicht veranlaßt sah, AnzesiP
zu erstatten oher wettere Schritte zur Verhütung des
Planes zu Än, für ihn Maßgebend gewesen ist.
Pressestimmen zum Urteil.
Die „Frankfurter Zeitung" schreibt: Der
Staats gerichtshoshat sein Urteil gesprochen,
Niemand wird ehrlicherweise behaupten können, daß
sich dieser Gerichtshof, der von den Gegnern der
Republik als Revolutionstribunal geschmäht worden
ist, von Gefühlen des Hasses und der politischen Vor-
eingenommenheit habe leiten lassen; man könnte
eher von einer Ueberovjekttvität sprechen,
die in der Eindringlichkeit der Befragung man-
ches vermissen ließ. Es mag manche geben,-
die das Urteil angesichts eines so furchtbaren Ver-
brechens und der überlegten Art, in der es ausge-
sührt wurde, zu Milde finden. Den Gerichtshof
haben dabet zwei Gesichtspunkte geleitet. Einmal,
daß bei den Hauptschuldigen, den Mördern selbst,-
bereits die Sühne durchdenTod eingetreten
ist, sodann, daß die hier Angeklagten zum größten
Teil jugendliche, iwch unreife Personen sind,
die durch die Hetze in die Beteiligung an dem Ver-
brechen hineingetrieben worden sind. Was die Hin-
termänner, die eigentlichen Organisatoren des
Mordes betrifft, so hat der Gerichtshof zwar das
Bestehen des Komplotts einer Organisation als
nicht erwiesen angenommen, Weil der Beweis dafür
nicht erbracht ist, aber doch die Möglichkeit als vor-
handen bezeichnet. Es sind sicherlich noch ge-
heimnisvolle Fäden vorhanden. Nur; wenn
es gelingt, sie aufzudecken, kann die Luft wirklich ge-
reinigt werden.
Das „Berliner Tageblatt" äußert: Mit
diesem Urteil, das sofort rechtskräftig ist, und das
der Vorsitzende eine „traurige Nachlese"
nennt, schließt eins der widerwärtig st enKa-
pitel aus der Geschichte der reaktionären Bewe-
gung in der deutschen Republik. Die Helfer am
Rathenau-Mord Haven milde Richter gefunden.
Die Milde des Spruchs ist zum Teil dadurch be-
dingt, datz die Bestrafung nicht nach den Vorschrif-
ten des Schutzgesetzes erfolgen kann, weil die Tat
vor Erlaß dieses Gesetzes begangen ist. Die Bestra-
fung erfolgt also lediglich auf der Grundlage des
allgemeinen Strafgesetzbuchs.
Der „V orwärt s" erklärt: Wir lesen das Urteil
und addieren: 15 Jahre Zuchthaus gegen Techow,
8 Jahre Zuchthaus gegen Günther, je S Jahre Zucht-
haus gegen Niedrig und v. Salomon — macht 33
Jahre Zuchthaus gegen vier Angeklagte. Dazu »och
insgesamt 9 Jahre und 6 Monate Gefängnis gegen
sechs weitere Angeklagte, drei Freisprüche — nein,
so billig wäre ein Ministermord unter dem alten
System nicht gewesen, 33 Jahre Zuchthaus -- das
war unter dem alten System gerade dis Sühne für
einen verprügelten Gendarmen. Wir können das
zufällig aktenmäßig seststellen. Im Jahre 1913 hat
ein Militärgericht in Erfurt gegen sechs Familien-
väter aus Wolkramshausen auch gerade 33 Jahre
Zuchthaus insgesamt verhängt, weil sie nach der
Kontriollversammlung in angeheitertem Zustand den
Gendarmen anrempelten. 33 Jahre Zuchthaus —>
damals für ein paar blaue Flecke eines
Gendarmen, heute für einen gemordeten
Minister. Das objektivste Gericht der Welt konnte
den Attentätern nicht mehr zugute halten,
als ihnen der Staatsgertchtshof zu ihren Gunsten
angerechnet hat. Die Richter des höchsten Gerichtes
der Republik haben sicher aus den laut ersten
Motiven gehandhabt. Sie haben auch den Schein
vermeiden wollen, als urteilten hier Parteigänger
und nicht objektive Richter. Sie haben sich losgelöst
von jedem Vergektungstrieb, sie haben sich objek-
tivtsiert, wie das nur geistig hochstehenden Men-
schen möglich ist. AVer eben hierbei entsteht dis
Frage, ob der Staatsgerichtshof nicht in dem Drang
nach Objektivität zu weich gewesen ist. Wir fürch-
ten, datz diese Frage von dem größten Teil des
Auslandes und des Inlandes bejaht werden wird.
Es ist nicht das erstemal, Latz die hohe Vernunft und
Gerechtigkeit, nach der die Republik trachtet, die Züge
der Schwächlichkeit und Lauheit annimmt.
Gerade auch das demokratische Ausland, das die
Entwicklung der Republik aufmerksam verfolgt, wird
ntcht v erst eh en, wie ein ausdrücklich zum Schutz
der Republik eingesetzter Gerichtshof sich mit so
niedrigen Strafen begnügen konnte. Man vergegen-
wärtige sich einmal, wie die Sache unter dem alte»
System gelaufen wäre. Da brauchte man gewiß
keinen besonderen Staatsgerichtshos, da war jede
Strafkammer des kleinsten Landgerichts ohne weite-
res ein Gericht zum Schutze der Monarchie. Ge-
richtsvorsitzender und Staatsanwalt hätten gewett-
eifert, durch schneidig-brutales Auftreten gegen dis
Angeklagten zu glänze«. Es wäre gelaufen, wie es.
jetzt noch in der reaktionären Urzelle Bayern beim
Fechenbach-Prozetz läuft, wo der Vorsitzende
die Angeklagten niederdonnert und der schneidige
Staatsanwalt um einer höchst fragwürdigen Schuld
willen 15 Jahre Zuchthaus pro Mann fordert —
mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß dies die
Höchststrafe sei!
Die „Vossische Zeitung" stellt folgende
Erwägungen an: Das Urteil befriedigt nicht,
weil es nicht befriedigen kann. Es kann nicht be-
friedigen, weil Fischer und Kern, die den tödlichen
Schutz gegen Rathenau abgefeuert und die Eier-
bombe geworfen haben, dem irdischen Richter ent-
zogen sind, und weil nur diejenigen, die juristisch als
Helfer in die Erscheinung traten, den irdischen Rich-
tcrspruch noch entgegenzunehmen hatten. Aber auch
- - Spruch gegen diese Kleinen bleibt noch viel Un-
befriedigendes,
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«s deutschen Budgets und Stabilisierung der deut-
schen Mar; lM Bradbury schlägt folgendes vor:
1. Das deutsche Budget soll nahem völlig von dell
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en klafter werden, eventl. bis zu einer Dauer von
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nach Berlin verlegt werden.
Bradburys Kommunique.
Paris, 15. Ott. (Letzte telegr. Meldg.)
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sion liegt nunmehr vor. Sie lauten:
1. Deutschland mutz die Wiederherstellung des
Gleichgewichts in seinem Budget dadurch ermög-
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drei, eventuell für vier Jahre aus dem deutschen
Budget ganz verschwinden.
2. Es mutz sofort eine Vereinbarung mit der
Neichssank über die Schaffung eines auf der
Goldreserve der Reichsbank basierten neuen
Währungszeichens getroffen und der Wert
dieser neuen Mark unverzüglich irgendwie fest-
gesetzt werden.
3. Die Reparationskommission mutz einer durch-
Meifendeu Umgestaltung unterzogen und nach
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Aus der Begründung ist zu erwähnen:
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A^de es keine ernsten Schwierigkeiten machen, die
,iarl kber ihrem gegenwärtigen Kurs zu stabilisieren
ohne Gefahr für die Goldreserve der Reichsbank.
^in Anwachsen der schwebenden Schuld kann aber
wc verhütet werden, wenn das Gleichgewicht im
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-Varis, 15. Ott. Auf das Projekt. Bradburys,
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Crfola a.is^r Ziele führen. Damit sie N!!t
visus du könne, müsse ihr Zinsen-
mr. ^^ i^e dclUscher. Einkünfte garantiert wer-
'"S den kue EMnahmen des Reiches
°N indirekten Stehe r n Vorschlägen.
Jas Mil W die WkWMdel.
Heidelbergr 16. Oktober 1922.
Das urteil über die Rathenaumörder ist gefällt.
Aus den nachstehend veröffentlichten Urteilssprüchen
merkt man wenig von der Erregung, die im Sommer
durch das deutsche Volk zitterte, als ihm durch
deutschvölkische Mörderhand der fähigste Außen-
minister entrissen wurde, den es seit Jahrzehnten
besessen. Milde scheint saft das oberste Gesetz der.
deutschen Republik zu sein. Und doch ist es! nicht
so, wenn man der Leipziger Justiz die Münchener
Justiz entgögenhält. Ob die klimatischen Verhätt-
nisse hieran schuld sind» oder der Unterschied der
Verhältnisses
Gleichgültig um die politische Einstellung wird
das übermilde Leipziger Urteil in den weitesten
Kreisen des deutschen Volkes wenig VerständMS fin-
den. Schon vom Gerechtigkeitsstandpunkt rann man
in den verhängten Strafen keine genügende
Sühne finden^ selbst wenn man berücksichtigt, daß
Kern und Fischer, die Hauptschuldigem sich dem
irdischen Richter entzogen haben. Ebensowenig kann
das allzumilde Urteil als Zeuge für die Stärke des
republikanischen Gedankens dienen. Vor allem ver-
mißten wir in der Prozeßführung die ausreichende
Suche nach den treibenden Kräften der
Mörderattionen. Wahrlich, das mutz man Won
sagen: Um ein derartiges Urteil zu konstruieren, war
das große Geschrei der Reaktion wegen der Errich-
tung des Staatsgerichtshofes nicht nötig. Die
Rechtsbolschewisten werden sich ins Fäustchen lachen.
Und sie haben alle Ursache dazu.
Die Verkündung des. Urteils.
Leipzig, 14. Ott." Das Urteil in dem Prozeß
gegen die Rathenaumörder wurde kurz nach 3 Uhr
gesprochen. Es lautet gegen
ErnstWernerTechow wegen Beihilfe zum
Mord auflSJahreAuchthaus und 16 Jahre
Ehrverlust,
Hans Gerd Dechow wegen Beihilfe und
wegen Begünstigung auf eine Gefamtgefängnisstrafe
von 4 Jahren und 1 Monat,
WilliGünther wegen Beihilfe auf 8 Jahr-
Zuchthaus und 16 Jahre Ehrverlust.
Der Angeklagte Ilse mann wurde von der
Anklage der Beihilfe und der Begünstigung freige-
fprochen, aber wegen verbotenen Waffenbesitzes zu
2 Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Angeklagte Steinbeck wurde freige-
sprochen.
Der Angeklagte Niedrig erhielt 5 Jahre Zucht-
haus und 5 Jahre Ehrverlust,
Der Angeklagte Warnecke wurde freige-
sprochen.
Der Angeklagte v. Salomon wurde wegen
Beihilfe zu 5 Jahren Zuchthaus und ö Jahren Ehr-
verlust verurteilt.
Die Angeklagten Schütt und Dieftel erhiel-
ten wegen Begünstigung je 2 Monate Gefängnis.
Der Angeklagte Tillessen wurde wegen Un-
terlassung der Anzeige zu 3 Jahren Gefängnis und
der Angeklagte Plaas wegen desselben Deliktes zu
2 Jahren Gefängnis verurteilt.
Der Angeklagte Botz wurde fretgesprochen.
Die Strafen der Angeklagten Jlsemann,
Schütt und Dieftel gelten durch dis Unter-
suchungshaft als verbüßt. Den mit Gefängnis
Bestraften wird die Untersuchungshaft auf die Strafe
angerechnet.
Der Haftbefehl gegen de« Angeklagte« Jlse-
mann wurde aufgehoben.
Die Urteilsbegründung.
Leipzig, 14. Ott. Das urteil gegen die An-
geklagten im Rathenau-Prozeß ist wie folgt be-
gründet:
Eines der fluchwürdigsten Verbrechen, Vas die
Geschichte kennt, ist Gegenstand dieser Verhandlung
gewesen. Durch feigen Meuchelmord ist eines -er
edelsten Menschenleben in Deutschland auNge-
löscht, ein ungeh eurer Fre vel an der Mensch-
heit und an unserem armen gequälten Va-
terland verübt worden, dem der Tod Rathenans
unsäglichen Schaden gebracht hat und noch
bringen wird.
Gerade Rathena» war der Mann gewesen,
den Gesahren, die uns von außen und innen be-
drohen, wirksam entgegenzutreten. Feige Mörder
haben ihn nach einem wohlvorbcreiteten Plan hin-
terlistig nach allen Regeln der Mordkunst ans dem
Wöge geräumt. Sie haben gehofft, sich der Simse
ebenso zu entziehen, wie die Mörder Erzbergers,
wofür ihnen auch Hilfe zur Seite stand. Nur der
mustergültigen Führung der Verfolgung ist es zu
danken, daß sie nach langer Verfolgung gestellt wur-
den und dem verdienten Tode verfielen. Himer den
Mördern und Mordgehilfen aber erhebt sich als der
Hauptschuldige
der verantwortungslose, fanatische Antisemitismus
sein verzerrtes Gesicht. Möge der Opfertod Rathe-
ttaus, der sich Wohl bewußt war, welchen Gefahren
er mit Ueberrmhme seines Amtes entgegenging, möge
die Aufklärung, dis diese Verhandlung über die
schrecklichen Folgen gewissenloser Verhetzung gebracht
hüt, und möge schließlich der Vries der ehrwürdigen
Mutter des edlen Toten dazu dienen, die Ver-
pestete Lust in Deutschland zu reini-
gen. Bei der Beurteilung der Angeklagten, die
übrigens nicht etwa, wie vielfach in der Presse
angenommen wird, nach dem Schutzgesetz, sondern
nach dem bisherigen Strafrecht
zu erfolgen hat, ist sich der Gerichtshof bewußt ge-
wesen. daß ihr nur bewiesene Tatsachen, nicht blotze
Vermutungen zugrundezulegen sind. Daher ist die
Annahme abgelehnt worden, daß dem Mord
Rathenaus das Komplott einer organisierten Mör-
tzerbande zugrundeliege, nach deren Anweisung jeder
einzelne Beteiligte nach vorher übernommener Ge-
horsamspflicht jeder an der für ihn bestimmten Stelle
gehandelt hat. Zwar ist die Möglichkeit vor-
handen, daß eine solche Organisation, die den Mord
Rathenaus betrieb, bestanden hat, bewiesen ist es
jedoch bisher nicht, auch nicht, datz der Mordplan
bei Kern und Fischer entstanden ist und daß diese
die Gelegenheit benutzt haben, die für schuldig be-
fundenen Angeklagten nach und nach in dis Sache
hineinzuziehen.
Bei den einzelnen Angeklagten ist als erwiesen
zu erachten und gewürdigt:
Bei Ern st WernerTechow: Spätestens am
Freitag abend beim Bemerken der Maschinenpistole
har er volle Kenntnis von dem Mordplan Kerns
Schabt. Er hat die Maschinenpistole in das Auto
hineingebracht und ist unmittelbar Lei der Ausfüh-
rung beteiligt durch das Heranbringen des Autos
Mit den eigentlichen Mördern an das Opfer. Es ist
bei ihm Beihilfe, nicht Mittäterschaft angenom-
men. Der Staatsgerichtshos schließt sich hierbei der
subjektiven Theorie des Reichsgerichts an, wonach
es nicht daraus cmkommt, wie die Beteiligung an
der Tat gewesen, sondern lediglich daraus, ob der
ANMlMts die Tat als seine eigene Tat bewachtet
hat oder M er sie als die Tat eines anderen hat
befördern wollen. Der Fall liegt allerdings ersicht-
lich auf der Grenze. Es handelt sich um das
gemeine Verbrechen des hinterlistigen Meu-
chelmords, es handelt sich um Verursachung der
schwersten Schädigung an dem Gemeinwesen.
Auch bet Hans Gerd Dechow liegt Bei-
hilfe zum Mord vor. Er hat den Mordplan da-
durch gefördert, datz er den Mörder mit Stubenrauch
und Günther zusammengebracht hatte, um ihm den
bekannten Plan des Schülers Stubenrauch zu ver-
mitteln. Er hat sich auch bereit erklärt, das Material
für eine falsche Autonummer zu beschaffen. In bei-
den Beziehungen liegt eine Mitwirkungan dem
genannten Plan vor. Da er aber als Iirgend-
l i ch er nicht zu Zuchthaus verurteilt werden konnte,
ist auf eine Gefängnisstrafe von 4 Jahren gegen ihn
erkannt worden.
Bei Günther liegt von Anfang an durch die
ganze Verfolgung des Mordplanes hindurch Bei-
hilfe vor, wie er selbst auch nicht bestreitet. Sie be-
gann mit der Besprechung im Ratskeller zu Steglitz,
wo der Mordplan bereits erörtert wurde, setzte sich
fort in der Verschaffung der Garage, in dem Be-
mühen um eins Maschinenpistole, in dem Ver-
sprechen^ Geld zu verschaffen, was allerdings an-
scheinend nicht gelungen ist, dann in dem Herein-
wagen -er Maschinenpistole in das Auto, in dem
Holen Yon Material zur Anfertigung der falschen
Autonummer.
Bei v. Salomon ist ebenfalls Beihilfe zum
Mord angenommen worden.
Niedrig hat nicht nur den Entschluß Kems
psychologisch verstärkt, sondern er Hai auch den ge-
samten Mordplan durch Beihilfe unterstützt. Was
Warnecke anbelangt, so liegt zwar eist gewisser
Verdacht vor. daß er auch in den Plan eingeweiht
war. Was in dieser Hinsicht gegen ihn spricht, sind
aber nur Möglichkeiten, die nicht bewiesen sind. Für
Steinbeck gilt das gleiche. Bei ihm sprechen ge-
wisse .Momente dafür, daß er an eine Wafsenschie-
bung geglaicht hat. Da das Gegenteil nicht bewiesen
werden konnte, mußte er fretgesprochen werden. Bei
Jlsemann lag ganz sicher keine Beihilfe zum
Mord vor. Es ist ihm geglaubt worden, daß er
keineswegs wußte, zu welchem Zwecke er die Ma-
schinenpistole aushändiste.
Tillessen und Plaas sind vollkommen in
den Mordplan Kerns eingeweiht gewesen. Sie
wußten, daß nach menschlicher Berechnung der Plan
unweigerlich zur Ausführung kommen werde, wenn
nicht etwas Entscheidendes htnzutreten würde: Et-
was derartig Entscheidendes ist aber nicht hinzu-
gekommen. Ganz ähnlich wie bei Tillessen liegt die
Sachs bei Plaas. Es ist aber erwogen worden, daß
Tillessen offenbar einen großen Einfluß auf ihn aus-
übte und daß naturgemäß daher das Beispiel Til-
lesiens, der sich ebenfalls nicht veranlaßt sah, AnzesiP
zu erstatten oher wettere Schritte zur Verhütung des
Planes zu Än, für ihn Maßgebend gewesen ist.
Pressestimmen zum Urteil.
Die „Frankfurter Zeitung" schreibt: Der
Staats gerichtshoshat sein Urteil gesprochen,
Niemand wird ehrlicherweise behaupten können, daß
sich dieser Gerichtshof, der von den Gegnern der
Republik als Revolutionstribunal geschmäht worden
ist, von Gefühlen des Hasses und der politischen Vor-
eingenommenheit habe leiten lassen; man könnte
eher von einer Ueberovjekttvität sprechen,
die in der Eindringlichkeit der Befragung man-
ches vermissen ließ. Es mag manche geben,-
die das Urteil angesichts eines so furchtbaren Ver-
brechens und der überlegten Art, in der es ausge-
sührt wurde, zu Milde finden. Den Gerichtshof
haben dabet zwei Gesichtspunkte geleitet. Einmal,
daß bei den Hauptschuldigen, den Mördern selbst,-
bereits die Sühne durchdenTod eingetreten
ist, sodann, daß die hier Angeklagten zum größten
Teil jugendliche, iwch unreife Personen sind,
die durch die Hetze in die Beteiligung an dem Ver-
brechen hineingetrieben worden sind. Was die Hin-
termänner, die eigentlichen Organisatoren des
Mordes betrifft, so hat der Gerichtshof zwar das
Bestehen des Komplotts einer Organisation als
nicht erwiesen angenommen, Weil der Beweis dafür
nicht erbracht ist, aber doch die Möglichkeit als vor-
handen bezeichnet. Es sind sicherlich noch ge-
heimnisvolle Fäden vorhanden. Nur; wenn
es gelingt, sie aufzudecken, kann die Luft wirklich ge-
reinigt werden.
Das „Berliner Tageblatt" äußert: Mit
diesem Urteil, das sofort rechtskräftig ist, und das
der Vorsitzende eine „traurige Nachlese"
nennt, schließt eins der widerwärtig st enKa-
pitel aus der Geschichte der reaktionären Bewe-
gung in der deutschen Republik. Die Helfer am
Rathenau-Mord Haven milde Richter gefunden.
Die Milde des Spruchs ist zum Teil dadurch be-
dingt, datz die Bestrafung nicht nach den Vorschrif-
ten des Schutzgesetzes erfolgen kann, weil die Tat
vor Erlaß dieses Gesetzes begangen ist. Die Bestra-
fung erfolgt also lediglich auf der Grundlage des
allgemeinen Strafgesetzbuchs.
Der „V orwärt s" erklärt: Wir lesen das Urteil
und addieren: 15 Jahre Zuchthaus gegen Techow,
8 Jahre Zuchthaus gegen Günther, je S Jahre Zucht-
haus gegen Niedrig und v. Salomon — macht 33
Jahre Zuchthaus gegen vier Angeklagte. Dazu »och
insgesamt 9 Jahre und 6 Monate Gefängnis gegen
sechs weitere Angeklagte, drei Freisprüche — nein,
so billig wäre ein Ministermord unter dem alten
System nicht gewesen, 33 Jahre Zuchthaus -- das
war unter dem alten System gerade dis Sühne für
einen verprügelten Gendarmen. Wir können das
zufällig aktenmäßig seststellen. Im Jahre 1913 hat
ein Militärgericht in Erfurt gegen sechs Familien-
väter aus Wolkramshausen auch gerade 33 Jahre
Zuchthaus insgesamt verhängt, weil sie nach der
Kontriollversammlung in angeheitertem Zustand den
Gendarmen anrempelten. 33 Jahre Zuchthaus —>
damals für ein paar blaue Flecke eines
Gendarmen, heute für einen gemordeten
Minister. Das objektivste Gericht der Welt konnte
den Attentätern nicht mehr zugute halten,
als ihnen der Staatsgertchtshof zu ihren Gunsten
angerechnet hat. Die Richter des höchsten Gerichtes
der Republik haben sicher aus den laut ersten
Motiven gehandhabt. Sie haben auch den Schein
vermeiden wollen, als urteilten hier Parteigänger
und nicht objektive Richter. Sie haben sich losgelöst
von jedem Vergektungstrieb, sie haben sich objek-
tivtsiert, wie das nur geistig hochstehenden Men-
schen möglich ist. AVer eben hierbei entsteht dis
Frage, ob der Staatsgerichtshof nicht in dem Drang
nach Objektivität zu weich gewesen ist. Wir fürch-
ten, datz diese Frage von dem größten Teil des
Auslandes und des Inlandes bejaht werden wird.
Es ist nicht das erstemal, Latz die hohe Vernunft und
Gerechtigkeit, nach der die Republik trachtet, die Züge
der Schwächlichkeit und Lauheit annimmt.
Gerade auch das demokratische Ausland, das die
Entwicklung der Republik aufmerksam verfolgt, wird
ntcht v erst eh en, wie ein ausdrücklich zum Schutz
der Republik eingesetzter Gerichtshof sich mit so
niedrigen Strafen begnügen konnte. Man vergegen-
wärtige sich einmal, wie die Sache unter dem alte»
System gelaufen wäre. Da brauchte man gewiß
keinen besonderen Staatsgerichtshos, da war jede
Strafkammer des kleinsten Landgerichts ohne weite-
res ein Gericht zum Schutze der Monarchie. Ge-
richtsvorsitzender und Staatsanwalt hätten gewett-
eifert, durch schneidig-brutales Auftreten gegen dis
Angeklagten zu glänze«. Es wäre gelaufen, wie es.
jetzt noch in der reaktionären Urzelle Bayern beim
Fechenbach-Prozetz läuft, wo der Vorsitzende
die Angeklagten niederdonnert und der schneidige
Staatsanwalt um einer höchst fragwürdigen Schuld
willen 15 Jahre Zuchthaus pro Mann fordert —
mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß dies die
Höchststrafe sei!
Die „Vossische Zeitung" stellt folgende
Erwägungen an: Das Urteil befriedigt nicht,
weil es nicht befriedigen kann. Es kann nicht be-
friedigen, weil Fischer und Kern, die den tödlichen
Schutz gegen Rathenau abgefeuert und die Eier-
bombe geworfen haben, dem irdischen Richter ent-
zogen sind, und weil nur diejenigen, die juristisch als
Helfer in die Erscheinung traten, den irdischen Rich-
tcrspruch noch entgegenzunehmen hatten. Aber auch
- - Spruch gegen diese Kleinen bleibt noch viel Un-
befriedigendes,